Open-Source-Shops: Magento, Oxid eShop und xt:Commerce im Vergleich
Als Entscheidungskriterien für ein Open-Source-Shopsystem spielen neben
den harten Fakten wie dem Funktionsumfang, der Architektur und der Unterstützung seitens des Herstellers oder der Partner-Agenturen vor allem die Größe und Agilität der Community eine Rolle. Diese
sorgt im Idealfall nicht nur dafür, dass man als Anwender bei der
Einrichtung und Erweiterung seines Shop-Systems Hilfe findet, sondern
sie entwickelt – oft unbemerkt – permanent am Shop-Projekt weiter, sodass
eine aktive Community in der Regel ein Garant für
die langfristige Konkurrenzfähigkeit einer Open-Source-Shop-Lösung ist.
Aber auch oft vernachlässigte Faktoren wie
eine erweiterbare Architektur, solide Qualitätssicherung sowie Usability sollten berücksichtigt werden. So nützt die aktivste Community nichts, wenn die
Shop-Architektur keine sauberen Erweiterungen ermöglicht und unschöne Änderungen
am Shop-Kern vorgenommen werden müssen, der dann seine Update-Fähigkeit verliert. Je nach Shop-Größe kann eine schlechte Shop-Architektur im laufenden Betrieb schnell zum Flaschenhals werden.
Bei der Betrachtung von Open-Source-Shop-Lösungen ist es wie bei den kommerziellen Pendants extrem wichtig, sich im Vorfeld klar zu werden, welche Anforderungen man an die Shop-Lösung seiner Wahl stellt. Neben der besonderen Eignung eines Shop-Systems für eine bestimmte Shop-Größe sind auch vorhandene Schnittstellen zu Warenwirtschaftssystemen und E-Payment-Anbietern sowie vor allem das Kosten/Nutzen-Verhältnis wichtige Faktoren. Im seltensten Fall wird eine der nachfolgenden Open-Source-Lösungen die Anforderungen eines Shop-Betreibers zu 100 Prozent „out-of-the-box“ erfüllen. Ein gewisses Maß an Anpassungsaufwand sollte man von vornherein einplanen. Je nachdem, wie genau sich die Anforderungen mit dem Funktionsumfang der jeweiligen Shop-Lösung decken, lässt sich dieser Aufwand in einem überschaubaren Maß halten. Dann lassen sich die Vorteile einer Open-Source-Lösung – etwa Anbieterunabhängigkeit, Community-getriebene Entwicklung, Lizenzkostenfreiheit, Einblick in den Quellcode – zur individuellen Anpassung der Lösung an seine Anforderungen nutzen.
Magento: moderner Allrounder aus den USA
Magento ist eine von der US-amerikanischen E-Commerce-Agentur Varien
von Grund auf neu entwickelte E-Commerce-Software, die im September
2007 erstmals veröffentlicht wurde. Die Software ist stark auf den
Enterprise-Markt ausgerichtet und kommt mit hohem technischen Anspruch
und großer Funktionsvielfalt daher. Shop-Betreibern bietet Magento eine Fülle von
Grundfunktionen, unter anderem eine recht praktische
Suchmaschinenoptimierung (SEO) sowie ein
flexibles Versand- und Zahlungssystem. Fehlende Funktionen lassen sich
durch einen großen Pool an kostenlosen und kostenpflichtigen
Erweiterungsmodulen in Magentos Modul-Marktplatz „Connect“ nachrüsten.
Neben der lizenzkostenfreien „Community-Edition“ bietet Hersteller
Varien zudem eine Enterprise-Version mit speziellen Funktionen zum
Betrieb großer Shops an (Staging, starke Verschlüsselung,
Gutschein-Funktion etc.). Diese Zusatzfunktionen sind mit Preisen ab 8.900 US-Dollar pro Jahr und Server allerdings auch nicht ganz günstig.
