Teil 2 – Spezialisierung ist der Schlüssel: Quo vadis WWW? Die Zukunft des Internet
War ein Konzern zur Anfangszeit des Webs noch gut aufgestellt, wenn er einen Onlineshop oder auch nur eine Internetpräsenz an den Start gebracht hatte, reichen solche Maßnahmen heute längst nicht mehr aus. Das Web ist spezialisierter geworden und wird sich noch wesentlich weiter ausdifferenzieren.
Symptome der Ausdifferenzierung
Für diese Ausdifferenzierungen lassen sich verschiedene Symptome ausmachen: das Buchen bestimmter Keywords bei Google über Suchmaschinenmarketing hat sich merklich verteuert, zumal sich der Markt verdichtet hat. Suchmaschinenoptimierung ist kein Nice-to-have mehr, sondern ein Must-have, so dass die großen Player bestimmte Schlüsselwörter derart überstrapazieren, dass eine Optimierung darauf aussichtslos scheint. Im Affiliate-Marketing wächst die Herausforderung, sich in einem Partnerprogramm von der Konkurrenz abzusetzen, wenn es in einem Netzwerk bereits viele ähnliche Programme gibt. Überhaupt haben sich unterschiedliche Agenturen inzwischen auf jeden dieser Bereiche spezialisiert – eine All-in-One-Lösung existiert vor allem inhouse praktisch nicht mehr in ähnlicher Performancestärke.
Die aufkommende bundesrechtliche Diskussion um Google Analytics und Markenschutz bei Adwords zeigt beispielhaft eine zunehmende Reglementierung der wesentlichen Bereiche im Web. Fazit: Die Goldgräberzeiten des Internets sind vorbei. Viele Claims sind erfolgreich abgesteckt, während andere auf der Suche nach Online-Gold gescheitert sind. Insgesamt bietet der Onlinemarkt in Deutschland nach wie vor viele Chancen, doch bedarf es mittlerweile ausgefeilterer Geschäftsmodelle und -ideen. Sehr anschauliche Beispiele für diesen Trend liefert der große Bereich des E-Commerce.
Mut zur Nische
„Longtail“ ist eines der Stichworte, das in diesen Zeiten wieder vermehrt in den Vordergrund rückt. Jene Theorie also, die besagt, dass im Internet Nischenprodukte statt Massenmärkte Profit versprechen. Beispielhaft für eine derartige Gründung aus der jüngeren Vergangeheit ist Stephan Uhrenbachers Avocado Store. In seinem Onlineshop verkauft der Qype-Gründer gemeinsam mit Philipp Gloeckler Produkte, die strengen Nachhaltigkeitskriterien wie „CO₂-sparend“, „ressourcenschonend“, „schadstoffreduziert hergestellt“ oder „fair und sozial“ genügen müssen. Der Vorteil: Nicht nur, dass wenige bis keine derartig spezialisierte Konkurrenten am Markt agieren – die Zielgruppe ist klar umrissen und das zugehörige Onlinemarketing-Segment noch nicht allzu bevölkert.
Doch nicht nur auf der konzeptuellen Ebene spielt der Longtail eine Rolle. Auch das Tagesgeschäft profitiert von spezialisierten Geschäftsansätzen. So ist es für einen Online-Schuhversand wie Zalando etwa zum Teil rentabler bei Adwords die Kombination „Adidas Schuh Samba weiß Größe 42“ zu buchen, als einen eher generischen Begriff, weil diese Kombination zwar seltener gesucht wird, jedoch eine höhere Conversionrate erwarten lässt. Inhaltliche Spezialisierungen im Sinne des Longtails stellen also einen Trend dar, der sich noch weiter intensivieren dürfte.
Neue Lösungen für dynamischen Verkauf
Während die Marktteilnehmer Inhalt und Alltagsgeschäft spezialisieren, feilen sie natürlich auch an den Geschäftsmodellen selbst. Zu den Weiterentwicklungen des klassischen Onlinehandels gehören hier etwa Liveshopping-Ansätze: E-Commerce-Systeme, bei denen ein einziges Produkt für kurze Zeit besonders günstig angeboten und ein entsprechender Kaufdruck aufgebaut wird.
Experten wie Jochen Krisch von Exciting Commerce rechnen gar mit einer neuen Generation von hochgradig spezialisierten Shoppingsystemen, die diese neuen Geschäftsmodelle besser abbilden. Dazu zählen neue Systemlösungen wie die der Open-Source-Initiative VibrantOS. Zwar noch in einem sehr frühen Entwicklungsstadium, soll VibrantOS das spezialisierte Anforderungsprofil dynamischer Verkaufsmodelle besser bedienen. Außerdem soll es eine einfache und effektive Planung und Steuerung schnell wechselnder Produkte mit Kommunikations- und Interaktions-Elementen ermöglichen. Ein paar Beispiele machen deutlich, wie solche Spezialisierungen des Geschäftsmodells funktionieren:
Entertainment-Shopping |
Swoopo ist eines der Ur-Beispiele für Aktionsdruck beim Shopping. Das Unternehmen aus Bayern regt Nutzer an, Gebote zu kaufen, die sie anschließend auf mit einem Countdown versehene Auktionen setzen können. Mit jedem abgegebenen Gebot steigen Countdown und Preis. Ist der Countdown abgelaufen, erhält der Nutzer, der zuletzt geboten hat, das Produkt. Der Trick: durch viele Bieter entstehen hohe Gesamtsummen und die Steigerung des Preises ist geringer als die Kosten für die jeweiligen Gebote. Die Tatsache, dass Swoopo binnen kurzer Zeit bereits seinen dritten CEO eingesetzt hat und mit DealStreet bereits ein entsprechender Klon Pleite gegangen ist, verdeutlicht jedoch, dass es mit dem Besetzen einer Nische nicht immer getan ist. |
Lokales Liveshopping |
CityDeal und DailyDeal beherrschen seit Anfang des Jahres die deutschen Online-Schlagzeilen. Die Plattformen bieten in Anlehnung an das amerikanische Vorbild Groupon (von „Coupon und „Group“) täglich regionale Angebote, die günstig verschiedene Inhalte wie Restaurantbesuche, Massagen oder Shopping anbieten, sofern sich dafür eine bestimmte Mindestanzahl an Nutzern findet. |
Shoppingclubs |
Vente-Privée und Brands4Friends zählen zu den großen Namen in diesem Segment, welches das Prinzip der geschlossenen Gesellschaften und exklusiven Clubs mit günstigen Marken-Outlet-Waren verbindet. Marken können so ihre auslaufenden Kollektionen verkaufen und der Shoppingclub fährt große Umsätze ein, weil er zum Teil auf ein großes Lager verzichtet. |
Fazit
Spezialisierungen sind auf vielen Ebenen des Unternehmertums im Internet relevant geworden und dürften auch künftig ausschlaggebend für den Erfolg sein. Egal ob mit Blick auf das eigene Geschäftsmodell, die Themeninhalte oder das Tagesgeschäft – Spezialisierungen bilden schon heute eine wichtige Komponente neuer Gründungen. Zentral ist nach wie vor das Entwickeln eines gelungenen Geschäftsmodells, wofür man mittlerweile den ausgetretenen Trampelpfad des Mainstreams immer weiter verlassen muss, um dauerhaft profitabel zu sein – hier unterscheidet sich das Internet kaum von anderen Branchen.