Programmatic Advertising: Das Beste aus Adtech-Tools herausholen

Wer Werbung im Internet automatisiert an passende Zielgruppen ausspielen will, muss unterschiedliche Technologien einsetzen. Doch der Tool-Dschungel ist komplex und wird immer dichter. Eine Supply-Path-Optimierung sorgt für Klarheit. Im Herbst 2022 hat das Marketing einen Meilenstein erreicht: US-Martech-Guru Scott Brinker zählte in der gemeinsam mit seinem europäischen Kollegen Frans Riemersma erstellten Martech-Map erstmals mehr als 10.000 Technologie-Anbieter fürs Marketing. Ob Budgeteinteilung, Influencer-Marketing oder Print-Werbung, die Tooldichte ist hoch. Adtech im Wandel Das zeigt sich auch im Bereich der Werbetechnologien, der so genannten Adtech. Ihre Supergrafik weist für Display-&-Programmatic-Advertising mehr als 300 Technologieanbieter aus. Jede dieser Firmen hat üblicherweise mehrere Tools und Lösungen für das Online-Advertising im Portfolio. Diese Vielfalt kommt nicht von ungefähr. Die Zeiten, in denen Online-Werbeanzeigen hauptsächlich per Telefon oder E-Mail gebucht wurden, sind vielerorts vorbei. An einer programmatischen – also vollautomatischen und datengestützten – Ausspielung von Werbekampagnen im Web sind heutzutage verschiedenste Technologien beteiligt, die miteinander verbunden sind und untereinander kommunizieren. Dazu zählen diverse Einkaufsplattformen, die Demand Side Platforms (DSP), Verkaufsplattformen, die Supply Side Platforms (SSP), aber auch die Werbemarktplätze, auf denen Werbeinventar angeboten wird, die Ad Exchanges. Hinzu kommen unterschiedliche Daten-Plattformen für die Zielgruppenansprache, Adserving-Lösungen für die Werbeausspielung und Brand-Safety-Tools, die sicherstellen, dass eine Werbeanzeige tatsächlich im gewünschten Werbeumfeld erscheint. Die Krux der vielen Vermittler-Tools Ein Content-Anbieter, der seine Website-Inhalte über Werbung monetarisieren möchte, erhält nur einen Bruchteil von dem, was die Advertiser ausgeben. Auf dem Weg durch die unterschiedlichen Technologien werden jeweils Gebühren fällig, die die Marge schmälern. In Großbritannien kommen zum Beispiel nur 65 Prozent der Gesamtausgaben für programmatische Werbung bei den Publishern an, wie kürzlich eine Studie von PWC ergab. Der Rest sind Technologiegebühren. Durch die Verwendung verschiedenster Tools werden Vorgänge außerdem zunehmend intransparent. Technologien docken gern an anderen Technologien an, und so ist mitunter beispielsweise unklar, wo genau Gelder auf der Strecke bleiben. 2022 versickerten der PWC-Studie zufolge rund drei Prozent aller programmatischen Werbeausgaben in der Media-Lieferkette – und zwar ins Unbekannte. Das heißt, sie konnten keinem Player der Supply Chain zugeordnet werden. Möglichst kurze und transparente Lieferwege sind daher sowohl für Mediaverkäufer als auch für Einkäufer sinnvoll. Entsprechend müssen die Lieferketten für digitale Anzeigen optimiert werden. [caption id="attachment_252273" align="alignnone" width="1200"] (Quelle: IAB Europe, 2020 / t3n)[/caption] SPO: Adtech-Partner auf dem Prüfstand Bei einer Supply-Path-Optimization (SPO) im Programmatic Advertising wird der gesamte Auslieferungspfad einer Anzeige überprüft. Insbesondere Redundanzen und überflüssige Zwischenhändler gilt es zu identifizieren und zu beseitigen. Je weniger Technologiepartner am Auslieferungspfad beteiligt sind, desto besser. Auf diesem Weg sollen die Infrastrukturkosten gesenkt und die Transparenz über die Lieferwege erhöht werden. Durch die SPO-Maßnahmen wird außerdem sichergestellt, dass die Kampagne einer Marke nur auf Websites erscheint, mit denen sie in Verbindung gebracht werden möchte. So lässt sich Werbebetrug, also Ad-Fraud, verhindern. Insgesamt bringen transparente und optimierte Lieferwege Werbetreibenden mehr Kontrolle, senken die Kosten und sorgen für neue Erkenntnisse. Viele Werbetreibende und Agenturen haben in den vergangenen Jahren bereits eine Supply-Path-Optimierung durchgeführt. Anfangs war das nur möglich, indem Werbetechnologien nach Bauchgefühl an- und abgeschaltet wurden und man anschließend die Ergebnisse verglich. Später schaute man bereits bei den Vertragsverhandlungen genauer hin. Werbetreibende ließen sich Gebühren und weitere Technologiepartner genau erläutern und beschreiben. Spätestens als die Branche im Programmatic Advertising vor rund fünf Jahren vom