Gründer-Interview: „Frustration im Job hat den Ausschlag gegeben“
t3n Magazin: Anders als viele Selbstständige, die in den letzten Jahren aus der Arbeitslosigkeit heraus gegründet haben, hattest Du einen gut bezahlten Job bei einem renommierten Großkonzern. Wie kommt man da auf die Idee, zu gründen?
Stefan Dieckhoff: Ein gut bezahlter Job ist schön und gut, aber nicht alles. Es kommt auch auf die Motivation und Identifikation an, die man bei seiner Tätigkeit verspürt. Ich habe mich bei Siemens einfach nicht mehr wohl gefühlt und war teilweise sehr frustriert. Den Gedanken, mich selbstständig zu machen, hatte ich schon seit dem Studium. Aber die Frustration im Job hat erst den Ausschlag gegeben, diesen Schritt zu machen.
t3n Magazin: Kann man sich im Großkonzern nicht entfalten?
Stefan Dieckhoff: Ja und nein. Ein Großkonzern bietet sicherlich vielfältige Möglichkeiten, sich zu entwickeln und zu entfalten. Mir war der Konzern aber zu traditionell und zu groß. Im Prinzip sind es viele Firmen innerhalb einer Firma und ich habe kaum noch eine gemeinsame Firmenphilosophie oder Unternehmenskultur gespürt. Es ist schwer, so ein großes und diversifiziertes Unternehmen unter einen Hut zu bekommen. Letztlich hängt es von einem selbst ab, ob und wie man sich in einem Konzern entfalten kann oder nicht. In meinem Fall habe ich festgestellt, dass es nicht funktioniert. Mein Tätigkeitsbereich ist jetzt wesentlich breiter und gerade das ist es, was mich fasziniert.
t3n Magazin: Du bist über eineinhalb Jahre hinweg zweigleisig gefahren – die perfekte Gründungsbasis?
Stefan Dieckhoff: Bei mir steckte vor allem die ökonomische Entscheidung dahinter, während der Anlaufphase versorgt zu sein. Gedanklich hatte ich da schon mit meinem alten Job abgeschlossen. Diese Zweigleisigkeit sollte man aber nicht unnötig lange herauszögern, da man in der Regel nicht beides wirklich gut machen kann. Im Nachhinein denke ich, dass ich den Schritt früher hätte gehen sollen. Gerade in der Anlaufphase des Projekts hatte ich wegen meines Jobs in Berlin und der damit verbundenen Entfernung zu Hamburg zu wenig Zeit, um wichtige Entscheidungen mit vorzubereiten und zu treffen. Irgendwann muss man sich entscheiden und dann mit aller Kraft in die neue Tätigkeit einsteigen.
t3n Magazin: Euer Nischenprodukt ist ein aufblasbares Camping-Zelt. Was ist das Besondere daran?
Stefan Dieckhoff: Wir bieten mit unserem Zelt eine echte Alternative zu klassischen Campingzelten. Unser Fokus liegt auf der einfachen Handhabung und dem eigenständigen Design. Der Aufbau dauert weniger als eine Minute und das Zusammenbauen von Einzelteilen entfällt. Das Ergebnis bietet Platz für bis zu drei Personen und mit seinem „Inflatable Diamond Grid“ ist es dazu besonders stabil.
t3n Magazin: Was verbirgt sich dahinter?
Stefan Dieckhoff: Das „Inflatable Diamond Grid“ ist ein selbsttragender Luftrahmen, der aus modular aufgebauten doppelschichtigen Luftstreben besteht. Er ermöglicht einen schnellen und selbsterklärenden Aufbau und gibt dem Zelt die ideale Form. Das Luftsystem wird nach dem Befüllen in fünf Luftkammern unterteilt. So behält das Zelt im Falle eines Defekts die nötige Stabilität an den Luftstreben und defekte Teile können schnell und einfach ausgetauscht werden. Bei stärkerem Wind kann man die Luftstruktur zusätzlich mit Leinen abspannen, sodass sie immer ausreichend stabil bleibt.
t3n Magazin: Kam euch die Geschäftsidee „über Nacht“ oder habt ihr konkret überlegt, welche Nische noch unbesetzt ist?
Stefan Dieckhoff: Die Idee kam im wahrsten Sinne des Wortes über Nacht, weil wir uns eben nach einer Nacht im Zelturlaub Gedanken gemacht haben, wie man das Zelten besser machen kann. Viele Ideen entstehen ja aus Problemstellungen heraus, die man selber erfährt. Unsere Idee hat dann lange brachgelegen. Erst nach fünf Jahren haben wir sie wieder hervorgekramt und uns konkret überlegt, wie wir daraus eine Geschäftsidee mit einem Konzept machen. Das Arbeiten am Konzept dauerte Wochen und Monate – ein enorm wichtiger Schritt.
t3n Magazin: Der Nachteil eines Nischenprodukts liegt auf der Hand: Im Vergleich zu Iglu-Zelten ist eure Zielgruppe relativ klein. Ihr richtet euch nicht an „Billig-Camper“, die einfach nur ein Dach über dem Kopf wollen. Welche Vorteile bietet solch eine Spezialisierung?
