- Die Technologie von Upcload: Objekterkennung und Körpervermessung
- Finanzierung und Internationalisierung
- Den richtigen Mitarbeiter finden: Testwoche für Bewerber
- Persönliche Entwicklung: „So viel gelernt wie nie zuvor“
- Virtuelle Umkleidekabine: Die Zukunft des Kleidungskaufs?
- Konkurrenz? „Kein Grund, Schlaf zu verlieren“
Upcload: Die virtuelle Umkleidekabine im Portrait

Ganz anders, als man sich das in der Regel von Berliner Startups vorstellt, sitzt Upcload im Dachgeschoss eines Universitätsgebäudes der Humboldt-Universität zu Berlin. Loft-Atmosphäre fehlt hier ebenso wie eine stylische Inneneinrichtung. Aber gerade deshalb kommt vielleicht noch stärker das Gefühl auf, dass hier was entsteht, dass die komplette Aufmerksamkeit des Teams auf das Produkt gerichtet ist. Und ohnehin trügt der erste Blick: Begibt man sich nämlich durch eine schmale Tür mit Mini-Treppe auf das Dach des Gebäudes, eröffnet sich ein fantastischer Blick auf Berlin: Der Dom lässt grüßen, dahinter der Fernsehturm – ein wunderschönes Panorama, das inspirierend wirkt und Ideen fördert.
Die Technologie von Upcload: Objekterkennung und Körpervermessung
[metabox keyword=“startups“]Ideen haben die Gründer von Upcload nicht wenige. So hat das Berliner Startup ein System entwickelt, mit dem Nutzer per Webcam ihre Körpermaße vermessen können. Das geht komplett vom heimischen Rechner aus – das Vermessen dauert ein paar Minuten, am Ende steht ein Upcload-Account mit hinterlegten Körpergrößen. Wer sich nicht von seiner Webcam kartographieren lassen möchte, kann übrigens einfach seine Körpergröße eingeben. Allerdings ist diese Methode nicht ganz so genau wie das Prozedere mit der Webcam.
Der Vorteil des Upcload-Systems: Online-Shopper, die sich neue Klamotten kaufen möchten und ihre Körpergröße mithilfe der Upcload-Software ermitteln ließen, brauchen keine Befürchtungen zu haben, dass die Kleidung nicht passt. Die Software wählt automatisch die richtige Bekleidungsgröße aus. Voraussetzung ist allerdings, dass der entsprechende Shop das Upcload-System unterstützt. Das System berücksichtigt auch den Umstand, dass Kleidung unterschiedlicher Anbieter jeweils anders ausfällt. Mag der Pullover der Marke A in Größe „L“ beispielsweise perfekt passen, ist die gleiche Größe von Marke B viel zu eng.
In dieser Ungenauigkeit liegt auch die Ursprungsidee begründet: „So etwas hat mich immer extrem genervt. Ich bin geizig und habe gerade als Student deshalb immer Klamotten bei Ebay gekauft. Doch leider musste ich oftmals feststellen, dass die Kleidung nicht passt – also habe ich sie zurückgeschickt“, erklärt Asaf Moses. Der 30-jährige Israeli wollte das unbedingt ändern. Die Idee: eine Art eBay mit Körpermaßen – das Vermessen der Körpermaße sollte ursprünglich nur ein kleines Feature sein. „Wir kamen frisch aus der Uni und hatten von gar nichts eine Ahnung – sowohl was Firmengründung, als auch was die entsprechende Technologie wie beispielsweise Objekterkennung angeht.“
Wir – das ist neben Asaf Moses der 25-jährige Sebastian Schulze. Die beiden haben sich beim Wirtschaftsstudium an der Humboldt-Universität kennen gelernt. Beim ersten Versuch ihrer Ideenumsetzung verrannten sie sich komplett: „Wir haben in den ersten sechs Monaten ein Tool entwickelt, dass einfach nicht funktioniert hat. Wir sind da ein wenig naiv an die Sache herangegangen. Aber diese sechs Monate waren äußerst lehrreich: Wir haben gemerkt, wie komplex ein solches System zur Körpervermessung tatsächlich ist. Uns wurde aber auch bewusst, dass das System – wenn es richtig funktioniert – extrem großen Potenzial hat“, erklärt Asaf.

