Netzgedanken von Robert Basic: Von Steinen und anderen Hypes
Ähnlich machte es ein kleines Inselvolk vor rund 2.000 Jahren, das heute für seine besonderen Essgewohnheiten bekannt ist. In einem Kreis stellten die Bewohner viele große Steine auf. Auch hier ist der Zweck bis heute nicht klar. Aber das Ergebnis ist so beeindruckend, dass ihm Menschen aus der ganzen Welt Bewunderung entgegenbringen.
Rund 500 Jahre vor Christus kam ein weiteres Volk an einem ganz anderen Ende dieser Welt erneut auf die Idee, viele Steine aufeinanderzulegen, um sich gegen andere Völker zu schützen. So richtig gut hat das nicht funktioniert, aber immerhin war es ein Ausdruck der Macht und Größe des Volks. Und immer wieder wird betont, dass es das einzige Bauwerk auf Erden sei, das man aus dem Weltraum erblicken könne. Als spiele das eine Rolle, aber das tut es offensichtlich.
Knapp 80 Jahre vor Christus kam ein weiteres Volk auf die Idee – wer hätte das gedacht – viele Steine in einem sehr großen Kreis zu stapeln. Diesmal ging es um des Volkes liebste Beschäftigung: zuschauen, wie sich andere Menschen die Birnen einschlagen. An diesem blutigen Schauspiel ergötzte man sich rund 400 Jahre lang. Bis jemand feststellte, dass der Steinhaufen nicht die Ideen der Zivilisation verkörperte. So blieben die Zuschauer weg und man schlug sich außerhalb des Steinkreises die Köpfe ein.
Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen, doch halten wir fest: Menschen streben danach, Steine aufeinanderzustapeln. Und das über tausende Jahre hinweg. Dabei tun es keine kleinen Haufen, groß müssen sie sein. Über Sinn oder Unsinn lässt sich vorzüglich streiten, beeindruckend findet die Steinhaufen trotzdem fast jeder.
Nur stellt sich eine ganz große Frage: Wie konnten all diese Völker auf ein und dieselbe Idee kommen, ohne dass sie sich über E-Mail, Fax, Telefon, Fernsehen, Handy, SMS, Foren, Chats, Social Networks oder Twitter austauschen konnten? Wer war also für diesen Hype verantwortlich?
Amazon mit seinen Hinweisen à la „Andere Völker bauten auch…“ kann es nicht gewesen sein. Auch Voting-Systeme, die einen mit „2.340 Nutzer haben die Cheops-Pyramiden gediggt“ informieren, gab es noch nicht. Ebenso wenig gab es Flickr und YouTube, um dem Ganzen eine bildliche Form zu verleihen. Oder Blogs, um CopyCats zu informieren und Nachbauten erschaffen zu lassen. Und auch den allerletzten Schrei, Twitter, mit seiner zentralen Frage „Welchen Steinhaufen baust Du gerade?“ gab es noch nicht.
Twitter ist nur ein weiterer Steinhaufen
Obwohl wir Menschen seit Jahrtausenden all diese interessanten Steinhaufen gestapelt haben und im Grunde genommen die aberwitzigsten Ideen dahinter stehen, wundern wir uns immer noch über Twitter und andere Neuheiten, die das Internet produziert. Das mag daran liegen, dass man – wie bei den Steinhaufen – nicht genau erklären kann, was Twitter ist und wozu es gut sein soll. Einige Twitter-Nutzer haben sich versucht:
- Dialog oder Diarrhoe, ich finde das manchmal schwer zu unterscheiden bei Zwitscher. (kojote)
- Twitter existiert weitestgehend nur für sich selbst. (dasistdasende)
- it’s all about egotainment (PickiHH)
- Twitter ist der IRC für Menschen die nicht wissen was IRC ist … (jalogisch)
- Twitter=beer garden (not just about the beer) (menotti)
- Woher soll ich wissen was ich denke, wenn ich noch nicht gelesen habe was ich twitterte? (Thomas)
- Die Natur eines Twitteratis ist durch die Interpunktionen der Tweets seitens der eigenen Follower bedingt. (enypsilon)
- Twittern ist nicht Sinn, twittern ist Sein. Wenn sich aus dem Sein ein Sinn ergibt gut. Wenn bleibt das Sein. (Jochen_Hoff)
Vielleicht reicht es ja, wenn man virtuelle Steinhaufen erbauen lässt, damit all die Menschen da draußen an diesen angeblich neumodischen „Netzschnickschnack“ glauben. Ohne das Stapeln von Steinhaufen scheint es nicht zu gehen, oder etwa doch? Man muss nur fest daran glauben, dann geht es auch ohne Steine.