Die beliebtesten Social Reader im Vergleich
Das Web ist eine riesige Sammlung von Inhalten. Die für sich interessantesten Inhalte herauszufiltern gerät zu einer wahren Herausforderung. Unzählige News-Websites buhlen um die Gunst der Leser im Netz, hinzu kommt ein schier unbegrenztes Angebot an Special-Interest-Content. Als sei dies nicht genug, bringt es die Natur des Internets mit sich, dass Nutzer nicht nur auf nationale Inhalte zugreifen können, sondern auch auf internationale. Wie lässt sich angesichts dieser Informationsflut die Übersicht bewahren und Wichtiges von Unwichtigem trennen? Wäre es da nicht schön, eine personalisierte Anwendung zu haben, die den Nachrichtenstrom vorfiltert und grafisch ansprechend aufbereitet? Ein persönliches Web-Magazin? Die Vision der personalisierten Zeitung ist schon älter, trifft aber im Grunde genau den Kern dessen, was Social-Reader-Apps versuchen: aus der großen Menge an Inhalten eine Art digitalen Hub zu machen, der alle für den Nutzer wichtigen Inhalte bündelt und grafisch ansprechend aufbereitet.
Flipboard: Die Vorzeige-App
Die zunehmende Verbreitung von Tablets dürfte die Nachfrage nach einem angenehmen Leserelebnis noch weiter steigern. Tablets wie das iPad bieten sich aufgrund intuitiver Touchsteuerung und Bildschirmgröße geradezu dafür an, personalisierte Inhalte in Magazinform darzustellen. Genau deshalb ist wohl auch die vielversprechendste Lösung im Sommer 2010 zuerst auf dem iPad erschienen. Die Rede ist von Flipboard. Mittlerweile ist die Applikation auch für das iPhone und für Android verfügbar. Flipboard[1] ermöglicht die Einbindung von Social-Media-Accounts wie Facebook, Twitter und Google+ sowie RSS-Feeds. Audio- und Videoinhalte von Soundcloud und YouTube sind kürzlich dazugekommen. Zudem liefert das Flipboard-Team redaktionell aufbereitete Themenbereiche wie Technologie, Sport oder Entertainment, die sich ebenfalls abonnieren lassen. Nutzer können die Inhalte bei Flipboard leicht in den eingebundenen Social-Media-Kanälen teilen und mit eigenen Kommentaren versehen. In den USA kooperieren zahlreiche Verlage, Nachrichten-Sites und Online-Magazine mit Flipboard und stellen ein eigenes Angebot bereit. Artikel dieser Kooperationspartner stellt Flipboard in einem besonders ansprechenden Magazin-Layout dar, mitunter unterbrochen von einseitgen Anzeigen.
Besonders interessant bei Flipboard sind die so genannten Titelgeschichten. Prominent auf der Startseite der Applikation platziert, präsentieren sie dem Nutzer eine Auswahl von interessanten, auf ihn zugeschnittenen Inhalten. Diese bestehen aus Texten, Tweets und Artikel, die aktuell bei Freunden aus den Social-Media-Kanälen populär sind, im Flipboard-Netzwerk viel gelesen werden und die für den Nutzer besonders relevant sein sollen. Die Auswahl dieser Titelgeschichten basieren auf der Semantik-Technologie des Startups Ellerdale, das Flipboard gekauft hat. Diese Technologie greift dabei nicht nur auf populäre Inhalte zu, sondern folgt eben auch der Relevanz-Logik. Ein Beispiel: Wenn der User oft mit einer bestimmten Person auf Facebook interagiert, dann ist es wahrscheinlich, dass dieser Nutzer alle Status-Updates und Fotos dieser Person auch immer lesen möchte. Für ihn persönlich ist alles, was diese Person schreibt, interessant, für die große Mehrheit der Flipboard-Nutzer allerdings nicht. Hier tritt also eine Technologie an die Stelle des Menschen, um relevante Inhalte auszuwählen. Und so sind die Titelgeschichten bei Flipboard eine Sammlung sehr persönlicher Inhalte wie Tweets, Facebook-Posts und Fotos von guten Freunden und Online-Kontakten sowie aktuellen Nachrichten und Artikel von abonnierten Inhalten. Das ist ein interessanter Ansatz und vereint das Lesen von Nachrichten und persönlicher Social-Media-Kanäle.
