Raus aus dem Büro: Die besten Praxistipps für Digitalnomaden

(Foto: benicce / Photocase)
Die Kinder schlafen, Regentropfen prasseln auf das Wohnwagendach, leises Tastaturgeklapper erfüllt den Raum. Gerade bin ich dabei, die Erlebnisse unseres heutigen Reisetags in unserem Blog zu verewigen, während mein Mann an einem Web-Projekt bastelt – da fällt auf einmal das WLAN aus. Und unsere französische SIM-Karte hat mal wieder nur einen Balken.
Funkloch – ein typisches Problem für alle, die auf Reisen arbeiten. Und dabei hatten wir alles so genau geplant: Als Freiberuflerpaar und Eltern von Zwillingen im Kindergartenalter gab es für uns eigentlich keinen Grund, warum wir nicht von überall aus arbeiten können sollten. Im kalten Berliner Winter reifte der Traum, dem Frühling entgegenzufahren und unsere Arbeit unterwegs zu erledigen. Wir schafften uns einen alten Wohnwagen an und starteten ins Abenteuer.

Welches Fortbewegungsmittel passt? Mit dem Wohnwagen hat man sein Zuhause dabei und relativ viel Platz. Mit Rucksack und Flugzeug kommt man weiter weg, kann aber nicht so viel mitnehmen. (Foto: Anja Braun)
Strandbar statt Großraumbüro
Als Digitalnomade reisend zu arbeiten findet immer mehr Anhänger: Gleichgesinnte tauschen sich in der gleichnamigen Facebook-Gruppe aus oder vernetzen sich im „Dynamite Circle“ für Unternehmer. Und egal, ob es sich um ein Sommerprojekt, ein Sabbatical oder einen dauerhaften, ortsunabhängigen Lebensstil handelt – es klingt verlockend: mit Laptop im Liegestuhl, die Füße im Sand, das blaue Meer am Horizont.
Dennoch: Für Work-and-Travel muss man der richtige Typ sein. Das Herumreisen erfordert gute Planung und Organisation, wenn man es richtig auskosten will. Das beginnt bei der Frage nach Zeit und Umfang der Reise – nicht jeder ist schließlich Telearbeiter und kann sein Homeoffice einfach an den Palmenstrand verlegen. Doch auch für Angestellte mit Präsenzpflicht gibt es Möglichkeiten: Vielleicht steht ja ein Projekt an, das viel Zeit und konzentriertes Arbeiten verlangt, aber mit wenig Teamwork und Meetings einhergeht?
Auch angesparte Überstunden und Urlaubstage können helfen, den Traum zu verwirklichen – zumindest für einen begrenzten Zeitraum. Klar im Vorteil sind alle, die ihr eigenes Business betreiben oder als Freelancer arbeiten. Sie haben den größten Freiraum bei der Selbstorganisation – müssen sich aber auch darüber im Klaren sein, dass ein Einbrechen der Arbeitsdisziplin, wie es in der Übergangsphase oft vorkommt, direkte Folgen für das Bankkonto hat. Wer gewohnt ist, dass Kollegen und Vorgesetzte ihm im Nacken sitzen oder wer sich schnell ablenken lässt, wird sich umstellen müssen.
Digitalnomaden im Beta-Stadium
Bevor man sich also ins ganz große Abenteuer stürzt, Wohnung und Job kündigt und auf ungewisse Zeit aufbricht, sollte man testen, ob man überhaupt der Nomadentyp ist: Wir konnten das nach unserem sechswöchigen Trip eindeutig mit ja beantworten. Bis wir unseren individuellen Reise-Arbeits-Rhythmus fanden, dauerte es aber eine Weile – zum Glück hatten wir dafür finanzielle Reserven eingeplant. Die ersten Wochen fühlten sich noch an wie ein ganz normaler Urlaub, gleichzeitig kosteten organisatorische Dinge wie Quartiersuche, Auf- und Abbauen, Einkaufen und Kochen enorm viel Zeit.
Erst nach ein paar Wochen kristallisierten sich die für uns optimalen Abläufe heraus. Und so richtig angekommen im Nomaden-Dasein sind wir schließlich, als wir uns eigentlich schon langsam auf der Rückreise befanden. Wer dieses „Ankommen“ auch noch nach ein bis zwei Monaten nicht verspürt, sollte sich vielleicht lieber einen anderen Arbeitstraum suchen.
Wohnsitz, Versicherungen, Telefon, Steuern und Post
Wer nun jedoch Blut geleckt hat und schon weiß, wie er unterwegs seinen Lebensunterhalt bestreiten kann, sollte sich um die organisatorischen Dinge kümmern, die für ein längeres Unterwegssein notwendig sind. Ein wichtiger Punkt dabei ist die medizinische Versorgung, denn die gesetzliche Krankenversicherung zahlt nur bei begrenzten Auslandsaufenthalten von sechs bis acht Wochen – und auch das nur innerhalb Europas.
