Die Streaming-Apps Periscope und Meerkat im Unternehmenseinsatz
Spätestens seit YouTube gilt: Video-Content kann auch mal spontan und wacklig sein – wenn er authentisch ist. Die idealen Voraussetzungen für den Hype ums Livestreaming. Die Live-Übertragung per Video ist zwar keine Neuheit: Tatsächlich bot das US-amerikanische Unternehmen UStream bereits 2007 Live-Video-Funktionalitäten an. Neu sind vor allem die einfache Nutzung per Smartphone und die enge Verzahnung mit Twitter.
Meerkat kam im Februar 2015 auf den Markt und verzeichnete nach der Technologiekonferenz South by Southwest (SXSW) einen rasanten Popularitätsanstieg. Doch schon im März launchte Twitter seine eigene Livestreaming-App Periscope, die das Unternehmen kurz zuvor für rund 100 Millionen US-Dollar gekauft hatte. Gleichzeitig verwehrte Twitter den Machern von Meerkat den Zugriff auf einen großen Teil der Social-Graph-Funktionalität. Seitdem versucht die App mit den Erdmännchen als Namensgeber in Sachen Social Web auf eigenen Beinen zu stehen.
Live-Video: Vom Early Adopter zum Mainstream
Welche Wirkung das App-Livestreaming mittlerweile hat, zeigte sich beim Kampf der beiden Boxer Mayweather und Pacquiao: Eigentlich konnten Fans den „Jahrhundertkampf“ nur gegen die Gebühr von rund 100 US-Dollar per Pay-TV sehen. Doch Zuschauer filmten den Kampf kurzerhand einfach mit ihrem Smartphone vom Fernseher ab und streamten ihn per Periscope live.
Der App bescherte dies eine enorme Reichweite – immerhin konnten von rund drei Millionen Pay-TV-Kunden viele aufgrund technischer Probleme die Übertragung nicht abrufen und nutzten daher notgedrungen den Periscope-Stream. Für den damals noch amtierenden Twitter-CEO Dick Costolo war es ein Glücksfall, das Periscope kurz nach seinem Launch solch einen Medienrummel verursachte und twitterte prompt: „And the winner is…@Periscope“.
Selbstverständlich begehen Nutzer eine Urheberrechtsverletzung, wenn sie Material live streamen, dessen Urheber sie nicht sind – etwa die der oben genannten Pay-TV-Ausstrahlung. Hier greift das Senderecht. Doch zeigt das Beispiel, wie schnell Publishing-Konzepte veralten und neue Broadcasting-Möglichkeiten zum normalen Alltag vieler Menschen werden können.
Und so nutzen bereits einige Journalisten Periscope dazu, um mit Menschen live zu Ereignissen wie der kurz bevorstehenden Geburt des königlich-britischen Babies oder während der Proteste gegen die Polizei in Baltimore zu sprechen. Kein Wunder, dass auch die ersten Celebrities das Medium für sich entdeckt haben: Madonna, Arnold Schwarzenegger und natürlich Ashton Kutcher sind bereits dabei.
Vielfältige Einsatzszenarien für Unternehmen
Die Rezeption von Nachrichten und Informationen verändert sich damit rasant. Marken und Unternehmen sollten die neuen Erwartungen ihrer Kunden aufgreifen. Zumal ihnen Livestreaming klare Vorteile bietet – wenn sie es richtig einsetzen. Ob Presse-Event, Produktvorstellung, How-tos oder Entertainment: Unternehmen können ihren Kunden, Partnern und Influencern weltweit zeitgleich dieselben Informationen und Ereignisse liefern – und das authentisch, spontan, emotional, zum Greifen nah. Die Zuschauer können darüber hinaus per Periscope oder Meerkat direkt mit den Moderatoren kommunizieren: Sie können beispielsweise direkt Nachrichten in den Chat schreiben.
Dazu kommt, dass die Apps kostenlos und der Produktionsaufwand für die Echtzeitkommunikation gering sind. Einmal aufgenommen können die Unternehmen die Streams zudem auch noch auf den Unternehmensseiten oder für Marketing-Maßnahmen über Kanäle wie Youtube oder Facebook verwenden. Denn sowohl Meerkat als auch Periscope bieten die Möglichkeit, die per App gestreamten Videos zu speichern.
Adidas: Vertragsunterzeichnung live im Netz
Viele Unternehmen und Marken haben die Vorteile der Livestreams für ihre Kommunikation auch bereits erkannt: Marken wie Mountain Dew, Red Bull, DKNY und viele mehr setzen Periscope bereits ein. Ein besonders gutes Beispiel lieferte Adidas, das mit der App die Vertragsunterzeichnung des Fußballspielers James Rodriguez live übertrug – ein hoch emotionaler Moment, bei dem Kunden sonst nicht dabei sein können. Auch Spotify zeigte, wie sich Periscope sinnvoll einsetzen lässt und sendete mit der App Behind-the-Scene-Livestreams mit dem irischen Folksängers Conor O’Brien.