Mitgründer Asaf Moses und sein Team sind momentan dabei, internationale Partner für Upcload zu finden.
Beim zweiten Versuch holten sich die beiden Gründer deshalb Unterstützung von Experten. Dr. Mor Amitai, früherer CEO des Nasdaq-Unternehmens Compugen und Fachmann für Objekterkennung aus Tel Aviv, entwickelte mit seinem Team den Algorithmus, der heute hinter Upcload steckt. „Die externe Unterstützung war einfach nötig, um das bestmögliche System zu entwickeln. Man muss unheimlich viele Faktoren berücksichtigen, um eine gut funktionierende Körpererfassung zu entwerfen. Auf die ganzen Schwierigkeiten stößt man erst im Laufe der Entwicklung“, so Asaf Moses.
Der komplizierteste Faktor der Systementwicklung sei gewesen, dass es eben nicht nur um Code ging. Entwickelt man moderne Webservices wie Twitter beispielsweise, müsse man gute und kreative Entwickler und Programmierer haben, so Asaf. Beim Upcload-System gehe es aber nicht nur um Programmcode, sondern auch um Menschen mit verschiedensten Proportionen. Dieser Umstand machte die Systementwicklung äußerst komplex. Die Unterstützung durch Amitais Team markierte schließlich den Durchbruch für Upcload.
Finanzierung und Internationalisierung
Seit Ende 2011 ist das Produkt auf dem Markt. Anfangs haben vor allem kleinere Online-Shops Upcload integriert. Im August 2012 konnten die Gründer dann den ersten großen Kunden von ihrem System überzeugen: Otto integrierte Upcload für die Marke „Melrose“. „Das war extrem wichtig für uns, um zu zeigen, dass wir mit unserer Technologie keine Spielerei anbieten, sondern ein ernsthaftes Produkt, das auch von den Großen der Branche ernst genommen und eingesetzt wird“, erklärt Asaf.
Mittlerweile sind die beiden Gründer extrem viel unterwegs, um neue Partnerschaften zu vereinbaren. Einige namhafte Kunden wie The North Face sind dazugekommen, weitere Gespräche laufen. Überhaupt ist die Internationalisierung das aktuell wichtigste Vorhaben der
Berliner. Je mehr Modemarken und Bekleidungsunternehmen Upcload
einsetzen, desto mehr ergebe das System Sinn. Leicht zu verstehen: Weiß der Kunde, dass er mit seinen Upcload-Daten in vielen Shops einkaufen kann, ist die Schwelle, seinen Körper zu vermessen, viel niedriger. Vielkäufer bräuchten sich um Körpergröße beim Klamottenkauf im Netz zukünftig keine Sorgen
mehr zu machen. Sind erstmal genug Anbieter dabei, könnte im Idealfall ein
Selbstläufer draus werden.
„Die Forschungszeit ist vorbei. Wir haben ein Produkt, dass wir jetzt vertreiben müssen und zwar weltweit“, erklärt Asaf. Für eine schnelle „internationale Skalierung“ sei Risikokapital aber unumgänglich. Es sind mehr Ressourcen nötig, um das Produkt zu bewerben und entsprechende Gespräche zu führen. Bisher hat sich aber kein Risikokapitalgeber finden können. „Unser Produkt ist eben sehr komplex, viele Investoren wollen erstmal abwarten und schauen, wie wir uns weiterentwickeln“, schätzt Asaf die Lage ein.
Aktuell steht die Finanzierung des Startups auf drei Säulen. Es gibt private Einzelinvestoren. Zudem hat Upcload die einschlägigen Gründerprogramme anzapfen sowie Preisgelder gewinnen können. Und drittens verdient das Unternehmen bereits Geld – für jede Nutzung des System seitens des Users innerhalb eines Shops erhält Upcload einen kleinen Betrag. Diese Einnahmen reichen allerdings nicht, um Gewinne einzufahren.
