Teil 1: Symbiose mit großen Ökosystemen: Quo vadis WWW? Die Zukunft des Internet
Auf Bildern der 1970er Jahre ist ein langhaariger Steve Jobs zu sehen, der gemeinsam mit seinem genial-kreativen Denker Steven „Woz“ Wozniak ein paar von Holzplatten ummantelte Platinen in den Händen hält, die den ersten Personal-Computer aus dem Hause Apple darstellen. Ähnlich sieht es mit den Lochkartenbändern aus, mit denen Bill Gates die Bühne des Computerbusiness betreten hat. Mit der Entwicklung der IT und des Internet ist es ein bisschen wie mit der Metapher vom Menschen und der Briefmarke.
Bits und Bytes in den Kinderschuhen
Sieht man die Erdgeschichte symbolisiert durch das Empire State Building, entspricht die Zeit, in der sich die Menschheit auf dem Planeten befindet, der Dicke einer Briefmarke. Ganz so krass ist es mit der Computertechnologie nicht und doch ist die Entwicklung der Bits und Bytes im Vergleich zur industriellen Revolution blitzschnell vorangeschritten. Seit Zuses ersten Gedanken zum Computer hat sich in sehr kurzer Zeit ungemein viel getan – und dies nicht nur auf dem Hardware- und Software-Markt, sondern eben auch im Internet.
So wie die frühen Tage von Apple und Microsoft gar nicht so weit in der Vergangenheit liegen, hat auch das Internet Player hervorgebracht, die das Netz zwar dominieren, eigentlich aber noch in den Kinderschuhen stecken. Amazon (sechzehn Jahre jung) und Google (zwölf Jahre jung) wirken im Vergleich zu Facebook (fünf Jahre jung) oder Twitter (vier Jahre jung) schon alt. Alle diese Dienste repärsentieren dominante Trafficmagneten, die wie selbstverständlich Fuß gefasst haben.
Vor allem hat sich mit dem Aufkommen immer neuer Akteure das Bild des Internets radikal verändert: In der Frühzeit des Webs dominierten Dienste wie Amazon oder eBay das Geschehen, die eigentlich nur Plattformen zum Erwerb von realen Produkten bereitstellten, jedoch keine wirklichen Inhalte schufen. In den Anfangstagen prasselte der Geldregen direkt auf diese Firmen nieder, die lediglich für Trafficaufkommen und entsprechende Abschlüsse sorgen mussten. Diese Seiten machten zu Beginn des Webbooms noch rund 70 Prozent ihrer Umsätze on-site, das heißt auf der Plattform selbst – ein Umstand, der sich derzeit radikal ändert und noch weiter wandeln wird.
Monetarisierung im Internet heute und in Zukunft
Unter dem Stichwort “User-generated-Content” (UGC) ist der Nutzer mittlerweile häufig proaktiv in den Schaffungsprozess integriert. Er konsumiert nicht mehr ausschließlich, sondern gestaltet über Seiten wie Youtube, Slide.com oder Flickr Inhalte mit. Die Leistung solcher Webseiten liegt in der Bereitstellung von Content, während das Web 1.0 in Form von Amazon und Co nur Prozesse zur Verfügung stellte. Soziale Netzwerke wie Twitter, MySpace, die VZ-Gruppe oder Facebook machen den Nutzer gar zum Zentrum ihres Geschäftsmodells. Er wird Content-Lieferant und -Konsument in einer Person, wodurch das entsprechende Netzwerk zu einem eigenen abgeschlossenen Ökosystem wird. Die globale Community trifft sich in kleinem Rahmen und Inhalte können geteilt und eingebunden werden.
Auch Google funktioniert gemäß dieser Logik als ein Ökosystem, jedoch als eines, das selbst keine Inhalte entwickelt (zumindest mit seiner Kernfunktion) und auch keine so hohe Verweildauer wie etwa MySpace bietet. Google ist ein großer Aggregator, dessen Reichweite und Dienstevielfalt ihn zu einem Ökosystem machen.
Die Angliederung an Ökosysteme dürfte in Zukunft an Bedeutung gewinnen: Es kommt zur Outcome-Generierung durch Symbiose mit größeren Ökosystemen – etwas abfälliger könnte auch von einem Parasitentum gesprochen werden. Denn: Für Marktteilnehmer jenseits dieser Ökosysteme wird es zunehmend schwieriger, an den Endnutzer heran zu kommen. Es entwickelt sich eine Metaebene (Facebook und Co.) zwischen dem User und dem finalen Anbieter (zum Beispiel E-Commerce-Seiten), die nur auf Basis gewisser Interaktionsmodi durchbrochen werden kann.
Widgets, Apps und APIs als mögliche Gateways
Ein Beispiel für einen solchen Interaktionsmodus macht sich heute bereits als Trend bemerkbar: Widgets und Apps. Allein Social-Games-Hersteller wie das US-amerikanische Zynga bringen es durch die Einbindung kleiner Spiele-Applikationen in Facebook laut AppData (Stand Januar 2010) zu einer monatlichen Reichweite von 227 Millionen aktiven Nutzern. Auch in Deutschland entwickelt sich dieser Markt zusehends und brachte bisher Unternehmen wie MegaZebra, Wooga oder Plinga hervor.
Andere Wege zur Symbiose mit Ökosystemen wie Facebook oder MySpace sind APIs, also Programmierschnittstellen, mittels derer die Nutzerschaft des Ökosystems durch die inhaltliche Anbindung an externe Systeme erschlossen werden kann. Dies wird sich auch merklich auf konsumorientierte Websites wie Amazon niederschlagen: Die 70/30-Ratio des On-site-Handels könnte zukünftig einer 10/90-Aufteilung weichen, wie sie bei Slide.com etwa bereits zu beobachten ist. Dann werden 90 Prozent des Handels gar nicht mehr auf den eigentlichen Seiten, sondern off-site (bei Facebook, MySpace etc.) stattfinden. Warum? Diese Websites weisen als eigene Ökosysteme eine sehr hohe Verweildauer der Nutzer auf, die in einem einheitlichen Kontext, dem sie sich freiwillig jeden Tag aussetzen, adressiert werden können. Es ist davon auszugehen, dass diese Interaktion zwischen Ökosystem und Endseite langfristig einer Art „Steuer“ für die jeweiligen Ökosysteme unterliegen dürfte. Wer würde seine Reichweite schließlich kostenlos teilen, wenn die eigene Wachstumsphase erst einmal beendet ist? Über eine Kooperation mit PayPal hat beispielsweise Facebook bereits eine eigene Webwährung eingeführt, während mit Buxter aus dem Hause ClickandBuy jüngst auch eine entsprechende App zum Übertragen von Geld via Facebook an den Start gegangen ist. Wie sich das Verhältnis zwischen Ökosystemen und den gewinnorientierten Webseiten weiter entwickeln wird, dürfte also zu den spannenden Themen der weiteren Entwicklung des Internets gehören. Wer weiß, vielleicht schmunzeln schon unsere Kinder, wenn sie Fotos von Mark Zuckerberg und seiner Plattform sehen…