Wasserfallprinzip auf das Header-Bidding umstieg, führte an einer Optimierung der Media-Lieferkette kein Weg mehr vorbei. Mussten Publisher beim Wasserfallprinzip noch eine Werbelösung nach der anderen anfragen, um einen Werbeplatz möglichst gewinnträchtig mit einer Anzeige zu füllen, können sie beim Header-Bidding ihr Anzeigen-Inventar auf mehreren Verkaufsplattformen oder Werbemarktplätzen gleichzeitig anbieten. Entsprechend entsteht mehr Wettbewerb auf dem Inventar, was insbesondere bei Real-Time-Versteigerungen der Werbeplätze zu höheren Geboten und somit zu höheren Erlösen führt. Für Werbetreibende und Agenturen kann es allerdings zur Herausforderung werden, wenn die Anbieter von Inhalten ihre Monetarisierungswege vervielfältigen. Es gibt dann nicht nur einen oder zwei Wege, um zur ersehnten Anzeigenausspielung auf einer Website zu gelangen, sondern enorm viele – und hinter jedem stecken unterschiedliche Kosten und Margen für den Advertiser. Arbeitet eine Website beispielsweise mit Dutzenden Verkaufsplattformen zusammen, von denen jede einzelne wiederum jeweils mit Dutzenden Einkaufsplattformen kommuniziert, wird es schnell unübersichtlich. Den effizientesten Weg zu identifizieren, ist eine Herausforderung und ohne passende SPO-Strategie reines Glücksspiel. SSP: Weniger ist mehr Mediaeinkäufer fokussieren ihre SPO-Bemühungen in der Regel auf die Verkaufsplattformen, die so genannten Supply Side Platforms (SSP), mit deren Hilfe Publisher ihr Anzeigeninventar programmatisch vermarkten. Die Branchenorganisation Interactive Advertising Bureau (IAB) empfiehlt Werbetreibenden dafür ein schrittweises Vorgehen. Als Grundlage dienen eine Planung und interne Bewertung des Status quo bisheriger programmatischer Buchungen. Anschließend sollten die SSP evaluiert und festgehalten werden. „Wer Kampagnen programmatisch platzieren möchte, muss wissen, mit welchen Werbetechnologieanbietern die Publisher zusammenarbeiten“, sagt Sylwia Iwanejko-Sajewska, Country Manager DACH beim Adtech-Unternehmen Triplelift. Das gelte sowohl für Agenturen als auch für große Werbetreibende, die Programmatic Advertising inhouse managen. Der Expertin zufolge braucht es in jedem Fall zunächst eine Bestandsaufnahme, bei welchen Publishern die wertvollsten Ad-Impressions generiert werden und welche Werbetechnologien dort angedockt sind. Nicht nur wo man einkaufe, sondern auch das Wie rücke dabei immer stärker in den Fokus. „Das ist ein manueller Prozess und eine wichtige Strategiefindung“, sagt Iwanejko-Sajewska. In diesem Pfad-Findungsprozess können auch die Transparenzinitiativen des IAB helfen. Dessen Tech Lab hat unter anderem eine Ads.txt-Initiative ins Leben gerufen, die Betrug bekämpfen und für mehr Transparenz im programmatischen Werbeökosystem sorgen soll. Ads.txt ist eine einfache Textdatei, die eine Liste der legitimen Verkäufer und Wiederverkäufer des Anzeigeninventars einer Website enthält. „Ads“ steht in diesem Fall für „authorized digital sellers“. Der Websitebetreiber erstellt die Liste und legt sie für alle Partner offen, indem er sie auf der Root-Ebene der Domain hostet. Um die Liste aufzurufen und die autorisierten Anzeigenverkäufer beziehungsweise deren technische Lösungen anzuzeigen, wird der Zusatz „ads.txt“ einfach an den Domainnamen angehängt. Nachdem die Ads.txt-Datei Aufschluss darüber gegeben hat, welche Anzeigenverkäufer für eine Seite genehmigt sind, gilt es anhand detaillierter Reportings Kosten, Qualität, Transparenz und Effizienz der jeweiligen Supply-Partner zu beurteilen. Das Ziel dabei ist es, die Anzahl der Partner auf ein überschaubares Maß zu bringen. Auch die Qualität spielt dabei zunehmend eine Rolle. Beim Techunternehmen Integral Ad Science (IAS) spricht man bereits von einer Quality Path Optimization (QPO) – einer Medienstrategie, mit der die effektivsten Lieferwege identifiziert werden. Dabei stehen sowohl die Qualität des Inventars als auch die Kosteneffizienz im Vordergrund. Einer IAS-Untersuchung zufolge erhöht sich das Vertrauen von Medienexperten in Entscheidungen zur Pfadoptimierung um zwölf Prozentpunkte, wenn Qualitätskennzahlen hinzugefügt wurden. Dazu zählen beispielsweise die Sichtbarkeit einer Anzeige, ein markensicheres Umfeld und der Ausschluss von Werbebetrug. Neben der Qualität der Werbeschaltungen kann die Adressierbarkeit der Zielgruppe ein weiteres Kriterium