Micropayment: Kleingeld sinnvoll abrechnen
Das Problem: die Transaktionskosten
Die Abrechnung von Micropaymentartikeln (Produktpreise zwischen 0,01 Euro und 5,00 Euro) verursacht im Onlinehandel Schwierigkeiten: Während es den Händler von nebenan nicht stört, wenn Schüler für zehn Cent Süßigkeiten kaufen, machen Onlineshop-Betreiber bei solch geringen Beträgen schnell Verluste. Da die Transaktionskosten technisch betrachtet vom Warenwert des Artikels unabhängig sind, übersteigen Verfahren wie Kreditkarte oder Lastschrift den eigentlichen Produktwert. Auch auf Kundenseite gibt es Probleme: Endnutzer ringen damit, ob der Kauf eines Niedrigpreis-Produkts den Aufwand der Bezahltätigkeit überhaupt lohnt. Außerdem wollen Käufer, wo es um virtuelle Güter geht, sofort auf ihr Gut zugreifen und nicht einen umständlichen Überweisungsvorgang abwarten. Deshalb sind im Micropaymentbereich Bezahlsysteme gefragt, die für Endnutzer unkompliziert und schnell in der Durchführung sind. Die üblichen Payment Service Provider (PSP) bieten hier meist keine spezialisierten Möglichkeiten an, beziehungsweise treffen individuelle Lösungen, die von vielen Faktoren wie Gesamtumsatz, Risikobewertung des Angebots und Kundenzielgruppe abhängen. Glücklicherweise hat der Markt aber bereits verschiedene kreative Bezahlsysteme hervorgebracht, die sowohl die Bedürfnisse von Publishern als auch von Endkunden berücksichtigen.
Vereinfachtes PostPaid-Verfahren
Sogenannte PostPaid-Verfahren, allen voran PayPal, erfreuen sich großer Beliebtheit und eignen sich auch für den Bereich Micropayment – theoretisch. In der Praxis sind sie oftmals mit Grundgebühren verbunden, die Transaktionen im Kleingeldbereich unwirtschaftlich machen.
PayPal
Beispiel PayPal: Bis vor Kurzem behielt der Bezahlriese von den Onlineshops und Publishern pro Transaktion pauschal 35 Cent plus 1,9 Prozent des Produktpreises ein (bei der wählbaren Option „PayPal Labs“ lagen die Gebühren bei 0,10 Euro plus zehn Prozent des Produktpreises). Um noch mehr in den Micropaymentbereich einzusteigen, änderte PayPal vor einiger Zeit seine Konditionen und bietet nun das Modell 0,04 Euro Festprovision + 0,04 Euro variable Provision an. Dies ist für Anbieter von Micropayment-Produkten eine lohnenswerte Änderung: Für den Verkauf eines Ein-Euro-Produkts zahlen sie nun rund 9 Cent statt zuvor 37 Cent. Wo es um noch geringere Beträge geht, zum Beispiel beim Verkauf von Online-Artikeln, sind aber noch günstigere Konditionen möglich.
picoPay
Der One-Click-Bezahlanbieter picoPay wendet sich mit seiner Dienstleistung an Verlage, die ihren Kunden Abonnement-Produkte anbieten. Die Preisstruktur ist transparent und einfach: Bei Beträgen bis 20 Euro geben die Verlage zehn Prozent der Transaktionssumme an den Bezahldienst ab; eine Grundgebühr wie bei PayPal existiert nicht. Bei Ein-Euro-Produkten liegen die Transktionskosten also ungefähr im selben Bereich wie bei PayPal. Bei 50-Cent-Artikeln (oder darunter) hingegen verfahren Anbieter günstiger, wenn sie ihre Produkte über den kleinen Mitbewerber picoPay abwickeln. In diesem Preissegment macht sich die fehlende Grundgebühr bezahlt. Außerdem bietet der Bezahldienst einen weiteren Service an und nimmt Verlagen den Verwaltungsdienst für ihren Abonnement-Service ab. Hinzu kommt, dass die Registrierung für Endnutzer einfacher ist als bei PayPal. Bei der Erstregistrierung reicht die E-Mail-Adresse aus, Nutzer bekommen sogar ein Startguthaben geschenkt. Erst wenn dieses aufgebraucht ist und aufgeladen werden muss, ist eine volle Registrierung erforderlich.
