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Digitale Gesellschaft
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Netzaktivismus: „Warum hackt ein Hacker? – Weil er es kann.“

Über das Verhältnis von politisch aktiven Technikern und Technik nutzenden Aktivisten gibt es nicht viele Ausarbeitungen. Andreas Gebhard versucht in diesem Kommentar das Thema abzustecken und wagt einen Ausblick in die Zukunft.

5 Min. Lesezeit
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Netzaktivismus und öffentliche Einflussnahme auf das Internet finden sich regelmäßig in den Mainstream-Medien wieder. Experten streiten darin über die direkten oder indirekten Effekte der Digitalisierung auf das politische Leben. Die „Guttenberg-Generation“ mit dem Bundesverteidigungsminister als Gallionsfigur jubelt: „Twitterrevolution abgesagt, das Netz hat kaum Einfluss auf politische Prozesse“. Aber stimmt das? WikiLeaks beispielsweise ist derzeit eines der größten Themen in der
internationalen Politik. Selten zuvor haben einige wenige Personen aus
dem Hackeruniversum so stark die Medien bestimmt. Nur: Gibt es „den“ Hacker überhaupt?

Kampf um Freiheiten

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„Warum hackt ein Hacker? – Weil er es kann.“ Mit diesem Kalauer sieht sich jeder früher oder später konfrontiert, der sich näher mit der „Macht der Hacker“ auseinandersetzt. So salopp und einfach das klingen mag, gibt es mehr Aufschluss über die Kultur, die Beweggründe für digitalen Aktivismus oder das Web, als es zunächst den Anschein hat.

Kern jeder netzpolitischen Auseinandersetzung der letzten Jahre und Jahrzehnte ist der Kampf um Freiheiten: Freiheit des Ausdrucks, Freiheit der Anwendung von Können sowie die Kultur des freien Umgangs mit Wissen und Inhalten. Diese Diskussionen haben ihren Ursprung in dem menschlichen Grundbedürfnis, jederzeit die Kontrolle über die Maschinen zu bewahren und sind tief in der Hacker-Ethik verankert. Sie sind somit ähnlich konstitutiv für diese Szene wie die Ökologie für die Grünen.

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Politische Prozesse und Entscheidungen beeinflussen von jeher die gesellschaftliche Agenda und somit auch die der technologischen Eliten. Aber auch das Private, also die persönliche Einmischung, ist schon immer politisch.

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Open Source ist längst Mainstream

Durch die explosionsartige Verbreitung von günstiger technischer Ausstattung ist ein Punkt erreicht, der eine gesamte Generation in die Lage versetzen könnte, direkten Einfluss auf technische Innovationen zu nehmen. Doch hat sich die Lage in den letzten Jahren dramatisch geändert. Die permanente Open-Source-Revolution ist längst Bestandteil des Mainstream-Innovationsprozesses. Sie hat zwar selbst diese wirtschaftliche Aneignung umwerfend gut überlebt, doch sehen sich die Protagonisten einem Gegner gegenüber, der mit den eigenen Mitteln zu kämpfen weiß.

Ganz gut lässt sich die Demarkationslinie vielleicht zwischen „finanzschwachen Nerds mit guten Ideen“ und „finanzstarken Nerds, die sich alles herausnehmen können“ ziehen. Die Erstgenannten kämpfen mit den unterschiedlichsten Mitteln gegen Zensur, für Netzneutralität oder an der Seite des Time-Magazine-Coverboy Julian Assange für WikiLeaks. Die anderen, die die Seite gewechselt haben, arbeiten für die großen Medienhäuser und Unternehmen der IT-Brachen und haben ihr Wissen und ihre Macht somit „der anderen Seite“ zur Verfügung gestellt. Ein gutes aktuelles Beispiel ist hier die Gegenüberstellung der Macher von WikiLeaks und Facebook.

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Open-Source-Bewegung, die dritte

Die Geschichte der Open-Source-Bewegung lässt sich wiederum ganz grob in drei Generationen einteilen. Die erste, mit Freier Software und Vorgängermodellen aufgewachsene Generation, die die grundlegende Aneignung der technischen Ressourcen vorantrieb (in etwa bis zur Einführung von Linux). Eine zweite Generation, die mit Begriffen wie Open Source arbeitend dem kommerziellen Erfolg offener Ansätze zum Durchbruch verholfen hat (in etwa bis zur Einführung von Android). Sowie einer dritten, irgendwann rund um 1990 geborenen Generation von technik-affinen Menschen, die in den letzten Jahren die Welt der Cloud und des „Echtzeitnetzes“ übernommen hat.

