webEdition 6 – Vom Designer-CMS zum Open-Source-Überflieger?: Sein oder nicht sein
In der Vergangenheit machte sich webEdition vor allem bei Designern, kleineren Webagenturen und PHP-Einsteigern einen Namen. Sobald ein Webprojekt dynamisch vom Kunden verwaltet werden musste und die Anforderungen begrenzt waren, kam webEdition aufgrund seines vergleichsweise guten Preis/Leistungsverhältnisses und der vielen Out-Of-The-Box-Funktionen in die engere Auswahl.
So bietet webEdition ein grundsätzliches Set an Funktionen, die man von einem Content Management System der unteren Größenordnung erwartet: Es gibt eine Seitenverwaltung mit Seitenbaum, eine wirklich intuitive Frontend-Editieren-Funktion (mit der auch wenig versierte Anwender eine Seite bequem editieren können), eine Nutzerverwaltung, Vorschaufunktionen und zahlreiche Module für Spezialanforderungen wie den Betrieb eines Shops, einfache Freigabe-Prozesse oder den Versand von Newslettern – um nur einige zu nennen.
Zu den erweiterten Merkmalen zählt ein integrierter Text-Editor auf Java-Basis und die Möglichkeit, lokal installierte Programme zur Bearbeitung von Inhalten in webEdition zu nutzen. Mit dieser Brücke, die ebenfalls auf Java-Basis realisiert wurde, kann eine Bilddatei zum Beispiel aus webEdition heraus in Photoshop geöffnet werden, um dann mit dem Speichervorgang samt der Änderungen wieder zurück im webEdition-CMS zu landen.
Nach Angaben des Herstellers wurden von webEdition bisher über 50.000 Lizenzen verkauft, was auf eine große Community schließen lässt. Ein Blick in das webEdition-Forum bestätigt diesen Eindruck: Mit 32.000 Beiträgen und über 7.500 Benutzern scheint man hier eine einigermaßen solide Anlaufstelle bei Fragen und Problemen zu haben.
Startschwierigkeiten
Schon bei der Installation über das ansprechend gestaltete Setup-Modul traten in unserer Testinstallation die ersten Fehler auf: Dort werden zum Beispiel keine Unterordner unterstützt, sodass webEdition über das Setup-Modul nur direkt im Hauptverzeichnis des Webspaces installiert werden kann – ein ärgerlicher Zustand, wenn man zum Beispiel mehrere webEdition-Webseiten auf einem Webspace installieren möchte.
Hat man webEdition funktionsfertig eingerichtet, erwartet den Anwender die nächste Überraschung: Nach dem Einloggen startet die Administrationsoberfläche automatisch im Vollbildmodus in einem neuen Browserfenster und stellt im Auslieferungszustand ein spärlich mit Notizfunktion und Meldungen des Herstellers bestücktes „Cockpit“ dar – der Anwender ist zunächst auf sich alleine gestellt.
Hier hilft jedoch das umfangreiche Handbuch weiter, das zum Zeitpunkt der Drucklegung dieses Artikels allerdings nur für die Version 5 vorlag. Nach kurzem Blättern findet man dort einen Hinweis auf den „First Steps Wizard“, mit dem man als unbedarfter Anwender die ersten Schritte mit dem CMS (Anlegen eines Layouts und vorkonfigurierter Seitenstruktur) bequem meistern können sollte. Leider blieb der Wizard beim Einrichten unserer Testwebseite im, in der Vorschau vielversprechend wirkenden, „Garten-Layout“ stehen.
Auffällig bei der Benutzerführung in der Administrationsoberfläche ist generell, dass die Menüs und Schaltflächen oft inkonsistent implementiert wurden, Eigenschaftsdialoge sich unnötigerweise in neuen externen Browserfenstern öffnen und die Arbeit mit dem System dadurch selbst bei einfachen Aufgaben zur „Klickorgie“ wird.
