Raketenstart gefällig? Wie „Product Hunt“ jungen Startups zu Viralhits verhilft
Dass aus ihrer eilig am Küchentisch zusammengezimmerten Geschäftsidee so schnell ein Viralhit werden würde, hätten Jad Limcaco und Matt Winn von Famous Outfits nicht gedacht. Ein Onlineshop, über den Männer die Klamotten von Promis zu günstigen Preisen nachkaufen können? Naja, nicht gerade die originellste Idee für ein E-Commerce-Startup aus dem Valley. Die Bilanz der beiden Gründer aber ist mehr als stattlich: 300.000 Menschen besuchten die Website von Famous Outfits innerhalb von gerade mal 30 Tagen. Dabei hatte bloß ein Fremder den Link mit einem kurzen Kommentar auf einer Plattform gepostet: auf Product Hunt.
Geschichten wie die von Jad Limcaco und Matt Winn bringt die Website aus den USA seit letztem Jahr quasi am laufenden Band hervor. Unzählige Gründer haben es den Machern von Famous Outfits gleich getan und schwärmen im Netz davon, wie sie durch Product Hunt quasi über Nacht ihren ersten Geschäftserfolg feiern konnten. Wer ein bisschen recherchiert, stößt schnell auf ihre Lobeshymnen: „Thank you Product Hunt“, „The Product Hunt Effect: The story of launching an unfinished product“ oder „How Product Hunt helped me go from ‚No-idea‘ to ‚Profitable’ in 15 hours“ sind nur einige Beispiele dafür, wie Gründer ihre Verblüffung über die offensichtlich enorme Zugkraft der Website zum Ausdruck bringen.
Aber was genau macht Product Hunt eigentlich? Vereinfacht gesagt ist die Website so etwas wie das Cape Canaveral für digitale Geschäftsmodelle – eine virtuelle Startrampe, die neue Internetunternehmen vergleichsweise schnell und zuverlässig auf Erfolgskurs bringt. Dabei könnte das Prinzip hinter Product Hunt auf den ersten Blick banaler nicht sein: Die Website stellt neue Produkte, Projekte oder Unternehmen hauptsächlich aus dem Technologiesektor vor, die Außenstehende wie bei Reddit oder Hacker News hoch-voten können.
Jeden Tag finden Besucher eine strikt nach Nutzerbewertungen sortierte Liste mit Links und Kurzbeschreibungen zu Dutzenden Ideen und Startups – das können Gadgets wie zum Beispiel eine smarte Kühlbox oder ein preiswerter Mini-Computer sein, häufiger aber geht es um Apps und Services. Selbst Google oder Amazon nutzen die Plattform mittlerweile, um Neuigkeiten zu verbreiten.
Eine Besonderheit bei Product Hunt: Bislang ist nur ein exklusiver Kreis an Mitgliedern in der Lage, neue Produkte auf der Plattform zu veröffentlichen. Ohne eine Einladung oder einen direkten Kontakt zu den Machern geht nichts. Normalnutzer können lediglich einzelne Vorschläge bewerten oder kommentieren. Aus der Mischung von Exklusivität auf der einen und dem breiten öffentlichen Zugang auf der anderen Seite ergibt sich das eigentliche Potenzial von Product Hunt: In dem auf diese Weise sehr übersichtlich gehaltenen System werden die beliebtesten – und damit aus Sicht der Community nützlichsten – Geschäftsmodelle („Top Hunts“) äußerst prominent an oberster Stelle auf der Website platziert. Und danach lecken sich Startups regelrecht die Finger.
Begehrter als ein Artikel bei TechCrunch
Was diese Platzierungen für Gründer so verlockend macht, ist zunächst einmal die damit einhergehende Aufmerksamkeit. Nach Angaben von Product Hunt sind im vergangenen Jahr allein die rund 11.000 beworbenen Produkte von über 23,5 Millionen Menschen aufgerufen worden. Und: Glaubt man den Zahlen, die der Statistikdienst SimilarWeb ausspuckt, brachte es die Website im ersten Jahr ihres Bestehens auf weltweit 108 Millionen Zugriffe.
