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Spielt euch frei: Warum Spielen ohne Regeln unseren Geist befreit

Felix Schwenzel weiß, dass Spaß uns auch manipulieren kann. Zeit also, das Heft wieder selbst in die Hand zu ­nehmen – mit freiem Spiel, meint er in seiner Kolumne für Irrelevanz.

Von Felix Schwenzel
3 Min. Lesezeit
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(Foto: Shutterstock / Pipat Yapathanasap)

Ich bin alt und erfahren genug, um zu wissen, dass auch ich manipulierbar bin. Als wir in der Schule Werbung analysiert und über ihre Strategien und Funktionsweisen gesprochen haben, war ich eine Zeit lang überzeugt, dass mich diese paar Wissensbrocken gegen ­Werbebotschaften immunisieren würden. Was natürlich Quatsch ist. Werbung wirkt – und zwar immer an anderen Stellen, als wir anti­zipieren oder zu wissen glauben. Genauso wie Alkohol wirkt: Das Wissen um seine Schädlichkeit macht mich beim Trinken weder zurückhaltender noch nüchterner.

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Natürlich wird auch Spaß zur Manipulation eingesetzt; das wussten schon die römischen Kaiser, die sicher nicht als erste die politische Dimension von ­Spielen (und Brot) erkannten. Auch ich lasse mich gerne auf Spiele ein, hinter denen Profitinteressen, Manipulation oder Aufmerksamkeitslenkung erkennbar sind. So habe ich vor einigen Jahren bei Foursquare mitgemacht und Checkins und ein paar Mayorships gesammelt. Auch auf ­Facebook und Twitter habe ich ein paar Jahre lang bei der Jagd auf Favs und Likes mitgespielt, fand dann aber irgendwann Beschäftigungen, die mich mehr interessierten.

Spielen zur Verhaltensformung wird auch intensiv in der Hundeerziehung eingesetzt. Das ist für Hunde eine gute Nachricht, weil man früher glaubte, (vermeintlichen) Gehorsam am besten über Zwang, Strafe und Dominanz zu erreichen. Gezielt gelenktes Spiel und positive Verstärkung haben die alten Erziehungsmethoden – zumindest bei Hunden – ­mittlerweile weit zurückgedrängt. Und wie man in ­diesem Heft lesen kann, haben ­viele Unter­nehmen erkannt, dass sich ­geschickt gelenktes Spiel und Spaß positiv auf die Unternehmensziele, Werbeerlöse oder das Erreichen von gewünschten Verhaltensweisen auswirken können. Das ist für uns Menschen nicht unbedingt eine gute Nachricht, auch wenn Gamification, ­Nudging, Brot und Spiele sicher angenehmer als Peitsche oder Geheimpolizei sind.

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(Grafik: t3n)

Der Knackpunkt beim Spielen, bei der Unterhaltung und dem Vergnügen ist, dass sie sich relativ schnell abnutzen, und die Ansprüche immer weiter steigen, zumindest wenn man Menschen zum Spielen animieren will (Hunde sind da genügsamer). Irgendwann ist jedes Spiel durchgespielt – und schlecht ­gestaltete und angelegte Spiele spielt sowieso ­keiner ­lange.

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Dass das Volk nach immer neuen Vergnügungsformen giert, bekamen bereits die römischen Kaiser zu spüren. Für ein paar Jahre fand der „Plebs“ ­Gefallen ­daran, dabei zuzusehen, wie ein paar Gladiatoren dazu gezwungen wurden, sich gegenseitig abzustechen oder in der ­Arena ­wilde Tiere zu töten. Aber das reichte relativ schnell nicht mehr. Karl-Wilhelm Weeber schreibt in Panem et Circenses, dass viele Kaiser deshalb darin wetteiferten, „ihre Vorgänger an Pracht, Ausstattung und Häufigkeit der Spiele zu übertrumpfen“.

Beim modernen Kaiser Mark ­Zuckerberg verhält es sich ähnlich: Wenn Facebook nicht ständig konkurrierende Spaß- und Unterhaltungsunternehmen kauft oder deren Konzepte kopiert, wendet sich das ­Publikum ab.

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Sich von organisiertem und auf Profit ausgerichteten Spaß- und Unterhaltungsunternehmen abzuwenden, öffnet aber auch neue Chancen. Überhaupt spielen zu können, ist nämlich eine der großen Stärken der Menschheit. Neben Hunden und einigen Haustieren sind Primaten eine der wenigen Tierarten, die bis ins hohe Alter gerne spielen. Durch Spielen erfahren und eignen wir uns die Welt auch im Erwachsenen­alter an.

Der niederländische Kulturhistoriker Johan Huizinga behauptete schon 1938 in „Homo Ludens“, dass das Spiel neue Welten jenseits der Alltagswelt hervorzubringen vermag, gerade weil es etwas Überflüssiges ist. Spiel, schreibt er, treibe die kulturelle Entwicklung in den unterschiedlichsten Bereichen – von Recht über Wissenschaft bis zu Dichtung und Kunst – voran.

Vorgefertigte Spiele mitzuspielen, sich auf gamifiziertes Gedöns einzu­lassen, hilft sicher beim Verständnis der Welt, aber selbstbestimmtes Spiel nach eigenen Spielregeln schafft potenziell Neues, inspiriert die Kreativität – und wer frei spielt, lernt sich selbst zu mani­pulieren, statt sich nur von anderen lenken zu lassen.

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Denn: Wer nach eigenen Regeln spielt, belohnt sich selbst und ist nicht darauf angewiesen, Belohnungen im Netz oder bei der Arbeit hinterherzuhetzen.

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