Mit der üblichen Auslandskrankenversicherung lassen sich nur Reisen bis zu einem Jahr abdecken, hilfreicher ist eine spezielle Langzeit Reisekrankenversicherung (siehe Tabelle „Dienstleister und Anlaufstellen für Digitalnomaden“). Gegen eine monatliche Gebühr lässt sich die deutsche Krankenversicherung für den Reisezeitraum auf Anwartschaft stellen. Nach der Rückkehr kann man dann einfach wieder eintreten, zu den gleichen Konditionen und ohne Wartezeit für notwendige medizinische Behandlungen.
Auch die Frage des Wohnsitzes sollten Digitalnomaden vor ihrer Reise beantworten. Wer seine Wohnung nicht behalten oder untervermieten will, muss sich woanders anmelden. Der Klassiker ist hier der Wohnsitz der Eltern. Normalerweise ist das auch die Adresse, an die wichtige Post – etwa von Behörden – geht. Es gibt aber auch Dienstleister, die Papierpost scannen, per Mail zustellen und die Originale aufheben. Um unter einer Inlandsnummer telefonisch erreichbar zu sein, ist eine virtuelle Festnetznummer mit Anrufbeantworter genau das richtige. Die dort hinterlassenen Nachrichten kann man dann von überall aus online abrufen.
Steuern zahlt man übrigens normalerweise weiterhin in Deutschland – ein Gewerbe anderswo anzumelden ist ziemlich kompliziert und verlangt oft eine Mindestaufenthaltsdauer von mehreren Monaten im Jahr. Und das widerspricht dem Grundgedanken des digitalen Nomadentums.
Ich bin dann mal weg
Auftraggebern und Kollegen muss man erklären, dass man nicht etwa in den Urlaub fährt, sondern nur seinen Arbeitsplatz verlagert. Viele verstehen das Konzept des digitalen Nomaden nämlich nicht auf Anhieb. Diese Erfahrung hat die freie Journalistin, Lektorin und Bloggerin Theresa Lachner gemacht, als sie letztes Jahr in vierzehn verschiedenen Ländern unterwegs war und unter anderem für einen Schweizer Reiseverlag recherchierte.
„Mitunter ist es etwas schwer, den Arbeitgebern in Deutschland klar zu machen, wann und wie man erreichbar ist“, erklärt sie. „Ich habe schon öfter E-Mails mit der Einleitung ,Ich will Sie ja nicht im Urlaub stören …‘ bekommen. Das ist lieb gemeint, aber kontraproduktiv – schließlich will ich nicht in Ruhe gelassen werden, sondern ganz normal arbeiten.“
Dienstleister und Anlaufstellen für Digitalnomaden |
Krankenversicherung
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Papierpost-Scanservice
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Virtuelle Festnetznummern mit Anrufbeantworter
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Prepaid Sim-Karten mit Datenvolumen fürs Ausland
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Flugzeug oder Wohnmobil
Wie genau man reist, hängt von den Wünschen und Voraussetzungen ab. Wir wollten unseren Kindern zum Beispiel eine vertraute Umgebung bieten und haben uns deshalb für einen Wohnwagen entschieden, dort ist man auch am wenigsten eingeschränkt beim Gepäck. Weiter und unabhängiger lässt es sich natürlich mit dem Flugzeug reisen – wer dann noch in komplett eingerichteten Unterkünften lebt, kriegt sicher alle notwendigen Dinge in einem Rucksack unter.
In Hostels oder auf Campingplätzen hingegen braucht es schon ein wenig Ausstattung, sodass ein Mietauto oder ein günstiger Gebrauchtwagen, der sich hinterher wieder zu Geld machen lässt, unter Umständen interessant sind. Und es macht unabhängig vom öffentlichen Nahverkehr vor Ort – ist aber natürlich auch ein Kostenfaktor.
Das liebe Geld
Insgesamt braucht man oft viel weniger Geld als manch einer vielleicht denkt, wenn man seine Reiseziele geschickt wählt. „Ich werde oft gefragt, wie ich mir das viele Reisen leisten kann,“ sagt etwa Theresa Lachner, die dann meist zurück fragt: „Wie könnt ihr es euch leisten, daheim zu bleiben? Im Vergleich zu München sind die Lebenshaltungskosten fast überall auf der Welt geringer.“ Trotzdem rät sie, für Notfälle etwas auf der hohen Kante zu haben. Für sie liegt dieses Polster bei fünf- bis zehntausend Euro: Damit reist es sich einfach sorgloser.