Zite: lernendes System
Zite [2], im vergangenen Jahr von CNN gekauft, verfolgt einen ähnlichen Ansatz wie Flipboard bei den Titelgeschichten. Auch diese Social-Reader-App für iOS und Android setzt auf einen intelligenten Filter, das dem Nutzer für ihn relevante Inhalte zusammenstellt. Zite-User können verschiedene Themenbereiche auswählen sowie Social-Media-Accounts einbinden. Das Filtersystem versucht auf Basis dieser Informationen relevante Inhalte zusammenzustellen. Dabei setzt Zite auf ein lernendes System: Anwender können einzelne Inhalte „liken“ oder „disliken“. Das führt laut den Zite-Machern dazu, dass die Applikation lernt und langfristig ein auf den einzelnen Nutzer immer besser zugeschnittenes Inhalte-Angebot präsentiert. Das semantische System ist allerdings nur für die englische Sprache ausgelegt. Ob die App in Zukunft auch mit anderen Sprachen funktioniert, ist nicht bekannt. Das Layout von Zite wirkt sehr aufgeräumt, minimalistisch geradezu. Auf dem Startbildschirm sind ausgewählte Themenbereiche sowie Top-Storys zu finden. Die Interaktion mit dem System in Form positiver und negativer Bewertung versteckt sich hinter dem Options-Button, sodass hier keine störenden UI-Elemente die Nutzererfahrung stören. Einzelne Tweets oder Facebook-Posts von Freunden bekommt der Zite-Nutzer gar nicht erst zu Gesicht, die Social-Media-Integration soll vor allem den Zweck erfüllen, relevante Inhalte für die Leser zu bestimmen.
Auch Google mischt mit
Auch Google mischt neuerdings in dem Markt der Social-Reader-Apps mit – präsentiert aber ein eher mäßiges Angebot für iOS und Android. Bei Google Currents[3] können Nutzer ebenfalls für sie relevante News- und Social-Media-Kanäle einbinden und bekommen diese in einem Magazin-Layout präsentiert. Der Vorteil für Publisher: Sie können über eine spezielle Website ihren Kanal selbst zusammenstellen und entsprechend auch Inhalte ausschließen, wenn sie wollen – sicher ein Eingeständnis an die Verlage, die ja ohnehin nicht gerade positiv auf Google zu sprechen sind. Es sind bereits eine Vielzahl von Verlags- und Zeitungshäuser, vor allem aus dem angelsächsischen Raum, mit ihren Publikationen auf Google Currents vertreten. Große deutsche Verlagshäuser wie Spiegel oder Süddeutsche Zeitung sucht man allerdings bisher vergeblich. Zumindest lassen sich auch RSS-Feeds einbinden. Diese zeigen oftmals nur den ersten Absatz eines Artikels an, den Rest muss sich der Leser dann auf der Website anschauen.
Neben der Content-Einbindung bieten die Applikationen auch noch spezielle Trendkanäle zu einzelnen Themenbereichen an. Nutzer können so auf die wichtigsten Trend-News zugreifen. Insgesamt hinterlassen die Applikationen von Google Currents noch einen sehr unfertigen Eindruck, insbesondere die Bilddarstellung, die entscheidend für stimmiges Magazin-Layout ist, wirkt oftmals nicht optimal. Bilder werden sehr stark ausgeschnitten und sind unscharf. Letzteres ist zwar ein allgemeines Problem aller Social-Reader-Apps. Wenn allerdings die Bilder auch noch ungünstig zugeschnitten sind, sodass Nutzer kaum erkennen können, was darauf zu sehen ist, kommt ein Magazingefühl nur unschwer auf.