für Optimierungen sein. „Bisher waren die SPO-Maßnahmen stark auf Media fokussiert. Aber mit dem bevorstehenden Aus der bisher omnipräsenten Third-Party-Cookies sollten nun auch Datenverfügbarkeiten bei den Optimierungen der Lieferkette berücksichtigt werden“, rät Iwanejko-Sajewska von Triplelift. Der Adtech-Anbieter hat im vergangenen Jahr mit 1plusX eine Data Management Platform (DMP) übernommen, mit deren Hilfe Zielgruppensegmente ohne Third-Party-Cookies programmatisch buchbar sind. So sollen Publisher eine bessere Monetarisierung erhalten und Werbetreibende ihre Zielgruppen besser adressieren können. Auch andere Technologieanbieter setzen auf der Supply Side zunehmend auf Datenangebote. Erst kürzlich hat der unabhängige Ad-Tech-Anbieter Pubmatic eine Kooperation mit Proximic by Comscore verkündet, die der Nachfrageseite kontextgesteuerte Alternativen zum ID-basierten Targeting bietet. Das Abrücken von den Drittanbieter-Cookies zwingt die Anbieterseite immer mehr dazu, den Werbetreibenden Alternativen anzubieten, um die Nutzer auf ihren Websites weiterhin gezielt ansprechen zu können. Entsprechend werden Technologien entwickelt oder über Partner angedockt, damit die Zielgruppen auf den eigenen Websites weiterhin datenschutzkonform angesprochen werden können. [caption id="attachment_252274" align="alignnone" width="1200"] (Quelle: IAB Europe, 2020 / t3n)[/caption] Optimierungen in beide Richtungen Während SPO-Maßnahmen in der Regel von der Nachfrage- beziehungsweise der Media-Einkäuferseite durchgeführt werden, ergibt es durchaus auch für die Inhalteanbieter Sinn, den Lieferpfad ihrerseits zu optimieren – also quasi in die andere Richtung. In diesem Fall spricht man von einer Demand Path Optimization (DPO). Die DPO zielt darauf ab, dass Inhalteanbieter ihre Anzeigenplätze über die leistungsstärksten Nachfragepfade verkaufen. Früher galt für Publisher die Faustregel, dass mehr Adtech-Partner auch mehr Einnahmen bedeuten. Das Ökosystem hat sich jedoch weiterentwickelt und ist komplexer geworden. Und die Orchestrierung vieler Techpartner kostet auch auf der Vermarktungsseite Ressourcen. Nicht zuletzt kann die Einbindung sehr vieler Adtechnologien unter Umständen die Ladegeschwindigkeit einer Website verlangsamen und somit die User-Experience beeinträchtigen. Entsprechend untersuchen Publisher im Rahmen einer DPO in der Regel die erzielten Anzeigenpreise, Antwortzeiten, Seitenladezeiten und auch die Qualität der Anzeigen, um die bevorzugten Partner auszuwählen. Eine DPO kann dabei zunächst die SSP-Partner unter die Lupe nehmen. Transparenz, Gebühren, Intensität der Nachfrage und Kundenservice können Kriterien sein, die darüber entscheiden, ob man mit einer SSP zusammenarbeitet oder darauf verzichten kann. Ebenso kann DPO bei den Agenturen ansetzen: Wenn der Kundenstamm einer Agentur mit den vorhandenen Zielgruppen auf der Website nicht übereinstimmt oder die wichtigsten programmatischen Kunden über andere Agenturen kaufen, kann das ein erster Anhaltspunkt sein, den Pfad auch hier entsprechend zu bereinigen. „DPO wird an Relevanz gewinnen“, ist Iwanejko-Sajewska überzeugt. Aus ihrer Sicht ist es sowohl für Media-Anbieter als auch -Nachfrager nur von Vorteil, die Adtech entlang des Lieferpfades schlanker und transparenter zu gestalten. Aufgrund der hohen Dynamik in der Branche empfiehlt die Expertin, sowohl SPO als auch DPO als kontinuierliche Strategie zu etablieren und die Lieferpfade mindestens jährlich zu überprüfen. Fazit Programmatic Advertising ist auf Vermittlertechnologien angewiesen, die untereinander Informationen austauschen und so letztlich die automatisierte und zielgerichtete Auslieferung der Werbemittel ermöglichen. Doch neue Technologien entstehen, andere verschwinden. Das Aus der Drittanbieter-Cookies stellt die Branche außerdem vor neue Herausforderungen. Das ruft nicht nur neue Techkategorien wie zum Beispiel Data Clean Rooms auf den Plan, sondern verlangt auch nach Wegen, wie Zielgruppen künftig datenschutzkonform adressiert werden können. Auch hier werden technologische Lösungen zum Einsatz kommen. Programmatic Advertising entwickelt sich nach wie vor hochdynamisch. Entsprechend sollten Werbetreibende und Agenturen die Lieferwege ihrer Anzeigen stets im Blick haben und auf Effizienz prüfen. SPO und DPO sind somit keine Einmalstrategie, sondern ein stetiger Prozess.