Caseable.com: Onlineshop mit Tradition ins 19. Jahrhundert [Portrait]
Zugegeben: Ich war noch niemals in New York und im Gegensatz zu Udo Jürgens werde ich mit dieser Aussage keinen Hit landen. Klaus Wegener aber war schon in New York und inzwischen ist er es sogar sehr oft: Denn der von ihm mitgegründete Onlineshop caseable.com sitzt hier im Stadtteil Brooklyn.
Die Gründungslegende dieses Onlineshops will es, dass die Idee dazu auch hier in New York entstand. Und diese Story geht so: Klaus Wegener saß in der New Yorker U-Bahn. In der Reihe ihm gegenüber saßen viele, individuell aussehende New Yorker, praktisch jeder hatte sein Laptop in einer Tasche – aber die Taschen selbst waren nahezu identisch. „Das kann es doch nicht sein“, dachte sich Klaus Wegener. Er hatte im Hinterkopf, wie erfolgreich in Deutschland Startups rund um individualisierte Massenprodukte waren. Das müsste sich doch auf diesen Bereich übertragen lassen. Die Idee war geboren.
„Gründer sollten befreundet sein“
Natürlich gibt es zu einem so entscheidenden Moment wie diesem eine Vorgeschichte. Ein Ursprung liegt dabei im Jahr 2009, als Klaus Wegener noch bei einer Unternehmensberatung arbeitete und für eine Präsentation eine Laptoptasche mit dem Logo des Kunden herstellen lassen wollte. So etwas konnte man damals zwar in China bestellen. Die Sache hatte aber zwei Haken: Zum einen betrug die Mindestabnahme 500 Stück und die Lieferfrist lag bei zehn Wochen. Hier gab es offenbar eine Marktlücke.
Gemeinsam mit Marvin Amberg wurde zwischen Mitte und Ende 2009 aus den ersten Gedanken eine Geschäftsidee. Die beiden Gründer kennen sich vom Studium an der European Business School und haben sich damals eine WG geteilt. „Man sollte befreundet sein, um eine Firma zu gründen“, sagt Klaus Wegener. „Es fühlt sich besser an, als wenn man das mit ganz fremden Leuten macht.“
Behördendschungel auch in den USA
Im März 2010 haben sie schließlich caseable.com in den USA gegründet. Dieser erste Schritt war dabei nicht ganz so einfach, wie er sich jetzt liest, denn der Behörden- und Vorschriftendschungel steht dem in Deutschland nicht unbedingt nach. So brauchten sie eigentlich ein Visum, um in den USA arbeiten zu dürfen. Um das Visum bekommen zu können, müsste die Firma aber schon existieren. Letztendlich fanden sie einen Weg aus diesem Teufelskreis: Man darf ins Land kommen und sich nach „Opportunities“ für eine Firmengründung umsehen. War die Firma erst einmal da, konnte sie (nach einigem Hin und Her mit den Konsulaten) dann Visa vergeben und ihre Angestellten in die USA einreisen lassen.
Warum aber überhaupt New York? Zum einen hat das natürlich mit der kreativen Athmosphäre der Stadt zu tun. Dort könne man ein sehr gutes Team aus Produktdesignern, Webdesignern und so weiter zusammenstellen, wie der Gründer erklärt. Zum anderen konnte Klaus Wegener einen Onkel als „Business Angel“ für seine Gründungsidee begeistern. Der lebt nicht nur in New York, sondern ist zudem im Druckbereich tätig. Er konnte somit Kontakte vermitteln und stellte Räume für das erste Jahr.
Bis die ersten individuellen Schutzhüllen die Kunden erreichten, war es allerdings noch ein langer Weg. Schließlich waren viele Fragen im Produktionsprozess zu klären. Zudem gab es keinen Shop, von dem man hätte direkt abschauen können. „Manchmal wäre es schön gewesen, wir hätten als Copycat jemanden zum Nachahmen gehabt“, sagt Klaus Wegener halb im Scherz. Welche Materialien eignen sich? Wie musste der Druckprozess aussehen? Wie und wo würden die fertigen Taschen letztlich hergestellt? Wie organisiert man den Versand? Wie muss die Website aussehen? Und vor allem: Welche Hüllen will man den Kunden eigentlich anbieten? Diese und viele andere Fragen waren zu klären und es erstaunt nicht, dass manche davon nach dem Start auch wieder neu beantwortet wurden. „Wir hatten gleich zu Anfang zehn verschiedene Größen und zwei verschiedene Stile“, erklärt Klaus Wegener. Das ergab letztlich 150 verschiedene Teile, die alle entsprechend vorrätig sein mussten. Im Nachhinein sagt der Gründer deshalb: „Das hätten wir anders angehen können: weniger Modelle, weniger Größen.“
Berlin-Brooklyn-Connection
Wichtig war den caseable-Machern aber, dass ihr Angebot zu der anspruchsvollen Zielgruppe passt, die sie im Auge hatten. Deshalb arbeitet der Shop mit Designern und mit Fotoagenturen zusammen, um den Kunden ästhetische und ungewöhnliche Vorlagen bieten zu können. Deshalb setzen sie außerdem auf Recycling-Materialien. Und deshalb werden die Taschen nicht etwa in China genäht, sondern in New York.