Den richtigen Mitarbeiter finden: Testwoche für Bewerber
Mittlerweile sind 19 Mitarbeiter in dem Startup tätig, gesprochen wird meist englisch. Asaf ertappt sich manchmal selbst dabei, wie er zwischen den beiden Sprachen wechselt, einfach auf englisch mit jemandem weiterspricht, obwohl er das Gespräch auf deutsch begann.
Für die Gründer ist es sehr wichtig, ein gutes Betriebsklima zu schaffen. Deshalb wird mittags in der Regel auch gemeinsam gegessen, das Essen wird gestellt. „Wir versuchen, eine Art zweites Zuhause für unsere Mitarbeiter zu schaffen. Klar, dass das nicht in allen Bereichen gelingen kann. Aber wir tun unser Bestes.“

Täglich isst das Upcload-Team gemeinsam zu Mittag. „Gutes Betriebsklima ist uns sehr wichtig“, erklärt Asaf.
Um ein gutes Team zu formen, braucht es eben auch die richtigen Mitarbeiter. Recruiting ist deswegen ein sehr wichtiges Thema bei Upcload – und ein Bereich, bei dem die Gründer im Laufe der Zeit viel gelernt haben. Klassische Bewerbungsgespräche gibt es bei dem Berliner Startup nicht mehr. Vielmehr soll innerhalb einer Testwoche entschieden werden, ob ein Mitarbeiter in das Team passt und den Stellenanforderungen wirklich gerecht wird. „Das kann ich nach einem einstündigen Gespräch einfach nicht entscheiden“, so Asaf.
Zwar zeige ihm ein potenzieller Bewerber manchmal innerhalb von wenigen Minuten, dass er der Richtige ist – beispielsweise, wenn er etwas extrem schnell versteht. Diese Momente vorher abzupassen und zu planen, sei aber kaum möglich. Deshalb habe man sich intern auf einen einwöchigen Bewerbungszeitraum geeinigt.
Persönliche Entwicklung: „So viel gelernt wie nie zuvor“
Gespräche, Kontakte, viel unterwegs sein – die beiden Gründer sind aktuell so beschäftigt, dass sie kaum zu privaten Dingen kommen. Der Aufbau eines Unternehmens kostet einfach viel Zeit. Das sind auch wichtige Learnings: „Schnelle Erfolge wie Instagram sind nicht die Norm. Vielmehr geht es bei Firmengründungen um den kontinuierlichen und langwierigen Prozess des Aufbaus – der eben seine Zeit braucht. Anfangs dachte ich, mit Upcload nach zwölf Monaten durch zu sein, um mich der nächsten Idee widmen zu können. Das war ein Trugschluss.“

Hier wird gecodet: Das System von Upcload wird mit Unterstützung aus Tel Aviv kontinuierlich weiterentwickelt.
Ohne großen Kapitalgeber im Rücken im internationalen Kontext auf Kundenfang zu gehen – und das mit geringen personellen Ressourcen: eine riesige Herausforderung, der sich Upcload da aktuell stellt. Das ist sicher anstrengend. Ob man da nicht auch mal ans Aufgeben denkt oder an den Verkauf? „Du kannst nicht aufhören, wenn du Mitarbeiter hast, für die du verantwortlich bist. Dann musst du einfach weiter machen. Wir bauen hier ein Unternehmen auf, das ist nicht immer einfach.“
Aber es ist mehr als das. Noch nie habe er so viel gelernt wie in der Zeit mit Upcload, erklärt Asaf. Man müsste sich einfach klar machen, was man bisher bereits erreicht habe – auch persönlich. Vor einigen Monaten etwa traf er sich mit einer ehemaligen hochrangigen eBay-Managerin, um abzuwägen, ob sie im Beirat von Upcload tätig werden könnte. Allein dieser Umstand, eine solche hochrangige Person zu treffen, wäre für ihn vor zwei Jahren völlig undenkbar gewesen – und 24 Monate später begegnet er dieser Person auf Augenhöhe. „Und es war auch überhaupt nicht seltsam. Im Gegenteil: Es war für mich plötzlich ein typisches Business-Gespräch, von denen ich unzählige führe. Wenn man sich so etwas vergegenwärtigt, dann sieht man erst, wie viel man bereits erreicht hat“, so Asaf.
