Peter Thiel: Medienscheuer Star-Investor im Portrait
Peter Thiel wird vermutlich in die Geschichte eingehen – als der Mann mit dem untrüglichen Investment-Riecher. Vor allem zwei Beteiligungen haben ihm schon zu Lebzeiten ein Denkmal gesetzt: 1998 investierte er in PayPal, 2004 in Facebook. Zu einem Zeitpunkt, als die beiden Unternehmen gerade erst am Entstehen waren und noch niemand von ihnen gehört hatte. Heute ist der Facebook-Aktionär reich, sozial engagiert und überraschend medienscheu. Doch auch wenn er auf seinen Veranstaltungen selten mehr als wenige Sätze verliert: Inhaltlich ist er voll dabei. Vor allem die kommende Entrepreneurs-Generation liegt ihm am Herzen. Im Rahmen seiner Stiftung fördert er gezielt junge Gründer im Technologiebereich und züchtet damit eine neue Truppe von begeisterten Jungunternehmern heran. Dass er dafür kaum dem Teenie-Alter entwachsene Menschen vom Studieren abhält, sorgt mancherorts für Kopfschütteln – selbst im Land der unbegrenzten Möglichkeiten (in Deutschland verwundert es weniger). Es verwirrt eben, wenn ein Mensch von einem System profitiert hat und es in Frage stellt, nachdem er eine glänzende Karriere hingelegt hat.
Wie lernt man Unternehmertum?
Dabei redet Thiel seine Studienzeit an der Eliteuniversität Stanford nicht schlecht. Er habe dort viel gelernt, das Studieren aber auch nie wirklich hinterfragt [1]. Trotz seines eigenen Werdegangs ist er fest davon überzeugt, dass man an der Universität nicht lerne, wie man Unternehmer wird. Wer vorhat zu gründen, solle es besser gleich tun; die besten Ideen kämen von Leuten, die sich leidenschaftlich und zügig in ein Projekt stürzen. Außerdem seien Absolventen nach ihrem Studium noch jahrelang damit beschäftigt, Studienkredite abzubezahlen. „Das schränkt sie in ihrem Aktionsradius ein und hält sie davon ab, etwas möglicherweise Bahnbrechendes zu riskieren“, erklärt Thiel gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung [1]. Und so ruft der heute 44-Jährige dazu auf, der Karriere von Zuckerberg und Bill Gates nachzueifern; beide stehen dafür, dass man das College schmeißen und trotzdem – oder gerade deshalb – erfolgreicher Unternehmer werden kann. Kaum zu glauben, wie brav Thiels eigener Werdegang demgegenüber ist.
Von Hessen nach New York
Thiel kommt 1967 bei Frankfurt am Main zur Welt. Doch der gebürtige Hesse bekommt nicht viel von seinen deutschen Wurzeln mit: Nach einem Jahr wandert die Familie in die USA aus. Anfangs habe er noch etwas Deutsch gesprochen; dann allerdings hat sich die Familie einen Fernseher angeschafft und das Deutsch rückte in den Hintergrund. Heute spreche er Deutsch „auf dem Niveau eines Zwölfjährigen“ [2]. Thiel ist ein guter Schüler, ein begabter Student und ein exzellenter Schachspieler. Allerdings interessieren ihn weder BWL noch technologische Studiengänge: Der Deutsch-Amerikaner studiert Philosophie und Rechtswissenschaften. Anschließend arbeitet er für kurze Zeit als Anwalt, bis es ihn als Investmentbanker nach New York zieht.
Feine Nase: Anteile an PayPal und Facebook
Thiels Karriere als Investor beginnt mit einer im Nachhinein betrachtet schicksalshaften Begegnung: 1998 lernt er Max Levchin kennen, der gerade dabei ist, einen Bezahldienst namens PayPal ins Leben zu rufen.
Thiel ist begeistert, steckt 280.000 US-Dollar in das Unternehmen und fungiert als Mitgründer sowie Geschäftsführer. Als PayPal 2002 an Ebay verkauft wird, ist der risikobereite Jurist über Nacht reich. Das Geld steckt er in die Gründung seines Hedge-Fonds Clarium Capital und in die Wagniskapitalgesellschaft Founders Fund. Kurz darauf tätigt er ein weiteres, folgenschweres Investment: Thiel sichert sich mit 500.000 US-Dollar zehn Prozent an Facebook, das gerade das Licht der Welt erblickt. Spätestens seit dem Film „The Social Network“ weiß nun jeder um die Existenz von Peter Thiel, der zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort war und das Richtige tat. Wie Zuckerberg in dem Film dargestellt wird, gefällt ihm übrigens nicht; es entspreche nicht der Wahrheit, dass der Facebook-Gründer ein depressiv gestimmter Mensch sei, der über Leichen gehe: „Er kommt als dieser ständig wahnsinnig unglückliche Mensch rüber. Vielleicht steckt darin ein kleiner wahrer Kern, aber es ist völlig irreführend. Ich erlebe ihn oft als optimistisch und positiv.“ [1] Mittlerweile hat Thiel mindestens die Hälfte seiner Anteile verkauft und damit ein stattliches Vermögen verdient.
