Selbstvermarktung für den nächsten Job: Wie es richtig geht
Profil-Slogan für Suchmaschinen optimieren, Links setzen, Gruppen folgen: Das Netz ist voll mit Tipps, um das eigene Profil in Karrierenetzwerken zu verbessern. Unter Tausenden Auftritten potenzieller Mitbewerber herauszustechen, erfordert aber mehr als vereinzelte kosmetische Eingriffe.
Das wird schon angesichts der Masse klar: Elf Millionen Menschen aus dem deutschsprachigen Raum waren im vergangenen Jahr allein auf der größten Karriereplattform Linkedin registriert. Sie alle ergänzen klassische Bewerbungsunterlagen längst durch mindestens ein digitales Profil. Wie sieht aber eine kluge Strategie aus, um von Recruitern bemerkt und angesprochen zu werden? Und wie bleibt der Aufwand überschaubar? Drei Schritte helfen, die persönliche Marke im Netz zu schärfen.
Schritt 1: Komplexität reduzieren
Xing, Twitter, Facebook, Pinterest, Instagram und Co.: Sogar bislang hauptsächlich privat genutzte Plattformen rücken zunehmend in den beruflichen Fokus – je nach Branche und Wunscharbeitgeber. Einerseits raten Karriereexperten, auf allen wichtigen Kanälen für die eigene Zielgruppe wenigstens aufzutauchen, um von Personalverantwortlichen gefunden zu werden. Andererseits stellt sich die Frage, in welche Portale wirklich Arbeit fließen soll.
Programmierer und Kommunikationsberater Martin Haunschmid konzentriert sich seit rund einem Jahr auf ein eigenes Tech-Blog, das ihm inzwischen bei der Akquise neuer Aufträge hilft. „Im Gespräch mit Kunden verweise ich auf Texte, in denen sie zum Beispiel technische Hintergründe und IT-Wissen nachlesen können“, sagt der 28-Jährige, der sich in Wien mit Webentwicklung und Online-Marketing selbstständig gemacht hat. Das Vorgehen lohne sich: Rund zwei neue Anfragen liefen derzeit pro Woche ein.
Gestartet mit einem wöchentlichen Tech-Newsletter an mehr als 200 Abonnenten, versucht Haunschmid heute, ein Mal pro Woche einen Blogeintrag zu veröffentlichen. Zeitfaktor: je zwei bis drei Stunden. Karriereplattformen und soziale Medien nutzt er begleitend – um seine Artikel zielgerichtet zu verbreiten. Er warnt davor, sich zu verzetteln. „Aus meiner Sicht braucht es eine Lead-Plattform wie ein Blog, um die eigene Marke aktiv zu managen. Weniger ist mehr, wenn bestimmte Kanäle nur nebenbei bespielt werden können“, sagt Haunschmid.
Dafür muss man nicht zwingend unterhaltsam und informativ schreiben können. Auch, wer als Vlogger per Video Einblick in seine Arbeit und seine Kenntnisse gibt, kann eine starke Präsenz aufbauen – und nebenbei noch direkter seine Persönlichkeit vermitteln.
Der Kölner Karriere-Blogger Jochen Mai sieht den Schwerpunkt ebenfalls auf einer eigenen Website und rät, soziale Plattformen zur Unterstützung einzusetzen: „Ich bin ein starker Verfechter eines eigenen Blogs, das man ins Zentrum der digitalen Präsenz stellt“, so Mai. Das Hauptargument: Ein digitales Archiv macht den Karriereweg transparent – das ist vor allem wichtig, wenn sich das fachliche Profil mit der Zeit stark verändert.
Jede Plattform zur Verbreitung der Bloginhalte bietet eigene Vor- und Nachteile. Je nach Zielgruppe und Branche kann man hier auf ein lebendiges Netzwerk treffen oder einen wenig beachteten Kanal. Um Wunscharbeitgeber und potenziell interessierte Recruiter zu erreichen, hält Mai insbesondere Linkedin aufgrund des Content-Ansatzes für hilfreich. Haunschmid selbst ist auf Twitter und Facebook unterwegs. Bei Instagram postet er Storys etwa von Zeitungsartikeln, in denen er erwähnt ist. Seit einigen Monaten setzt er verstärkt auf Linkedin: „Ich bin großer Fan des Netzwerks, weil der Algorithmus weniger eingeschränkt ist und Nischen-Inhalte belohnt, nicht nur viralen Content“, so der Blogger.