Flud: News-Community mit Follower-Prinzip
Die Applikation Flud [4] setzt den Schwerpunkt auf eine stark ausgearbeitete soziale Komponente. Ähnlich wie bei Twitter besteht die Möglichkeit, Nutzern zu folgen und somit deren bevorzugte Inhalte zu sehen. Flud-Anwender können Artikel in eine persönliche Leseliste zusammenfassen oder „liken“. Die gelikten Inhalte tauchen in den Kanälen der anderen Nutzer auf. Neben dieser starken sozialen Ausrichtung der Applikation ist es Flud-Usern möglich, verschiedene Content-Kanäle zu abonnieren. Sie können auf Geräten mit Touch-Steuerung per Wischbewegung durch einzelne Kanäle wie Websites umschalten. So lassen sich sehr schnell Inhalte einzelner Websites erfassen. Die Macher der App wollen ein eigenes Soziales Netzwerk für News schaffen. Zwar ist es möglich, innerhalb von Flud Inhalte auch auf Twitter oder Facebook zu teilen, allerdings erhoffen sich die Entwickler, dass Nutzer Inhalte primär innerhalb des Flud-Netzwerks teilen. Die Idee hinter Flud ist allemal interessant, funktioniert aber nur wirklich, wenn innerhalb der Applikation prominente Flud-User vorgeschlagen werden und der Nutzer sich ein eigenes Netzwerk innerhalb von Flud schafft. Und ob dieser neben dem Teilen von Inhalten auf Facebook und Twitter das Bedürfnis hat, Artikel zusätzlich auf Flud zu teilen, ist fraglich. Ohne den sozialen Aspekt ist Flud jedoch eine sehr „normale“ Social-Reader-App ohne besonderes Alleinstellungsmerkmal. Immerhin gibt es neben Apps für iOS, Windows Phone und Android auch eine Web-Applikation. Damit schließen die Flud-Macher die Büroarbeiter, die nicht unbedingt ihr Tablet oder Smartphone während der Arbeitszeit zur Hand nehmen, aus dem News-Geschehen nicht aus.
News.me: Kurationsdienst par excellence
In den Labs der New York Times entwickelt, verfolgt News.me[5] einen etwas anderen Ansatz als die bisher vorgestellten Applikationen. Bei dieser Social-Reader-App spielt Twitter eine wesentliche Rolle. Basierend auf den Twitter-Nutzern, denen man folgt, erstellt News.me eine Auswahl an Inhalten. Dabei sind diese Twitter-User mit Bildchen im oberen Bildschirmbereich integriert. Ein Klick auf diese Personen und die Applikation lädt die interessantesten Artikel aus der Twitter-Timeline dieses speziellen Twitter-Nutzers. Es lassen sich auch Twitterer aus der App löschen, sodass nicht die gesamte persönliche Timeline bei News.me auftaucht. Auf diese Weise kann der Anwender eine Auswahl interessanter Twitter-Persönlichkeiten in die Applikation einbinden – und auf sie als Kuratoren für interessante Storys und Artikel zurückgreifen. Hierbei nutzen die App-Entwickler einen sozialen Aspekt des Netzes aus, der in den anderen Social-Reader-Apps fehlt: Die soziale Nähe, die durch das Follower-Prinzip von Twitter entsteht. Mit einem Klick abonnieren Twitter-Nutzer die Tweets anderer Personen, die sie nicht unbedingt persönlich kennen. News.me macht sich diese simple Interaktionsmechanik von Twitter zunutze und erlaubt es seinen Nutzern, anderen Twitter-Nutzern beim Lesen „über die Schulter“ zu schauen. Ein weiterer Vorteil von News.me: Text-Fundstücke lassen sich für das spätere Lesen speichern – eine sehr praktische Option, die in vielen anderen Social-Reader-Apps seltsamerweise oftmals fehlt. Die App ist bisher nur für das iPad verfügbar.