Eine Reichweite, so groß, dass inzwischen sogar renommierte Tech-Medien einen Reputationsverlust fürchten müssen. Denn noch stellen etwa TechCrunch oder das Wall Street Journal den ersten und in aller Regel größten Multiplikator für Gründer dar, die ihre App- oder Service-Ideen massenhaft verbreiten wollen. Ihr Status jedoch bröckelt. So manches Startup macht sich schon gar nicht mehr die Arbeit, Journalisten mühevoll zu umgarnen, bloß um einen kurzen Artikel über ihr Produkt zu ergattern.
Schließlich könnte es ihnen auch so ergehen wie dem US-Startup Final, das eine neuartige Kreditkarte mit angeschlossener Smartphone-App entwickelt hat. Die Gründer verzichteten zu Anfang ganz bewusst auf den Kontakt zu Journalisten, stattdessen stellten sie ihre Idee exklusiv auf Product Hunt vor. Mit beachtlichem Erfolg: Nach dem Debüt von Final auf der Plattform im Oktober 2014 avancierte die Kreditkarte mit 1.263 Upvotes innerhalb weniger Stunden zum bis dahin am besten bewerteten Produkt überhaupt.
Das schlug sich auch in den Kennzahlen von Final nieder: In den ersten 24 Stunden wurden wie aus dem Nichts mal eben knapp 10.000 Vorbestellungen generiert. 48 Stunden später hatten sich schon mehr als 20.000 Menschen für einen vorzeitigen Zugang zu der Kreditkarte angemeldet. Tja, und die Presse? Die bekam Wind von der Aktion und schrieb daraufhin ganz von selbst über die Idee von Final. Ein schöner Werbeeffekt – der aber längst nicht der einzige Vorteil von Product Hunt ist.
Alles begann mit einem E-Mail-Newsletter
Um den Erfolg von Product Hunt wirklich zu verstehen, muss man sich die Geschichte hinter der Plattform anschauen. Angefangen hat alles im Herbst 2013 mit einem einfachen E-Mail-Newsletter, in dem Gründer Ryan Hoover einmal täglich seine liebsten Technologie-Produkte vorstellte.
Schon damals war Hoover, der sein erstes Geld mit Kaugummi-Automaten im Computerspielladen seines Vaters verdient hatte und später in verschiedenen Startups arbeitete, gut im Silicon Valley vernetzt. Es fiel ihm also leicht, das richtige Klientel für seinen Newsletter zu begeistern. „Die meisten Leute arbeiteten bei Startups, andere kannte ich einfach persönlich“, sagt der 28-Jährige im Gespräch mit First Round Review.
Weil die ersten Empfänger ihre ebenfalls tech-begeisterten Freunde und Kollegen auf Hoovers Newsletter aufmerksam machten, kam es schnell zu einem Schneeball-Effekt: Innerhalb kürzester Zeit zählte der Newsletter mehrere Hundert Abonnenten. Großen Zuspruch erhielt Hoover auch aus dem Mitarbeiterkreis von Sequoia Capital und Union Square Ventures, zwei namhaften Venture-Capital-Firmen. Für Hoover ein Wink mit dem Zaunpfahl: „Das war der Moment, in dem ich dachte: okay, hier steckt vielleicht noch mehr drin“, sagt er.
In einem Café in San Francisco arbeitete Hoover schließlich ein erstes Konzept aus. Inspirieren ließ er sich dabei von Linkydink, einem Online-Dienst, mit dem Teams auf einfache Weise Links austauschen können. Jeden Tag verschickt Linkydink die wichtigsten von ihnen per Newsletter. Da machte es bei Hoover Klick. Ein schneller Blogpost und einen Tweet später stand das erste Konzept, wie Hoover rückblickend erklärt. Gemeinsam mit einem befreundeten Entwickler erweiterte Hoover das Newsletter-Konzept um eine eigenständige Website mit Bewertungs- und Kommentierfunktion. Mit dem bis heute existierenden Newsletter im Rücken schuf Hoover den idealen Nährboden für eine lebendige und loyale Community.
Ein heißer Draht zu Early Adoptern
Und diese Community ist das wohl kostbarste Kapital, auf das Startups auf Product Hunt zugreifen können. Viel wertvoller nämlich als die Generierung von Aufmerksamkeit ist für die meisten Gründer das kritische Feedback, das sie von den technikaffinen Mitgliedern erhalten. Laut Hoover eröffnet Product Hunt Gründern die Möglichkeit, sich direkt „mit einer engagierten Gruppe aus Entrepreneuren, Reportern, Investoren und anderen Produktliebhabern“ auszutauschen. Das fördere Feedbackschleifen und helfe dabei, eine enge Beziehung zu Early-Adoptern aufzubauen.