Bezahlen per Telefon / SMS
Ein schon eher älteres Bezahlverfahren, das sich sehr gut für den Micropaymentbereich eignet, ist das Bezahlen per Telefonanruf oder SMS. Die Vorteile: Der Vorgang ist unkompliziert und anonym, da Endkunden nur ihre Handynummer angeben müssen.
Infin-Payment
Über den Anbieter Infin-Payment können Kunden per Handy Artikel zwischen 50 Cent und 100 Euro bezahlen. Um zum Beispiel einen Klingelton oder Text herunterzuladen, genügt ein Anruf bei der angegebenen 0900-Nummer. Das Telefonat kostet dann so viel wie der Betrag des gekauften Artikels, der auf der kommenden Telefonrechnung erscheint. Dasselbe ist auch per SMS möglich.
HandyPay, Call2Pay
Ebenso funktioniert HandyPay, ein Produkt der Micropayment GmbH. Händler können so Transaktionen zwischen 0,49 Euro und 9,99 Euro abrechnen. Der Kunde bekommt per SMS einen Bezahlcode auf sein Handy geschickt. Gibt er diesen im Bezahlfenster ein, erhält er die digitalen Inhalte und bezahlt im Zuge der kommenden Telefonrechnung.
Mit Call2Pay, ebenfalls ein Produkt der Micropayment GmbH, ist sogar die Abrechnung von Beträgen ab 0,25 Cent möglich. Das Prinzip wurde extra für Inhalte wie E-Books, Musikdownloads, Premiumgüter und Online-Games entwickelt.
Netpurse
Es geht sogar noch kleiner: Der Schweizer Handypayment-Anbieter Netpurse bewegt sich mit seinem Bezahldienst im Nanopaymentbereich. Publisher können Güter von einem Cent und weniger abrechnen! Das Startup verzichtet auf eine feste Provision und behält lediglich eine anteilige Provision von 15 Prozent des Produktpreises ein. Ab einem Warenwert von 3,50 Euro steigen die Kosten nicht weiter an – die Maximalprovision liegt also bei 53 Cent. Mit seinem Angebot zielt NetPurse auf den Verkauf von Zeitungsartikeln, Videos, Bildern und digitalen Gütern ab. Endkunden erhalten ein Startguthaben von 50 Cent und bekommen den ersten Artikel geschenkt. Einer der ersten Kunden, der mit NetPurse die Abrechnung von Onlineartikeln abwickelt, ist die Märkische Allgemeine Zeitung.
Alternative Währungen
Viele Kleinstgeldprodukte orientieren sich an den Bedürfnissen von Minderjährigen: so zum Beispiel virtuelle Güter in Online-Games, Musikdownloads und Klingeltöne. Diese Zielgruppe hat – abgesehen von der verminderten Geschäftsfähigkeit – oft noch kein eigenes Konto oder ist nicht „flüssig“. Ein Umstand, der verschiedene Bezahlsysteme mit alternativen Währungen hervorgebracht hat, bei denen nicht unbedingt Geld mit ins Spiel kommt.
Freecent
Der deutsche Anbieter Freecent beispielsweise kooperiert mit verschiedenen Werbepartnern, die Endkunden das virtuelle Gut sponsern, sofern eine Gegenleistung erfolgt. Konkret bedeutet das: Nutzer können sich entscheiden, ob sie das gewünschte Produkt mit Geld oder mit ihrer Aufmerksamkeit für ein Werbeprodukt bezahlen. Bei zweiterem sehen sie sich einen Werbespot aufmerksam an und beantworten Fragen dazu. Werden die Fragen falsch beantwortet, läuft der Spot erneut. Hat der Kunde gut aufgepasst, erhält er Zugang zum Produkt. Für diese vielfach erhöhte Werbeaufmerksamkeit bezahlen die Advertiser den Kleinstgeldbetrag gerne. Nicht nur für Onlinespiele, auch für den Verkauf von Texten und Artikeln eignet sich Freecent: So arbeiten beispielsweise das Branchenfachmagazin w&v, der Donaukurier und der Finanztreff mit Freecent zusammen, um ihre E-Paper „kostenlos“, also ohne Geldfluss, anzubieten.