Somit kommen drei Entwicklungen zusammen, die bei der Betrachtung des aktuellen Netzaktivismus berücksichtigt werden müssen: die allgegenwärtige Verfügbarkeit von Technik und Internetzugang, die Spaltung der Szene in „gut & böse“ und der aufkommende Generationenkonflikt in der Szene.

Die klassische Aufteilung in Hacker und Nicht-Hacker funktioniert nicht mehr, wenn die klassische Technikwelt allen durch Angebote zur Verfügung steht. Das gilt natürlich in erster Linie für den freien Austausch von Information, aber auch in Ansätzen schon heute für politische Intervention à la „Operation Payback“, bei der Hacker all jene Unternehmen ins Visier nahmen, die WikiLeaks die Unterstützung entzogen hatten.

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Die „Neo-Nerd-Gesellschaft“

Doch ist die Kluft zwischen den politisch Handelnden und der „Neo-Nerd-Gesellschaft“ noch sehr groß. Dass das Problem einer potenziell mächtigen Generation in der Findungsphase durch die aktuelle Politikerriege erkannt ist, zeigen die unzähligen runden Tische und Enquete-Kommissionen, in denen die „Netz-Community“ in politische Prozesse eingebunden werden soll – Ausgang unbekannt. Man kann aber davon ausgehen, dass weder der Kampf gegen Zensur noch für Netzneutralität und Meinungsfreiheit in diesen Runden gewonnen wird.

In Deutschland hat die Debatte unfreiwillig komische Züge. Ironischerweise haben wir es hier mit einer zweifachen Generation Gut(t)enberg zu tun. Auf der einen Seite die smarten Pragmatiker wie Philipp Rösler oder Karl-Theodor zu Guttenberg, die mit viel Verve die Politiklandschaft aufrollen. Auf der anderen Seite die Verleger als Nachfahren des Druckerpresse-Erfinders Johannes Gutenberg. Beide haben einen konservativen Mainstream geformt mit ihrem Geld, den Beziehungen und Denkschablonen – natürlich auf ihre individuelle Weise. Doch stehen sie beide den Freiheiten und der Macht des „Machen könnens“ diametral entgegen.

Manche haben in den letzten Jahren versucht, die politische Landkarte durch die Unterstützung der Piratenpartei zu verändern. Möglich, dass das Aufkommen dieses Phänomens zu einem ersten Aufhorchen im etablierten Politikbetrieb geführt hat. Kritisch betrachtet könnte man diese Entwicklung aber auch als letztes Aufbäumen einer Hackerkultur interpretieren, die in ihrer Homogenität schon nicht mehr den gesellschaftlichen Realitäten entsprach.

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Die klassische erste und zweite Open-Source-Generation muss begreifen, dass die millionenfache Nutzung von offenen Technologien dazu geführt hat, dass die Netzwelt weniger monopolistisch ist als vielfach befürchtet. Der Dreiklang „Erkennen, Vernetzen, Handeln“ sollte um einen Wissens- und Wertschätzungskanon gegenüber anderen digitalen Biographien ergänzt werden. Nur so immunisiert man sich gegenüber aktuellen Herausforderungen und steht nicht auf einmal auf einer Seite mit Häuserverpixlern und Facebookbashern, sondern kann sowohl intellektuelle als auch technologische Alternativen bieten.

Für eine neue Kollaborationskultur

Wenn es also in der Zukunft gelingen könnte, Akteure unterschiedlicher digitaler Lebensaspekte unter einem Dach zu vereinen und das über Generationen hinweg, entstünde eine neue Form der Emanzipation des Einzelnen, die weit über vergangene Vereins-, Gruppen- oder Parteistrukturen hinaus gesellschaftliche Relevanz und Strahlkraft erzielen könnte.

Die Auseinandersetzung über die Kontrolle des Netzes und der technischen Infrastrukturen hat erst begonnen und die Chancen stehen gut, mit einer bedingungslosen Kultur der Offenheit auch in 20 Jahren noch sagen zu können: Offen ist gut, frei ist besser.

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Bildnachweis: (Foto: altemark / flickr.com, Lizenz: CC-BY)

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