Stefan Dieckhoff: Wieso sollte unsere Zielgruppe kleiner als bei Iglu-Zelten sein? Ich glaube vielmehr, dass unser Konzept für jeden, der ein besonderes Design und eine einfache Handhabung zu schätzen weiß, eine echte Alternative darstellt. Die Fragestellung, ob Nischenprodukt oder Massenmarkt, hat uns bei unseren Überlegungen eher weniger beschäftigt. Viel wichtiger war uns, eine echte Innovation zu entwickeln und uns damit klar zu bestehenden Konzepten und Produkten abzugrenzen. Wir waren und sind von der Idee überzeugt und wenn wir uns damit unsere Nische in einem 436 Mio. € Markt (im Jahr 2006) sichern könnten, wären wir sehr zufrieden.
t3n Magazin: Thema Finanzen: Besteht die Chance, dass du jemals soviel verdienst wie bei Siemens?
Stefan Dieckhoff: Ich hoffe ja, aber das ist nicht der Hauptbeweggrund, warum ich oder wir dieses Projekt gestartet haben. Mir geht es vielmehr um Identifikation. Wenn die stimmt, führt das zwangsläufig zu hoher Motivation und hoffentlich auch Erfolg. Wenn ich irgendwann genauso viel verdiene wie in meiner vorherigen Tätigkeit, dann fühlt es sich trotzdem besser an, weil ich mich viel mehr mit meiner Arbeit identifiziere.
t3n Magazin: Warum habt ihr euch für Hamburg als Firmensitz entschieden – ist nicht Berlin die Startup-Hauptstadt?
Stefan Dieckhoff: Wir haben relativ lange die Förderlandschaften in Hamburg und Berlin untersucht und uns dann für den Firmenstandort Hamburg entschieden, da wir dort bessere Möglichkeiten sahen. In Hamburg gibt es für innovative Produkte mit Technologiebezug eine Förderung des Pro-Ideenfonds von der MAZ Level One GmbH in Zusammenarbeit mit dem Mittelstandsförderinstitut. Darüber haben wir einen Zuschuss in Höhe von 50.000 EUR erhalten, der uns die Produktentwicklung ermöglicht hat.
t3n Magazin: Wie habt ihr es geschafft, die Förderung zu bekommen?
Stefan Dieckhoff: Das Bewerbungsverfahren beim Pro-Ideenfonds läuft so ab, dass man als Privatperson (vor Gründung) sein Vorhaben zwei Coaches vorstellt und ihnen einen tiefen Einblick in das Projekt gewährt. Die Berater entscheiden dann, ob man das Konzept vor einer fünfköpfigen Jury präsentieren darf – in fünfzehn Minuten. Davor muss man natürlich die kompletten Bewerbungsunterlagen einreichen – Projektskizze, Lebensläufe, Planungsrechnungen etc. Ein bis zwei Tage später teilt der Vergabeausschuss seine Entscheidung mit, ob man eine Förderung erhält oder nicht.
t3n Magazin: 50.000 Euro sind eine gute Grundlage. Wie viel musstet ihr darüber hinaus an Eigenkapital in euer Projekt stecken und was waren die größten Kostenpunkte?
Stefan Dieckhoff: Wir haben bislang zwei Jahre unserer Zeit und einige Tausend Euro in unser Vorhaben investiert. Die größten Kostenpositionen sind aber die Opportunitätskosten, weil man natürlich kein Gehalt mehr aus dem Angestelltenverhältnis bekommt. Dazu kommen in unserem Fall vor allem Entwicklungskosten und Fahrtkosten. Wir müssen uns daher mit Nebenjobs über Wasser halten.
t3n Magazin: Wenn man eure Webseite anschaut, spürt man Motivation und Gründergeist. Zu jeder Gründung gehören aber auch Tiefs – was waren eure schwersten Momente?
Stefan Dieckhoff: Wir haben am Anfang mit viel Zeit und Geld ein Zeltdesign verfolgt, das sich als nicht produzierbar herausgestellt hat. Die Einsicht, dass man nach so viel Zeit, Energie und Geld nicht weiterkommt, ist sehr frustrierend und hat uns an den Rand der Verzweiflung gebracht. Trotzdem haben wir auf dem Weg eine Menge gelernt, sodass nicht alles umsonst war. Wir haben nie aufgegeben und uns immer wieder selber motiviert, weil wir an die Idee geglaubt haben. Wir haben so lange weiter überlegt und diskutiert, bis das Konzept aufging. Das hat sehr viel Kraft gekostet. Jetzt sind wir mit dem Ergebnis aber absolut zufrieden und sehr zuversichtlich. Es kommt darauf an, dass man seine Fehler korrigiert oder mit geeigneten Maßnahmen eine Besserung erzielt.
t3n Magazin: Wurden eure Zeit- und Budgetpläne noch öfter gesprengt?
Stefan Dieckhoff: Ja, die Herausforderungen der Produktneuentwicklung haben uns immer wieder einen Strich durch die Rechnung gemacht. Alles hat länger gedauert als geplant und viel mehr Geld gekostet. Wir haben viele Zeitpläne und Budgetrechnungen aufgestellt, die alle früher oder später durchkreuzt wurden. Klar ist es wichtig, gut zu planen und Ziele zu definieren. Aber man darf sich auch keine Illusionen machen. Am Ende passieren so viele unvorhersehbare Dinge und es kommt alles anders, als man denkt. Für uns ist es wichtig, unsere Lehren daraus zu ziehen und für die Folgeentwicklungen einen kontrollierten Entwicklungsprozess zu gestalten.
t3n Magazin: Welchen Tipp gibst du anderen Gründungswilligen mit auf den Weg?
Stefan Dieckhoff: Es spielt keine Rolle, in welcher Branche man gründet oder mit welchem Produkt, wichtig ist:Halte durch! Auch wenn alles so wirkt, als würde es zusammenbrechen. Es gibt immer eine Lösung, manchmal muss man einfach länger suchen.