Prismatic: Erst die Lösung, dann die Apps
Prismatic [6] ist ein relativ neuer Anbieter – mit einem hehren Ziel: „Wir wollen die Tageszeitung unserer Generation sein“, erklärt Prismatic-Mitgründer Bradford Cross. [7] Anstatt bei Release die wichtigsten mobilen Plattformen mit einer Applikation zu bedienen, konzentrieren sich die Macher zunächst auf eines der zentralen Elemente von Social-Reader-Apps: Auf die Auswahlmechanik der Inhalte. Prismatic steht bisher nur als Web-App zur Verfügung und bedient auch nur den englischsprachigen Raum. Das System hinter Prismatic analysiert die Inhalte und Links der eingebundenen Social-Media-Kanäle und versucht über einen semantischen Algorithmus für den Nutzer interessante Nachrichten und Artikel auszuwählen. Zudem lassen sich Themengebiete abonnieren. Ähnlich wie bei Zite können Anwender vorgeschlagene Artikel positiv oder negativ bewerten. Diese Bewertung fließt dann in die zukünftige Auswahl der Inhalte ein. Interessant auch: Bei jeder Nachricht zeigt das System an, wie viele andere News es zu diesem Thema gibt. Ein Klick auf diese „related Stories“ präsentiert dann diese News in einer Übersicht. Und wirklich ist die Content-Auswahl von Prismatic außerordentlich passend, wirkt inhaltlich konsistent. Aufgefallen ist bisher, dass die Entwickler die Aktualität verbessern müssten: Die neuesten Nachrichten sind meist ein paar Stunden alt.
Der digitale Hub des Lesens
Social-Reader-Apps versuchen mit unterschiedlichen Ansätzen, das Leseerlebnis im Netz zu verbessern. Dabei spielen Aspekte wie gutes Layout, Auswahlmechanik der Inhalte und die Einbindung von sozialen Komponenten eine entscheidende Rolle. Von allen Social-Reader-Apps dürfte Flipboard die meiste Beachtung genießen. Bereits seit über zwei Jahren auf dem Markt, haben die Macher die Applikation konsequent weiter entwickelt und präsentieren das beste und ansprechendste Layout. Wichtige Content-Partner wie die New York Times schärfen das Profil der App und machen sie auch für andere Verlags- und Zeitungshäuser attraktiv. Auch Zite überzeugt mit seinem minimalistischen User-Interface und ist eine willkommene Abwechslung zu Tools mit überladenen Screens. Neben dem ansprechenden Layout ist die Auswahlmechanik der Inhalte das wichtigste Kriterium für Social-Reader-Apps, schließlich geht es vor allem auch darum, interessante Inhalte für den Nutzer herauszufiltern. RSS-Feeds in ein entsprechendes Tool einzubinden kann kaum der Maßstab sein. Insofern sind die Titelgeschichten bei Flipboard, das lernende System von Zite und Prismatic oder die Kurationsidee von News.me genau die Ansätze, die diese Apps im Besonderen auszeichnen– weil sie intelligente Lösungen für die Content-Auswahl vorsehen, ohne das der Nutzer zu oft manuell nachjustieren muss. Selbst Twitter hat die Wichtigkeit dieses Kuratierungsaspekts eingesehen und kürzlich den Dienst „Summify“ gekauft. [8] Es geht also nicht nur darum, Inhalte in einem schöneren Layout als Google Reader anzuzeigen – Social-Reader-Apps sollten für den Nutzer darüber hinaus ein individueller Filter für Inhalte im Web sein und als eine Art Hub fungieren, der als zentrale Anlaufstelle für jegliche Lesepraxis im Netz zum Einsatz kommt. Das Web als Magazin eben.
Hallo zusammen,
von Google Currents hatte ich mir ehrlich gesagt auch etwas mehr erhofft. Nicht nur als Leser, auch als Publisher. Als letzterer hat man schon einiges, was man einstellen kann, um den eigenen Kanal individuell zusammenzustellen. So kann man neben RSS-Feeds auch den eigenen Google Plus Stream einbinden. Wenn man den Kanal aber richtig schick machen will, gehts schon los. Da sollte man als unerfahrener einiges an Zeit mitbringen, damit man nach zahlreichen Tests dann endlich das Ergebnis hat, was einem zumindest etwas zufrieden stellt. Na mal schauen, ob Google irgendwann da mal was besseres zur Verfügung stellt.
Grüße
Steve
PS. Bei eurem Kanal bei Currents habt ihr euch viel Mühe gegeben. Möchte nicht wissen, wieviel Zeit darin steckt. Gefällt mir super.