Magento hat es als englischsprachiges Projekt innerhalb kürzester Zeit geschafft, eine riesige Zahl von
Leuten um sich zu scharen: Eine globale Community
sorgt dafür, dass die Anzahl an
Erweiterungsmodulen stetig steigt, viele neue Shop-Designs entstehen,
die Qualitätssicherung verbessert wird und Einsteiger wie
Fortgeschrittene
in den zahlreichen Foren, Screencasts und der Knowledge-Base Antworten auf ihre Support-Fragen finden. Ergänzt wird dieser
gute Eindruck durch Variens starke Community-Nähe, wie sich erst kürzlich beim Community-Event „Meet Magento“ in Leipzig zeigte [1]. Nach einer detaillierten Entwickler-Dokumentation,
Coding-Guidelines und Praxistipps zu Skalierbarkeit und Performance
sucht man bei Magento allerdings vergeblich. Hier scheint der
Hersteller die Vermarktbarkeit seiner Enterprise-Version und
Support-Dienstleistungen nicht gefährden zu wollen.
Oxid eShop: schlank und schnell
Oxid eShop wurde über Jahre hinweg als klassische
Closed-Source-Shop-Software vor allem für den deutschen Markt entwickelt, bis im Oktober 2008 der
Hersteller Oxid eSales AG die Shop-Software plötzlich auch in einer
Community Edition unter Open-Source-Lizenz veröffentlichte. Möglich
wurde dies durch die komplette Überarbeitung und Modularisierung des
Oxid-eShop-Quellcodes. Entwickler können so eigene
Oxid-eShop-Erweiterungen schreiben und sich aktiv in die
Oxid-eShop-Community einbringen. Auch immer mehr internationale
Entwickler finden durch das plötzliche „Open-Source-Coming-Out“ Zugang
zu dem bislang stark auf den deutschen Markt fokussierten Shop-System.
Ende April hat die Oxid eSales AG zudem unter dem Namen „eXchange“
einen Marktplatz für eShop-Erweiterungen gestartet. Oxid-Nutzer können
darin in insgesamt 14 Kategorien nach geeigneten Addons suchen. Zum
Start befanden sich allerdings erst eine Hand voll Erweiterungen auf
der Plattform. Oxid eShop gibt es neben der Community-Version auch in
einer erweiterten Professional- und Enterprise-Version.
Die Community rund um Oxid eShop ist aufgrund des späteren
Markteintritts logischerweise noch nicht so groß wie bei xt:Commerce
und Magento, wächst aber dennoch stetig. Durch den relativ neuen
Marktplatz hat Oxid zudem die Voraussetzungen geschaffen, mehr Leute an
der Weiterentwicklung zu beteiligen und für die nahe Zukunft eine
größere Auswahl an Erweiterungsmodulen zur Verfügung zu stellen. Neben
dem Betrieb des eShop-Forums und interessanten Einblicken zur
eShop-Entwicklung über den Oxid-eSales-Blog veranstaltet der
Hersteller Anfang Juli unter dem Namen „Oxid
Commons“ erstmals ein Community-Event, das Fallstudien, Programmiertipps und weitere Tricks
bündeln soll [2]. Nichtsdestotrotz ist die Community um Oxid eShop
vergleichsweise klein und noch deutlich auf den deutschsprachigen Raum
konzentriert.
xt:Commerce: alt aber praktisch
xt:Commerce ist die Weiterentwicklung von osCommerce, wurde für den
deutschen und europäischen Markt konzeptioniert und ist in diesem trotz
in die Jahre gekommener Architektur sehr weit verbreitet. Die
Programmier- und Designstruktur ist relativ einfach gehalten und leicht
anzupassen. xt:Commerce wird daher häufig für kleine Projekte
eingesetzt, also überall dort, wo man möglichst schnell die ersten
Schritte mit einem Online-Shop gehen möchte. Die alte Version 3.x von
xt:Commerce wurde unter Open-Source-Lizenz veröffentlicht, allerdings
kann man diese auf offiziellem Weg über die Firma xt:Commerce GmbH nur
nach Abschluss eines 12-monatigen Support-Vertrags downloaden. Der
Support-Vertrag schlägt dabei mit rund 100 Euro zu Buche. Im Internet finden
sich aber auch zahlreiche freie Download-Quellen, die legal ohne den
Support-Vertrag daherkommen. Ab der neuesten xt:Commerce-Version
„Veyton (4.0)“ kostet die Software je nach
Version zwischen 89 und 990 Euro und ist nicht mehr Open Source.
