BarCamp, Web-Montag, Pl0gbar und Lunch 2.0: Unkonferenzen auf dem Vormarsch
Einige führen Liveblogs, andere twittern und wieder andere skypen mit jemandem, der nur wenige Meter entfernt sitzt – schließlich will keiner den Vortrag stören. Dennis Morhardt spricht. Es geht um WordPress MU, also die Multi-User-Verwaltung mit dem Blog-System WordPress. Morhardt und seine Zuhörer sind Teilnehmer der Veranstaltung „WordCamp“, die Ende Januar im Hamburger Design-Marktplatz Stilwerk stattfand, direkt am Fischmarkt. Für ein Wochenende übernahmen Technik-Geeks die Location und veranstalteten ein so genanntes BarCamp.
Das Konzept dieser BarCamps ist simpel und hat trotz des Namens nichts mit Kneipe oder Alkohol zu tun: BarCamps sind Unkonferenzen, die erst durch die Partizipation
der Teilnehmer möglich werden. Alle Teilnehmer eines
BarCamps sind aufgefordert, selbst aktiv zu werden: Jeder kann einen Vortrag halten, zu
Diskussionen anregen oder sich anderweitig beteiligen. Themenwünsche
und Angebote diskutieren die Teilnehmer meist vorab im Internet in einem Wiki. Der
eigentliche Plan entsteht erst direkt zu Beginn der Veranstaltung.
Die Idee stammt, wie so oft, aus den USA. Am 10. Juli 2005 hatten einige Amerikaner auf der Heimfahrt von einer Konferenz im Auto von Ryan King die Idee, auf das von O’Reilly organisierte FooCamp zu reagieren. Tim O’Reilly lädt alljährlich seine Freunde zu einem gemeinsamen Campingwochende und freiem Austausch ein. Der Unterschied zur späteren BarCamp-Idee ist jedoch, dass Tim O’Reilly sich die Leute aussucht und somit eine Teilnahme nur auf Einladung möglich ist. Tantek Çelik, ehemaliger Microsoft- und Technorati-Mitarbeiter, war es, der laut fragte, wieso man nicht ein eigenes, offenes FooCamp veranstalte. Die Idee war geboren.
Die Unkonferenzen finden in der Regel am Wochenende statt, meist gibt es freitags abends eine Eröffnungsparty. Ein BarCamp bringt Leute zusammen, die sich vorher oft nur aus dem Internet kannten und bietet Platz für Themen, die sich hauptsächlich um die neuen Medien, Open-Source-Technologien, Software und soziale Netzwerke im Web drehen.
Dabei ist es einer der Grundgedanken der BarCamps, dass erst vor Ort geklärt wird, welche Themen behandelt und wer wann und in welchem Raum seine Session hält. Das geschieht, indem jeder Vortragende sein Thema an ein Grid pappt, eine Art Matrix, die sämtliche Uhrzeiten und Räume darstellt. Durch Handzeichen wird ermittelt, wie viele der Teilnehmer Interesse an einem Thema haben und entsprechend der Raum vergeben. Passend zur Offenheit des BarCamp-Konzepts ist die Teilnahme für jeden kostenlos, vom Internet-Millionär bis zum Studenten. Die Finanzierung übernehmen Sponsoren, die wichtige Dinge wie die Location oder die Verpflegung der Teilnehmer stellen.
Die Zahl solcher Unkonferenzen nimmt in letzter Zeit auch in Deutschland stark zu. Beinahe bekamen sich die Veranstalter der BarCamps Leipzig und Offenburg in die Haare, weil beide den April als Termin anpeilten. Am Ende wurde doch alles gut: Das BarCamp Leipzig findet am 3. und 4. Mai statt, das BarCamp Offenburg ist für den 26. und 27. April angekündigt. Weitere geplante Unkonferenzen in diesem Jahr sind das BarCamp Ruhr in Essen am 15. und 16. März und das BarCamp Bodensee in Friedrichshafen vom 31. Mai bis 1. Juni. Viele weitere Termine sind bisher grob geplant. Eine sehr gute Übersicht bietet Thomas Gigold von Medienrauschen, der das bereits erwähnte BarCamp in Leizpig betreut [1].