Die solidarische Diskussionskultur hat einen unschätzbar wertvollen Effekt: Sie hilft Gründern dabei, erfolgskritische Schwächen in ihrer Idee frühzeitig zu erkennen und noch vor dem ganz offiziellen Launch zu eliminieren. Ben Apel, einer der drei Gründer von Final, bestätigt diese These im Gespräch mit dem US-Wirtschaftsmagazin Inc.: „Durch das offene Feedback haben wir schnell herausgefunden, welche Features die Leute mögen und welche eher verwirrend sind“, sagt er. So habe man beispielsweise sofort Änderungen an der Website vornehmen und auch die Beschreibung des Produkts optimieren können.
Selbst Ashton Kutcher votet mit
Und Product Hunt kann sich noch in ganz anderer Hinsicht auszahlen: Laut Hoover treiben sich bereits „mehrere hundert“ Investoren auf seiner Plattform herum. Schwergewichte wie Chris Sacca oder Dave McClure durchforsten die Neuvorstellungen der Website ebenso nach neuen Beteiligungsmöglichkeiten wie der Schauspieler Ashton Kutcher oder der Milliardär Mark Cuban.
Einer Studie des Datendienstes Mattermark zufolge haben schon mehr als 200 Startups eine Finanzierungsrunde abgeschlossen, nachdem sie einen Erfolg auf Product Hunt feierten. Offiziell bestätigt hat Product-Hunt-Gründer Hoover bislang zumindest drei. Darunter ist das US-Startup Move Loot, das gebrauchte Möbel verschickt. Auch die Gründer von Final gehören dazu: Zu den Geldgebern ihrer Seed-Runde in Höhe von einer Million US-Dollar gehört unter anderem die berühmte Startup-Schmiede Y-Combinator, deren amtierender Chef, Sam Altman, selbstredend auch auf Product Hunt unterwegs ist. Und selbst für ein deutsches Startup hat sich die Listung bei Product Hunt buchstäblich ausgezahlt: die Messaging-App TapTalk. Die Berliner erhielten eine Seed-Finanzierung, nachdem ein Partner der Investment-Firma sie bei Product Hunt entdeckt hatte. Auch wenn die Plattform ein US-Phänomen ist, kann es sich also für hiesige Gründer lohnen, dort gelistet zu sein: Die deutsche Nachfrage nach Product-Hunt-Invites steigt.
Monetarisierungsstrategie?
Doch wie will Product Hunt in Zukunft eigentlich selbst zu Geld kommen? Obwohl prestigeträchtige Investoren wie Marc Andreessen oder Google Ventures nicht weniger als 7,5 Millionen US-Dollar in Product Hunt gesteckt haben, fehlt es Gründer Hoover und seinen zwölf Mitarbeitern bis heute an einem tragfähigen Geschäftsmodell. Zumindest mittelfristig soll sich daran auch nichts ändern, wie Hoover im vergangenen Februar im Gespräch mit Business Insider verriet.
Immerhin ließ er durchblicken, dass Product Hunt mit Werbung beispielsweise durch gesponserte Einträge monetarisiert werden könnte. Diese dürfe jedoch keinerlei negativen Einfluss auf die Bedienbarkeit der Seite haben, betonte er. Zudem sei denkbar, die gelisteten Produkte über eine Umsatzbeteiligung direkt auf der Website von Product Hunt zu verkaufen. Bis es soweit ist, arbeitet Product Hunt an neuen Kategorien: So werden seit Kurzem nicht nur Produkte und Apps, sondern auch Computerspiele und Bücher fleißig gepostet, Design-Artikel sollen in naher Zukunft folgen. Bislang scheint es, als würden der Spürnase Hoover die Ideen nicht so schnell ausgehen.
Apropo Virale Hits…warum lese ich hier bei T3N noch nichts zum eben erfolgen Zuckerberg Auftritt in der Townhall? Betrifft ja nur 27 Millionen User und unser aller Datenschutz. Also ich empfand den Auftritt als sehr enttäuschend: http://www.freizeitcafe.info/enttaeuschter-zuckerberg-berlin-auftritt/