Den eigenen Rhythmus finden
Eine Herausforderung für Digitalenomaden ist es, die für sie richtige Balance zwischen Arbeit, Erlebnis und Entspannung zu finden. Es bringt nichts, wenn man Tag für Tag im Internet-Café am Rechner sitzt und keine Zeit für Strand und Sightseeing hat. Genauso wenig ist es sinnvoll, tagsüber mit schlechtem Gewissen sein Reiseprogramm herunterzuspulen, um nachts mit dem Kopf voller Eindrücke zu versuchen, verlorene Arbeitsstunden nachzuholen.
Auch Theresa Lachner empfindet diese Abwägung manchmal als stressig: „Rucksack auf, Rucksack zu, rein in den Flieger, landen, neu ankommen, sich orientieren und Eindrücke verarbeiten – das kostet alles Zeit und Energie, die dann beim Arbeiten fehlt. Ortsunabhängigkeit kann anstrengender sein als ein 9-to-5-Bürojob.“ Bereut hat sie es aber noch nie: „Dafür muss man morgens keinen Wecker stellen, kann zwischendurch in den Pool springen und nach Feierabend in fremde Kulturen eintauchen.“ Ihr Tipp dabei: Slow Travel. „Lieber weniger Orte, dafür länger bleiben“, meint sie.
Wir dagegen haben uns auf unserer Mittelmeer-Tour irgendwann damit abgefunden, dass wir unterwegs viel weniger schaffen konnten als geplant – Kinder, Logistik und nicht zuletzt die oft schlechte Internetverbindung auf den Campingplätzen taten ihr Übriges.

Den richtigen Weg finden: Digitalnomaden müssen für sich herausfinden, was die beste Balance zwischen Reiseorganisation, Sightseeing und Arbeiten ist. Die Journalistin und erfahrene Digtialnomadin Theresa Lachner empfiehlt: Lieber weniger Orte und dafür länger bleiben. (Foto: Anja Braun)
WiFi für alle
Das hatten wir bei unseren minutiösen Vorbereitungen nicht ausreichend bedacht: Die schönsten Campingplätze liegen in unberührter Landschaft, an zerklüfteten Küsten oder in verschwiegenen Bergtälern – mit denkbar schlechtem Netzempfang.
Doch man kann einiges tun, um eine schnelle und stabile Netzanbindung während der Reise zu gewährleisten. Wer sich nicht auf Hotspots verlassen will, kann neben Notebook und Co einen mobilen WLAN-Router ohne SIM-Lock mitnehmen. Hier kommt dann eine Prepaid-SIM-Karte des jeweiligen Landes mit reichlich Datenvolumen rein.
Der Router hat nicht nur eine schnellere Durchsatzrate. Anders als bei einem USB-Surfstick können sich so auch mehrere Geräte die Netzverbindung teilen. Das Gleiche funktioniert mit Handy-Tethering, dann ist man allerdings nicht unter seiner gewohnten Nummer erreichbar, wenn man online geht. Bei immer mehr Mobilfunkanbietern gibt es zudem bezahlbare Auslandstarife – für den gelegentlichen E-Mail-Check und den Austausch von überschaubaren Dateigrößen kann das eine bequeme Lösung sein.
Neben Kopfhörern, Universal-Ladegeräten und Utensilien zur Datensicherung sollten auch Stecker-Adapter, USB-Powerpacks und eventuell ein Kartenleser oder ein optisches Laufwerk zur technischen Ausrüstung gehören.
Was muss mit? |
Was man an technischer Ausrüstung fürs mobile Arbeiten mitnimmt, hängt stark vom Fortbewegungsmittel ab. Mit einem Auto muss man weniger auf Gewicht und Packmaß schauen als mit Rucksack und Flugzeug. Einige Dinge sollten aber auf jeden Fall ins Gepäck:
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Wieder ankommen
Der Traum vom digitalen Nomadentum lässt sich dank moderner Technik und Infrastrukturen auf jeden Fall leben. Viele richten sich ganz nach dieser neuen Freiheit aus. Andere kehren früher oder später wieder in ihr normales Leben zurück. So wie wir. Dann steht man vor seinem früheren Alltag und sieht so manches mit ganz neuen Augen.
Auf uns lastete beispielsweise der ganze Besitz, den wir in unserem Leben angehäuft hatten, ungewohnt schwer: War es nicht in den letzten Wochen auch ohne all diesen Krempel gegangen? Wir haben gelernt, wie ortsunabhängiges Arbeiten auch mit Kindern funktionieren kann und dass so ein unkonventionelles Leben voller neuer Eindrücke unglaublich viel Spaß macht. Vor allem aber hat sich durch unser Work-and-Travel-Abenteuer Arbeit und Leben in ein neues, ein richtigeres Verhältnis gesetzt. Diese Erfahrung begleitet uns auch jetzt noch, in unserem Zuhause.