Die Idee dieser Treffen greift inzwischen weiter um sich. Zum einen
gibt es erste spezialisierte Treffen, wie das schon genannte WordCamp oder das TYPO3Camp vom 7. bis 9. März in Hamburg,
zum anderen versuchen sich in Deutschland auch andere an einer
Unkonferenz, die nur am Rande oder gar nichts mit Web-Applikationen,
Open-Source-Software, Social Networks oder Blogs zu tun haben. Ein
Beispiel für solche ThemenCamps: Das EduCamp in Ilmenau, bei dem es um „mediengestütztes
Lernen“ gehen soll. Oder das BibCamp in Berlin, bei dem sich alles um
Bibliotheken drehen wird. Darüber hinaus sind für das noch recht junge Jahr ein iPhoneDevCamp sowie ein PolitCamp geplant.
Dass die BarCamps unterdessen in Bezug auf die Teilnehmerzahl immer größer werden, bereitet manchem zunehmend Bauchschmerzen. Der ursprüngliche Gedanke eines Treffens mit der Möglichkeit zum Austausch und zum Kennenlernen ist bei 200 bis 300 Teilnehmern kaum mehr machbar, die Veranstaltung verläuft sich stark. Auch die Zahl der passiven Besucher nimmt naturgemäß zu.
Ein weiteres Problem der BarCamps sind die so genannten „No Shows“, angekündigte Teilnehmer, die ohne sich abzumelden doch nicht erscheinen, aus welchen Gründen auch immer. Viele wollen sich beim Start der Anmeldung einen der begehrten Plätze auf der Liste freihalten und vergessen später, dass sie angemeldet waren. Die „No Shows“ sind ein Ärgernis für die Organisatoren und nehmen anderen Interessierten die begrenzten Plätze weg. Alpha-Blogger Robert Basic macht als Reaktion auf das BarCamp Frankfurt mehrere Vorschläge [2], wie man die „No Show“-Rate verringern könnte. So sieht er eine getrennte Anmeldung für beide BarCamp-Tage, eine bewusste Überbuchung, Bervorzugung von Erstteilnehmern sowie eine freiwillige Spende für alle, die nicht mehr als sieben Tage vor Beginn der Veranstaltung absagen, als probate Mittel.
Neben BarCamps gibt es mittlerweile zahlreiche weitere Un-Events, die zwar nicht unbedingt den Unkonferenzen zuzurechnen sind, bei denen sich aber ebenso Internet-afine Menschen zum freien Austausch treffen. Webmontage [3], erstmalig von Tim Bonnemann in Köln veranstaltet, finden mittlerweile in vielen Großstädten statt, darunter Berlin, Köln und Hannover und mittlerweile auch im Silicon Valley in den USA. In entspannter Atmosphäre diskutieren die Teilnehmer über die Zukunft des Internets und halten Vorträge zu aktuellen Themen.
Auch die so genannten Pl0gbars [4] bieten Internet-Jüngern die Möglichkeit, die Menschen hinter den Pixeln kennen zu lernen, in Farbe und bunt. Das sympathische Motto: Web 2.0 in kuschelig. Nicht abends, sondern mittags findet Lunch 2.0 [5] statt, eine Veranstaltung, die es in Deutschland seit Mai 2007 gibt. Ein Unternehmen ist dabei Gastgeber, sponsert das Essen und lädt zum offenen
Austausch und zum Unterhalten in ihren Büros, einem Restaurant oder
sonstigem geeigneten Plätzchen ein. Vorträge gibt es beim Lunch 2.0 nicht.
Fazit
BarCamps und andere Formen von locker organisierten freien Veranstaltungen haben Ihren Reiz. Sie fördern den freien Informationsaustausch und bieten die Möglichkeit, virtuelle Kontakte im analogen Leben zu treffen. Letzendlich sind sie eine weitere Form von Open Source abseits der Software-Entwicklung.