Daneben ist Livestreaming ideal für die Kundenbetreuung und -information: Das können How-to-Livestreams sein – etwa um zu erklären, wie das neue Navigationssystem eines Automobilherstellers funktioniert – oder auch Echtzeitübertragungen von Produktveröffentlichungen und -Reviews sowie Unboxing-Livestreams von Kunden.
Besonders für das produzierende Gewerbe wird Livestreaming ein wichtiges Thema werden. Die Behauptung, dass in den kommenden Monaten und Jahren immer mehr Unternehmen Livestreaming fest in ihre Kundenservice-Strategie integrieren, ist gar nicht so abwegig. Auch die Befragung von Fokus-Gruppen per Periscope ist ein denkbares Einsatzgebiet.
Anwendungsmöglichkeiten für Livestreaming |
Die Echtzeitübertragung von Ereignissen ist für die Marken- und Unternehmenskommunikation in vielerlei Hinsicht möglich und sinnvoll. Hier einige Ideen:
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Media und Employer Branding: 24 Stunden Live-Sonnenuntergang
Nicht nur im B2C-Bereich, auch in der Kommunikation mit Medien und Mitarbeitern kann Livestreaming ein wirkungsvolles Medium sein. Der Bundesligaverein Schalke 04 war hier Vorreiter und übertrug seine gesamte Pressekonferenz inklusive anschließender Fragen-und-Antworten-Runde live via Periscope.
Auch beim Employer Branding kann Livestreaming ein wichtiger Bestandteil sein. Im Mai 2015 nutzte der Social-Dashboard-Anbieter Hootsuite beispielsweise Periscope für diverse Kampagnen. Eine davon hieß #Followthesun: Hootsuite-Angestellte erzeugten gemeinsam einen 24-stündigen Sonnenuntergangs-Stream aus Hootsuite-Offices rund um die Welt. Das Ergebnis: 218 neue Periscope-Follower, 5.078 Live-Zuschauer und 11.412 Hearts und Likes.
Livestreaming: So einfach funktioniert’s
So schön und einfach das alles klingt – für eine praktische Anwendung von Livestreaming ist etwas Vorarbeit erforderlich. Eine Woche vor dem Event sollte ein Unternehmen mit Ankündigungen Spannung aufbauen und einen Bezug zu aktuellen Ereignissen herstellen.
Am Tag des Events sollte neben dem Livestream auch die Interaktion mit Zuschauern organisiert sein, um so Beziehungen aufzubauen und gegebenenfalls Standpunkte klarstellen zu können. Nach dem Event sollte das Unternehmen das Livestreaming noch einmal zusammenfassen, archivieren und natürlich die Konversation mit seinen Zuschauern weiterführen.
Checkliste für das Livestreaming |
Auch wenn die Bedienung von Meerkat oder Periscope denkbar einfach ist – damit ein Livestream wirklich zum Erfolg wird, sollten Unternehmen einige Dinge beachten:
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Die Produktion der Livestreams ist hingegen denkbar schnell und einfach: Nachdem die App auf einem Smartphone installiert und gestartet ist, umschreiben Unternehmen ihr Thema in Form eines kurzen Erklärungstextes. Dann können sie den Livestream aktivieren und los geht es! Per Twitter erhalten alle Follower die Information, dass das Unternehmen nun live streamt, klinken sich ein und können dann auch „mit-twittern“.
Von der Funktionalität her nehmen sich die beiden Apps nicht viel. Periscope hat im Vergleich zu Meerkat jedoch einige zusätzlich Funktionen, was die Anbindung an Twitter betrifft, und ist etwas verbreiteter.
Fazit: Markenbildung per Livestreaming
Livestreaming ist eine Gelegenheit, um eine Marke mit Real-Time-Momenten zu verknüpfen, die durch ihren viralen Charakter eine außerordentliche Reichweite erreichen können. Dazu müssen die Unternehmen jedoch den Kontext verstehen, in dem ihre Zielgruppe lebt und sich entwickelt. Einfacher gesagt: Unternehmen müssen zum richtigen Zeitpunkt präsent sein – sonst verpassen sie den magischen Moment! Dann jedoch ist Livestreaming auch ein gutes Instrument, um die Erwartungen und Interessen bestehender und künftiger Kunden genauer kennenzulernen.
Genauso wichtig ist es, dass die Ziele klar sind, die ein Unternehmen per Livestreaming erreichen will: Branding, Customer Care, Produktinformationen oder Employer Branding? Wenn die Rahmenbedingungen geklärt sind, steht der Markenbildung per Live-Video nichts mehr im Weg.