Bei xt:Commerce ist gerade im deutschsprachigen Raum die Community
vergleichsweise groß und der Funktionsumfang auf den ersten Blick
riesig – was nicht verwundert, bedenkt man, dass die Software bereits
seit einigen Jahren auf dem Markt ist. Mit dem Alter der Shop-Lösung
haben sich aber auch historisch bedingte Probleme eingeschlichen, die
erst mit der lizenzkostenpflichtigen Version 4 in Angriff genommen
wurden. Die Änderung des Lizenzmodells mit Version 4 wird allerdings
von vielen Community-Mitgliedern kritisch beurteilt, sodass viele
schon zu Alternativ-Projekten wie Magento und vor allem zum technisch
einfacheren Oxid eShop rüberschielen. Möchte man xt:Commerce lizenzkostenfrei
nutzen, muss man mit der letzten Version 3.0.4 aus dem Jahr
2006 vorliebnehmen und mit inoffiziellen Upgrade-Packages arbeiten –
für viele Anwender sicher ein Ausschlusskriterium.
Einfach und schnell vs. kompliziert und vielseitig
Magento scheint sich im Markt der Open-Source-Shop-Systeme als multifunktionsfähiger Allrounder zu positionieren. Die schier unbegrenzte Funktionsvielfalt gepaart mit einer soliden technischen Architektur erkauft man sich allerdings durch einen extremen Ressourcen-Bedarf und ein erhöhtes Maß an Komplexität. Für die Anpassung und Betreuung des Systems ist aufgrund der sehr komplex aufgebauten Code-Struktur und der niedrigen Lernkurve in der Regel eine Agentur oder der Zugriff auf versierte Programmierer notwendig. Auch der Aufwand für die Anpassung oder Erweiterung von Magento durch eigene Plugins sollte nicht unterschätzt werden. Hier ist mit einer vergleichsweise langen Einarbeitungszeit zu rechnen, auch da
Varien ständig Erweiterungen am Programmkern vornimmt.
Die Ansprüche, die Oxid eShop an einen Programmierer stellt, sind zwar ähnlich hoch wie bei
Magento, jedoch ist der Code deutlich übersichtlicher und konsistenter aufgebaut und greift auf bewährte Open-Source-Projekte wie zum Beispiel die Template-Engine Smarty zurück. Im Gegensatz zu Magento, das an vielen Stellen unübersichtlich und komplex wirkt, hat man bei der Bedienung und Einrichtung von Oxid eShop ständig das Gefühl, sich auf das Wesentliche zu beschränken. Wie bei Magento ist es jedoch zum Beispiel möglich, komplexe Attributsets zu definieren. Social-Features wie Tag-Clouds und Produktkommentare gehören sogar standardmäßig zum Funktionsumfang des eShop. In der Community-Version von Oxid eShop vermisst man die SOAP-Schnittstelle, sodass die Anbindung des Shops an ein Warenwirtschaftssystem oder die Kopplung mit anderen Systemen unmittelbar mit einem erhöhten Initialaufwand verbunden ist.
Bei xt:Commerce geht die Anpassung und Erweiterung vergleichsweise leicht von der
Hand. Im Gegensatz zu den hohen Anforderungen, die Magento an die
Serverhardware stellt, sollte xt:Commerce zudem auf jedem gängigen
PHP-MySQL-Webspace laufen. Zudem gelingt es auch dem weniger versierten Entwickler, die einfache Code-Architektur von xt:Commerce nachzuvollziehen und das System zu
erweitern. Allerdings sei an dieser Stelle angemerkt, dass der technisch veraltete Aufbau von xt:Commerce bei komplexen Anforderungen schnell zum Problem wird und erhebliche Workaround-Implementierungen nötig werden können. Diese Tatsache wiegt umso schwerer, da der offizielle Support von xt:Commerce v3 seitens des Herstellers eingestellt wurde und offiziell nur noch die kostenpflichtige Version v4 unterstützt wird.