Als Beispiel sei hier die an sich triviale Aufgabe des „Verschiebens einer Seite“ genannt. Von einem Content Management System aktueller Bauart würde man erwarten, dass man die zu verschiebende Seite einfach per „Drag & Drop“ direkt im Seitenbaum in einem Arbeitsgang verschieben kann. Bei webEdition ist das anders: Hier muss zunächst der „Verschiebe-Modus“ über das Hauptmenü aktiviert werden. Danach folgt die Selektion des zu verschiebenden Objekttyps (Seite, Template, Objekt). Im dritten Schritt muss per Checkbox die gewünschte Position im Seitenbaum gewählt werden, um mit einem Klick im fünften Schritt auf „OK“ den Verschiebevorgang zu starten. Abschließend muss noch der „Verschiebe-Modus“ mit einem weiteren Klick beendet werden, um als Benutzer wieder in den Ausgangszustand zurückzukehren. In Zeiten moderner Ajax-basierter Webanwendungen ist dieses Bedienkonzept selbst für ein Einstiegs-CMS mehr als fragwürdig.
Zudem reagiert die Frame-basierte Administrationsoberfläche mit einer Trägheit, dass man den Eindruck bekommt, dass hier über Jahre hinweg immer wieder Funktionen und unausgereifte Ideen angebaut wurden, ohne wichtige Aufräumarbeiten durchzuführen. So wurde das Hauptmenü beispielsweise als Java-Applet implementiert, was im krassen Kontrast zur eher modern anmutenden Seiten-Bearbeitungsfunktion mit praktischer Tab-Logik steht, die unter anderem die Yahoo-User-Interface-Library und gezielte Ajax-Request als sinnvolle technologische Basis nutzt. Dieser inkonsistente Aufbau wäre nicht weiter schlimm, wenn er nicht die Geschwindigkeit und Kompatibilität der Oberfläche unnötigerweise eingrenzen würde. Der webEdition-Anwender muss dadurch zumindest eine Java-Runtime installiert haben, um die Oberfläche mit allen Funktionen nutzen zu können.
Mit jedem Feature, das man sich bei webEdition näher anschaut, merkt man, dass bei diesem Content Management System irgendetwas nicht stimmt. Ein Blick in den Quellcode offenbart die Ursachen: Das über 33 Megabyte große Sammelsurium an externen Bibliotheken und unstrukturiertem, meist prozeduralen PHP-Code lässt selbst wenig versierte PHP-Einsteiger an der Qualität des Systems zweifeln. Wo heutzutage eigentlich durchgehend sauberer, objektorientierter PHP5-Code zeitgemäß wäre, findet sich bei webEdition eine Mischung aus scheinbar überstürzt implementierter Funktionsvielfalt in Kombination mit schlechter Namensgebung und wenig bis keiner Dokumentation.
Eine der ersten Regeln bei der Programmierung komplexer Software, nämlich das selbsterklärende und einheitliche Benennen von Dateien und Funktionen, wurde beim webEdition-Quellcode scheinbar vernachlässigt. Bei „denglischen“ Dateinamen wie „baumFrame.php“ und Funktionsnamen wie „setEditorIsHot“ kommen berechtigte Zweifel auf bezüglich Wartbarkeit und Zukunftsfähigkeit des Systems im konkurrenzreichen Markt der Open-Source-Einstiegs-Content-Management-Systeme.
Fazit
Als reizvolles Projekt für einen Entwickler auf der Suche nach einer technisch soliden CMS-Basis dürfte webEdition aufgrund seiner inkonsistenten und veralteten Architektur eher nicht in Frage kommen. Daran ändern auch die halbherzige Integration des Zend Frameworks und das mit der neuen Version eingeführte „Software-Developer-Kit“ (SDK) nichts.
Als Webdesigner auf der Suche nach einem Einstiegs-CMS kann es aber durchaus interessant sein, einen Blick auf webEdition zu werfen. Je nach Arbeitsweise und technischem Anspruch können sich die What-You-See-Is-What-You-Get-Funktion und der See-Modus (vereinfachte Sicht auf die Administrationsoberfläche) als praktische Lösungswege für den Betrieb einfacher Websites herausstellen.
In jedem Fall lohnt sich in Zeiten von „Web 2.0“ und dem „Keep-it-simple-stupid“-Prinzip ein Blick rüber zu deutlich schlankeren freien CMS-Alternativen wie Drupal, TYPOlight oder Contenido.
Inzwischen gibt es auch Anbieter (webedition-zone.de), die fertige Lösungen für Webedition anbieten. Man muß also kein Webedition-Profi sein, und das CMS zu nutzen.