Auch sonst setzt man bei caseable.com auf Individualität: Das Shopsystem beispielsweise ist selbst entwickelt. Und das Tool, damit die Kunden ihre Taschen anpassen können, ist zwar eingekauft, aber doch umfassend auf die Bedürfnisse des Shops zugeschnitten. „So etwas steht nicht als Software im Media Markt“, bringt es Klaus Wegener auf den Punkt. Hinzu kommen Herausforderungen wie drei verschiedene Währungen, die Zweisprachigkeit und der Standort auf zwei Kontinenten. Denn inzwischen hat der Shop ein weiteres Büro in Berlin. Von hier aus sollen vor allem Partnerschaften in Deutschland und Europa entstehen, um die Taschen beispielsweise auch über den stationären Handel anzubieten. Und die Bereiche Online-Marketing allgemein und Suchmaschinen-Optimierung speziell sitzen in Berlin, während IT und Design in New York zu finden sind.
Sowohl die USA als auch Europa zugleich bedienen zu wollen, ist dabei gar nicht so einfach, wie man zunächst denken könnte. Man ist sich zwar ähnlich, aber eben nur teilweise. So seien Verkaufsseiten in den USA deutlich offensiver als man das in Deutschland gewohnt sei. Nicht immer lasse sich da ein Kompromiss finden und man müsse die Seiten für die verschiedenen Regionen am Ende doch unterschiedlich gestalten, erklärt Klaus Wegener.
Auch bei den Vorlieben der Kunden gibt es spürbare Unterschiede diesseits und jenseits des „großen Teichs“. Die Hüllen fürs iPad kommen in den USA besonders gut an, in Europa liegen die Laptoptaschen eher vorn. Und bei der Gestaltung laden Amerikaner gern ein eigenes Foto hoch, um ihre Tasche zu individualisieren.
Mit diesen Daten als Erfahrung in der Hinterhand will caseable.com nun vermehrt auf Händler zugehen. Immerhin können die Gründer recht genau vorhersagen, was ankommen wird und was nicht. Auch wollen sie das Angebot um weitere Designer ergänzen und beim Onlineshop mehr Sprachen anbieten.
Brücke zwischen zwei Jahrhunderten
Wie es sich für ein Startup quasi gehört, stehen die Zeichen auf Wachstum. Für Klaus Wegener war dabei schon lange klar, dass er am liebsten etwas mit „echten“, anfassbaren Produkten machen wollte. Immerhin ist er damit aufgewachsen: Die familieneigene R&M Wegener GmbH & Co. KG ist Spezialist für Hüte und Mützen oder auch „Headwear“, wie man heute sagt. 1817 in Hamburg gegründet, ist das Unternehmen später an seinen heutigen Standort in Hessen umgezogen. Dort gibt es seit Kurzem für caseable.com ganz in der Nähe eine neue Produktionsstätte, um den europäischen Markt besser bedienen zu können. Und so schlägt caseable.com nicht nur die Brücke zwischen Berlin und Brooklyn, sondern auch zwischen dem 19. und 21. Jahrhundert.
Eckdaten von caseable.com | |
Shopsystem | selbstprogrammiert |
Payment-Anbieter | PayPal, Wirecard |
Hosting | Voxel |
SEO | inhouse |
Warenwirtschaft | selbstprogrammiert |
Logistik | FedEx, DHL und DPD |
Mitarbeiterzahl | 18 |
Kaffeemaschine | Nespresso |
Interessante Geschichte eines Startups, die mit einfachen Gedanken begann und dann trotzdem so eine gute Entwicklung nahm. Das zeigt uns allen mal wieder, wenn man an etwas glaubt und für seine Ziele hart arbeitet wird man sie auch erreichen.