SponsorPay
Der Bezahldienst SponsorPay wird vor allem von großen Spieleschmieden wie Bigpoint, Gameforge und Frogster für den Verkauf von virtuellen Gütern genutzt. Aber auch sämtliche anderen Online-Entertainment-Services, wie beispielsweise Beispiel Musik, Datings oder News, können auf diese Weise abgerechnet werden. So ermöglicht zum Beispiel der Anbieter Embee Mobile seinen Usern, über SponsorPay „kostenlos“ an Freiminuten für Handy-Prepaidkarten zu kommen. Wie bei Freecent erbringt die meist junge Zielgruppe eine Gegenleistung, um von einem der Kooperationspartner gesponsert zu werden. Nutzer füllen zum Beispiel Fragebögen aus, kaufen ein günstiges Produkt, registrieren sich auf einer Plattform oder ähnliches. Das Problem ist natürlich der Zeitaufwand, der mit der Gegenleistung verbunden ist – ein Grund, warum eher jüngere Menschen diese Bezahlmethode wählen. Werbetreibenden bietet das Konzept eine gute Möglichkeit, um neue Kunden innerhalb der eigenen Zielgruppe anzusprechen. Die erfolgsbasierten Provisionspreise handelt SponsorPay direkt mit den Unternehmen aus. Die Preise richten sich dabei nach dem Transaktionsvolumen, der Art der Einbindung und der Laufzeit.
Kauf auf Versprechen
Eine weitere Bezahlmethode im Micropaymentbereich klingt wie aus längst vergangenen Zeiten: Der „Kauf auf Versprechen“. Tatsächlich funktioniert das Prinzip so, dass Nutzer das gewünschte Gut sofort erhalten, wenn sie versprechen, es in den kommenden Tagen zu bezahlen.
kwedit, In7Tagen
Mit dieser Bezahlmethode richtet sich das US-amerikanische Startup kwedit sowie seine deutsche Entsprechung In7Tagen gezielt an Minderjährige, die einen großen Teil der Onlinespiele-Nutzerschaft ausmachen.
Da es für Spielepublisher wenig erfolgversprechend ist, für Browserspiele an sich Geld zu verlangen, setzen sie lieber auf den Verkauf von Premiuminhalten und virtuellen Gütern, welche die Spielattraktivität erhöhen. Dementsprechend hängt alles am sofortigen Kaufimpuls des Spielers. Nutzer geben diesem Impuls nur nach, wenn ihnen der Kauf so einfach wie möglich gemacht wird, sprich: wenn sie das gewünschte Gut sofort erhalten und sich erst später um die Bezahlung kümmern müssen. Die Bezahlmethoden sind dabei an die junge Zielgruppe angepasst: Online-Gamer können das Geld überweisen, per Kreditkarte bezahlen, als Einwurfschreiben verschicken oder sich per automatisiertem Schreiben nach Sponsoren im persönlichen Umfeld umschauen. Zusätzlich kooperiert In7Tagen mit dem alternativen Bezahlanbieter SponsorPay.
Während manche diese psychologische Taktik des Kaufimpulses als unmoralisch empfinden, vermarkten beide Anbieter ihren Dienst als eine gute Möglichkeit, junge Menschen an den Umgang mit Geld heranzuführen. Denn wer sein Versprechen bricht, hat keine rechtlichen Maßnahmen zu befürchten, sondern darf den Dienst im schlimmsten Fall kein zweites oder drittes Mal in Anspruch nehmen. Für die Spielefirmen sind die Bezahlausfälle hoch: Nur 25 bis 30 Prozent der In7Tagen-Nutzer halten ihr erstes Bezahlversprechen ein (von den Kunden, die beim ersten Mal bezahlt haben, halten immerhin 70 Prozent ihr Zweitversprechen). Trotzdem lohnt sich die Einbindung dieser Bezahlsysteme, da laut In7Tagen trotzdem eine Umsatzsteigerung von mindestens fünf Prozent erzielt wird. In Deutschland nutzen zum Beispiel Platogo und Soccer Match das Bezahlangebot von In7Tagen.
Social Micropayment
Eine gute Möglichkeit, um Blogs oder Expertenseiten zu monetarisieren, sind die Social-Micropayment-Systeme Kachingle und Flattr.