Schritt 2: Diskussionen und Austausch fördern
Die meisten Reaktionen erhält der Tech-Blogger nach eigener Aussage, wenn er über seine Einstellungen und Herausforderungen als Unternehmer schreibt – also zum Beispiel über seine Methoden zur Stressbewältigung. Außerdem teilt er Erfahrungen mit Hacker-Wettbewerben oder zehn Tagen ohne Macbook als „Chronik des Grauens“. Alles Themen, die nicht direkt mit dem Kerngeschäft zusammenhängen.
Einen Schlüssel zur erfolgreichen persönlichen Marke sieht Recruiting-Coach Barbara Braehmer in Debatten-Beiträgen. „Von Unternehmen mit einem hohen digitalen Reifegrad wird ein Punkt intuitiv geprüft: Interagieren Kandidaten mit anderen und tauschen sich zu ihren Fachgebieten aus, oder geht es ihnen nur um Selbstdarstellung?“, sagt die Geschäftsführerin des Bonner Beratungsunternehmens Intercessio, das sich auf sogenanntes Active Sourcing und digitales Recruiting spezialisiert hat. Ihr Team aus sieben Personen begleitet Personalabteilungen bei der Kandidatensuche im Netz und über soziale Medien.
Wer herausstechen will, sollte darauf abzielen, Mehrwert zu schaffen – mit professionellen Inhalten und Analysen, so Braehmer. Weil Personalabteilungen zunehmend mit digitalen Werkzeugen arbeiten und ihre Strategie bei der Talentsuche ändern, wird das laut der Beraterin in Zukunft noch wichtiger. Denn: „Große Unternehmen wie etwa Siemens fangen inzwischen an, überwiegend über ihre Employer-Branding-Seiten in Karrierenetzwerken zu rekrutieren.“ Das heißt, Mitarbeiter beobachteten die Interaktionen potenzieller Kandidaten mit den vom Unternehmen geposteten Beiträgen. Wer sich sinnvoll beteilige, erhöhe seine Chancen, angesprochen zu werden.
Auf welchen Firmen-Seiten bei Linkedin am meisten los ist, veröffentlicht die Plattform zum Beispiel in ihrer Auswertung „Top 25 Startups in Deutschland“. Die meiste Aufmerksamkeit und Kontakte mit Netzwerk-Mitgliedern verzeichnen demnach das Fintech N26, die Flugtaxi-Entwickler von Lilium sowie der E-Scooter-Anbieter Tier Mobility.
Wer sich auf den öffentlichen Seiten von Wunscharbeitgebern ins Gespräch bringen will – und sich an die Netz-Etikette hält –, kann nach Meinung von Jochen Mai kaum etwas falsch machen. Mit einer Ausnahme: „Zu allem etwas zu sagen und nicht konsistent zu sein, geht nicht“, sagt der Karriere-Blogger.
Schritt 3: Dranbleiben und Routine finden
Durchhalten ist angesagt: Um die eigene Marke aufzubauen, hält Mai mindestens drei Blog-Einträge pro Woche am Anfang für wichtig. Ziel sei, ein aussagekräftiges Archiv aufzubauen – bei 100 Einträgen sieht der Karriere-Experte eine kritische Masse erreicht. Anschließend lässt sich etwa nach einem Jahr die Schlagzahl reduzieren auf mindestens einen längeren Beitrag wöchentlich. Das ist wichtig, um von Suchmaschinen gut gefunden zu werden.
Um auf immer neue Themen zu kommen, haben Blogger Strategien entwickelt. Haunschmid rät, sich Gedanken zu Branchen-Trends zu machen. Karriere-Experte Mai etwa zieht Ideen aus internationalen, hauptsächlich englischsprachigen Websites zu seinem Gebiet. Zudem verfolgt er Hashtags bei Twitter.
Bei Zeitproblemen helfen einige Tricks, um beständig mit der eigenen Marke präsent zu sein. Zum Beispiel: ältere Beiträge zu überarbeiten. Wichtig ist hier, das SEO-Ranking nicht zu gefährden – den Eintrag also tatsächlich inhaltlich zu erweitern und nicht nur zu kopieren und erneut zu veröffentlichen. Tech-Blogger Haunschmid empfiehlt bei knappem Zeitbudget, zumindest auf Beiträge anderer zu reagieren und Posts zu teilen – erweitert um eigene Einschätzungen. Sollte der Aufwand gar nicht mehr zu stemmen sein: Pausen etwa auf dem eigenen Blog ankündigen und erklären. So entsteht nicht der Eindruck, nichts mehr zu sagen zu haben.