Und genau diese positiven Dinge, diese überraschenden Momente treiben Asaf an. Natürlich gibt es immer eine Reihe negativer Punkte, unzählige Gründe, die gegen die Startup-Gründung sprechen, so Asaf. „Aber eigene Ideen auf die Beine zu stellen, ist für mich einfach das Spannendste“, erklärt er. Dafür lohnt auch der enorme Aufwand.“
Einer dieser positiven und überraschenden Entwicklungen war beispielsweise auch, dass die Berufsbekleidungsindustrie ein enormes Interesse an Upcload entwickelt hat. An diesen Bereich der Bekleidungsindustrie haben die Gründer während der Produktentwicklung überhaupt nicht gedacht, dabei erscheint die Verbindung zu Arbeitskleidung nur logisch. Möglichst schnell und unkompliziert die richtige Kleidungsgröße zu finden, erleichtert den Start in den neuen Job. Beim Militär beispielsweise ist ja eine ganze Reihe von Bekleidung nötig, nicht nur eine Garnitur. Per Upcload könnten die Rekruten so schnell und unproblematisch ihre Kleidung erhalten.
Virtuelle Umkleidekabine: Die Zukunft des Kleidungskaufs?
Weltweit werden bisher lediglich sieben Prozent der Bekleidung online gekauft. Diesen Wert möchte Asaf mit Upcload gerne erhöhen. Scheinbar ist er da auf dem richtigen Weg: Erste Datenauswertungen mit ausgewählten Partnern ergeben eine um bis zu 30 Prozent erhöhte Conversion Rate – eine enorme Steigerung. Ob die virtuelle Umkleidekabine, die Upcload in gewisser Weise darstellt, den Einkauf vor Ort in Zukunft obsolet machen wird? Das glaubt Asaf nicht. „Shopping ist ja ein soziales Erlebnis, das mit anderen geteilt wird. Was wir aber machen können, ist, das Shopping zu vereinfachen – auch vor Ort.“
So steht demnächst etwa die Entwicklung einer mobilen Lösung an, mit deren Hilfe man die Körpervermessung auch per Smartphone durchführen kann. Zudem soll es per Smartphone-App möglich sein, Barcodes an Kleidungsstücken – die beispielsweise an Preisschildern angebracht sind – abzuscannen, um so gleich die richtige Größe zu finden. Das würde dann natürlich nur mit Bekleidungsmarken funktionieren, die mit Upcload kooperieren.
Konkurrenz? „Kein Grund, Schlaf zu verlieren“
Sollte das Berliner Startup an frisches Kapital kommen, um das Vermessungssystem weltweit noch stärker vertreiben zu können, sollte es sich als Standard für den Umgang mit Körpergrößen im E-Fashion-Bereich etablieren – dann hätten die Berliner in der Tat etwas Großes geschaffen. Kein anderes Unternehmen aus dem Bereich bietet bisher ein solch ausgefeiltes System zur Körpervermessung an. Es gebe aktuell zwar diverse Versuche, die Technologie von Upcload zu kopieren. Das sei aber aufgrund der Komplexität des Produkts nur schwer möglich. Zudem gehe es nicht nur um den technisch komplexen Algorithmus, sondern auch um das Kontakt-Netzwerk, das nötig ist, um das Produkt weltweit zu vertreiben und auch stetig weiterzuentwickeln. „Je mehr Daten wir von den Bekleidungsmarken bekommen, desto besser können wir unsere Vermessungstechnologie weiterentwickeln“, so Asaf – und ergänzt: „Es gibt viele Gründe, Schlaf zu verlieren, wenn man so ein Startup aufbaut. Aber Konkurrenz ist wirklich der letzte dafür.“
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