Kachingle
Beim amerikanischen Dienst Kachingle zahlen Nutzer monatlich fünf Dollar auf ein Konto ein. Der Betrag wird anschließend auf die Seiten und Blogs ausgeschüttet, die man am häufigsten besucht hat. Publisher, die Kachingle bei sich einbauen, bezahlen 15 Prozent Provision an den Bezahldienst – davon gehen zum Beispiel Gebühren an PayPal ab.
Flattr
Der schwedische Anbieter Flattr ist in Deutschland noch populärer. Hier vergeben Nutzer ihre Punkte („flattern“) an einzelne Artikel und nicht an gesamte Websites. Ein wachsendes Problem ist, dass immer mehr Verlage und Seitenbetreiber mit einsteigen, sodass sich das Geld der Nutzer auf immer mehr Seiten verteilt und für die Einzelnen weniger übrig bleibt. Dafür wächst auch die Schar der zahlenden Nutzer. Prominente Kunden sind die Tageszeitung (taz) und WikiLeaks. Verlage oder Blogbetreiber treten zehn Prozent ihrer Einnahmen plus die Transaktionskosten des jeweiligen Bezahldienstes (PayPal, Moneybookers) an flattr ab.
Fazit
Wer niedrigpreisige Produkte übers Internet verkauft, ist nicht unbedingt auf die üblichen Bezahlsystem-Kandidaten angewiesen. Verschiedene Anbieter haben sich speziell auf den Bereich Micropayment ausgerichtet und sorgen vor allem mit einer fehlenden oder geringen Grundgebühr sowie alternativen Bezahlleistungen für wirtschaftlich sinnvolle Transaktionen. Nun liegt es auch an den gängigen PSPs, die speziell auf Micropayment ausgerichteten Bezahlmethoden in ihr Portfolio aufzunehmen.
mich interessiert das thema micropayment aktuell wieder brennend.
habe mich vor einigen monaten schon mal damit auseinander gesetzt. was mich zu dem zeitpunkt geärtert hat war, dass das günstige micropayment via paypal nur in den USA getätigt werden konnte.
der tarif für die transaktion von 1$ / 1 EUR lag da bei 0,09 $, wogegen wir irgendwas zwischen 0,20 und 0,40 EUR abdrücken durften.
mein interesse an micropayment lag danach erstmal auf eis.
grade gestern abend habe ich allerdings versucht, wieder aktuelle infos dazu zu finden.
eurem artikel nach scheint paypal die niedrigend gebühren ja jetzt auch bei uns einzuführen.
könnt ihr dazu weiterführende links anbieten?
Mich interessiert dieses Thema auch sehr stark. Leider gibt es in Deutschland keinen wirklich passenden Anbieter für Micropayment. Entweder der Anbieter berechnet noch zu viel Gebühren oder er wirkt nicht seriös.
Mich würde es freuen, wenn wir anlässlich dieses Posts die Liste der schon genannten Unternehmen noch erweitern könnten. Ich denke Micropayment ist generell ein sehr interessantes Thema…
Vielleicht könnte die Redakteurin dieses Artikels noch etwas dazu sagen?
yoko: Ich muss dich leider enttäuschen. Mir ist nichts bekannt, dass die günstigen Konditionen auch in Deutschland eingeführt werden. Ich bezog mich oben auf Paypal allgemein – die Euroangaben sind einfach Umrechnungen. Aber das hätte ich wohl mit einem weiteren Satz erwähnen können :)
@Yvonne Ortmann
ok, vielen dank für die info!
weiß denn vielleicht jemand, ob es möglich ist, sich mit dem standort „deutschland“ einen account für die amerikanische PayPal variante anzumelden?
da mein projekt sowieso international angesiedelt ist, hatte ich sowieso überlegt alle zahlungen in US-$ zu tätigen.
Interessanter Artikel, aber fixt mal die Links.
Beispiel:
http://www.infin.de ist fälschlich verlinkt mit:
https://t3n.de/magazin/micropayment-kleingeld-sinnvoll-abrechnen-227523/www.infin.de
In der Liste der Micropayment-Anbieter fehlt meiner Meinung nach minipay. Die bieten SEPA-Lastschrifteinzüge an.
Habe die letztens bei der mitfahrzentrale.de gesehen und darüber bezahlt. Fand ich super einfach, gerade für Laufkundschaft, da ich keinen Bock hatte, mich bei denen zu registrieren.
Da das so einfach war, habe ich das auch jetzt mal bei mir eingebunden…