Fazit
Jedes System hat seine Vor- und Nachteile. xt:Commerce hat aufgrund der einfachen Code-Struktur eine niedrige Einstiegshürde und eignet sich hauptsächlich für kleinere Online-Shops. Allerdings ist die Zukunftsfähigkeit des Systems aufgrund des Wechsels auf eine kommerzielle Lizenz seitens des Herstellers kritisch zu sehen. Magento bildet das andere Ende des Spektrums und zielt vor allem auf größere Shops aus dem Enterprise-Sektor. Eine große Community, eine große Zahl an Erweiterungsmodulen, zahlreiche Dienstleister und die enorme Flexibilität machen das System zum derzeit potentesten Player im Markt der Open-Source-Shopsysteme. Mit Oxid eShop kam im Herbst letzten Jahres ein ernstzunehmender Konkurrent ins Rennen. Der Oxid eShop bietet einen guten Kompromiss zwischen Erweiterbarkeit und Komplexität und wurde zudem von vornherein mit Fokus auf den deutschen Markt entwickelt.
Letztendlich sollte jeder Shop-Betreiber genau abwägen, welches System die Grundanforderungen am besten abdeckt, ob die gewünschten Erweiterungen in Form von Plugins verfügbar sind und welche Kosten die notwendigen Anpassungen nach sich ziehen. Die folgende Tabelle fasst die wichtigsten Eigenschaften der drei Systeme noch einmal zusammen.
Magento CE | xt:Commerce v3 | Oxid eShop CE | |
Serveranforderungen | hoch | niedrig | niedrig |
Architektur | PHP5, MVC, Zend Framework, komplex | PHP4, Smarty, prozedural | PHP5, MVC, Smarty, schlank |
Hersteller-Support | ja | nein | ja |
Community-Reichweite | international | DE,AT,CH | DE,AT,CH |
Mehrsprachigkeit | ja | ja | ja |
SOAP-Schnittstelle | ja | ja | nein |
SEO-Funktionen integriert | ja | nein | ja |
Multishop-fähig | ja | nein | nein |
Wir arbeiten seit mehreren Jahren mit xt:commerce, so dass ich hier noch ein paar Anmerkungen zu diesem Shopsystem geben möchte.
Der Shop nutzt das Smarty-Templatesystem und ist mit einem Tabellen-Layout aufgebaut. Möchte man auf einen suchmaschinenfreundlichen Aufbau wechseln, ist dieses nicht einfach nur über das Template-System möglich, man muß schon an einigen Stellen in die PHP-Files eingreifen.
Einige Funktionen schauen zwar auf den ersten Blick gut aus, will man sie aber zum Einsatz bringen, stellt man fest, dass sie nicht fertig entwickelt wurden, wie zB das Gutscheinsystem.
Da es keinen Weiterentwicklung mehr gibt und somit auch keine Updates mit Bugfixing, sind in der Zeit doch einige Sicherheitslücken aufgetaucht, nach denen man sich mühsam auf die Suche begeben muß.
Erwirbt man die Lizenz für 100€ um dann noch von dem versprochenen Support zu profitieren, wird man schnell enttäuscht! Wenn man nicht das Glück hat im Forum auf eine gleiche Frage bereits eine Antwort zu finden, ist man mehr oder weniger wieder auf sich alleine gestellt – was sehr oft der Fall ist.
Zuletzt sei noch gesagt, dass die neue kostenpflichtige Version nichts mehr mit der ursprünglichen Version zu tun hat, sondern eine komplette Neuentwicklung ist. Von dieser kann ich unserer Meinung nach nur abraten!
Auch wir werden jetzt mehr und mehr zu einem der beiden anderen Shop-Systeme wechseln.
Stimme „INblau“ in allen Punkten voll zu.
Leider gab es vor ein paar Jahren keine richtige Alternative.
Das Thema Praxistipps zu Skalierbarkeit und Performance von Magento wurde gerade in einem ausführlichen Beitrag im Magento Blog behandelt:
magentocommerce.com/blog
xt:Commerce ist doch abzocke mit dem support-knebelvertrag :(
und was ist mit osCommerce 3 … codename *Vanillekipferl* ?
Interessant ist IHMO nur die letzte Tabelle! ;-)
Also ich hab MAgento getestet und habe es nun implementiert. Ich muss sagen, dass ich es bisher auch nicht bereut habe. Der Umfang der Standardausführung ist hier für unsere Zwecke vollkommen ausreichend!
er sich genauer über Magento informieren möchte kanne s heir tun: magentocommerce.com/blog ist der offizielle Blog!
Schöner Artikel, aber warum gibt es keine Druckfunktion?