„König der Krise“?
So bejubelt wie Thiel und sein ausgeprägtes Näschen auch sind: Nicht alles läuft glatt im Leben des Investment-Talents und manche seiner Charakterzüge polarisieren. Nachdem Clarium Capital in den ersten Jahren in den Himmel gelobt wurde – die Süddeutsche schrieb vom „König der Krise“ und bestaunte die Fonds-Nettorendite von 90 Prozent – folgte 2010 der Absturz. Nach schweren Verlusten nahmen viele Anleger ihr Geld aus dem Topf, sodass das verwaltete Vermögen laut Handelsblatt von acht Milliarden Dollar auf 1,5 Milliarden Dollar zusammenschrumpfte [3]. Der „König der Krise“ musste sich die Frage gefallen lassen, ob er Trends im Silicon Valley besser einzuschätzen wisse als die amerikanische Wirtschaft [3]. Vielleicht hat diese Tatsache den Mythos um seine Person etwas zurechtgerückt; zerstört hat sie ihn nicht. Zumal seine treffsicheren Einschätzungen im Vorfeld zur Wirtschaftskrise viele beeindruckt haben – natürlich erst im Nachhinein.
Umstrittener Libertarist
Ein interessantes Mosaik ergibt sich aus Thiels politischen und sozialen Ansichten. Auf diese stößt man am ehesten, wenn man sich all die Organisationen und Stiftungen anschaut, die er unterstützt und fördert. Da wäre zum einen seine libertaristische Seite, die auch bei der Gründung von PayPal eine Rolle spielte: Thiel setzt sich dafür ein, dass sich der Staat aus Privat- und Wirtschaftsangelegenheiten raushält. Dementsprechend steht der Aktionär den Republikanern näher als den Demokraten und unterstützte etwa Ron Paul bei dessen Wahlkampf 2008. Angeblich fühlt er sich sogar zur Tea-Party-Bewegung hingezogen, einer rechtslibertären Protestbewegung, die der Regierung unter Obama mächtig zusetzt.
Nachdem das Blog Valleywag berichtete, dass Thiel die Anti-Einwanderungsorganisation NumbersUSA mit einer Million US-Dollar unterstützt habe, gründeten empörte Facebook-Mitglieder eine Anti-Thiel-Gruppe, die bereits über 3.500 Mitglieder zählt. Viele seiner Förderungen haben ihm aber auch die Bezeichnung „Philantropist“ eingebracht. So unterstützt er unter anderem das Commitee to Protect Journalists, die Menschenrechtsorganisation Human Rights Foundation und das Seasteading Institute – letzteres verfolgt das Ziel, autonome mobile Gemeinschaften auf schwimmenden Plattformen in internationalen Gewässern zu errichten. Die Liste ließe sich noch weiter fortsetzen.
„20 under 20“
Nun reicht der Wagniskapitalgeber seine Unterstützerhände 20 jungen Menschen, die den Traum vom eigenen Start-up träumen. Bewerbungen trudeln aus der ganzen Welt bei ihm ein. Thiel wünscht sich eine neue Generation von Gründern, denn die Innovationskraft innerhalb der Technologieszene habe sehr nachgelassen – sogar am weltweit größten Gründerstandort im Silicon Valley, wo er selbst ansässig ist. Von den Unis ist er diesbezüglich enttäuscht. Vielleicht werden einige der „20 under 20“ mit seiner Hilfe den großen Coup schaffen. Dafür müssen sie aber zuerst ihre Leidenschaft und einen ausgeprägten Gründergeist unter Beweis stellen – für Thiel eine unabdingbare Voraussetzung. Und so lässt der Investor seine Stipendiumsanwärter doch ein bisschen studieren, indem er sie Aufsätze schreiben lässt zum Thema „Erzähle uns eine Sache über die Welt, von der du felsenfest überzeugt bist und von der die meisten Menschen glauben, dass sie nicht stimmt.“ Wer diesen Aufsatz gemeistert hat, empfindet die zweite Schreibaufgabe als Peanuts: „Wie willst du die Welt verändern?“ Wer mit Peter Thiel zusammenarbeiten will, muss eben gegen den Strom schwimmen und die Welt auf den Kopf stellen wollen.