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WordPress-Erfinder Matt Mullenweg im Interview: Der Kopf hinter 75 Millionen Websites

Matt Mullenweg hat mit WordPress die beliebteste Blogsoftware der Welt geschrieben und um das System herum ein extrem erfolgreiches Webunternehmen aufgebaut. Er steht auf zahlreichen Who-is-Who-Listen der Tech-Szene, die Firmenkultur bei Automattic – der Firma hinter WordPress – gilt als Vorzeigemodell für die Zukunft der Arbeit. Im Gespräch mit t3n erzählt er, wie WordPress erfolgreich wurde, warum er am liebsten mit Teams arbeitet und welche Webtechnologien wir im Auge behalten sollten.

8 Min. Lesezeit
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t3n Magazin: Wie stark ist WordPress in den letzten Jahren gewachsen?

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Matt Mullenweg: Wir haben gerade erst die 20-Prozent-Marke geknackt: Ein Fünftel aller CMS-basierten Websites läuft mittlerweile mit WordPress. Aber wir waren lange Zeit viel kleiner. Vor vier, fünf Jahren waren wir noch bei ein bis anderthalb Prozent.

t3n Magazin: Wie erklärst du dir diese Popularität?

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Matt Mullenweg: Darüber habe ich intensiv nachgedacht. Ich denke, unser größtes Alleinstellungsmerkmal ist unsere Community. Klar kannst du dein Blog oder deine Website auch mit Squarespace oder Wix bauen. Aber mit tausend Leuten im Rücken, die neue Plugins, Themes und weitere Features entwickeln, bist du einfach anders aufgestellt. Außerdem verbreitet sich ein Produkt natürlich schneller, wenn viele Leute ihren Freunden empfehlen, es zu nutzen.

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t3n Magazin: Hast du mit einem solchen Erfolg gerechnet, als du 2003 mit WordPress angefangen hast?

Matt Mullenweg: Nein, absolut nicht. Angefangen hat alles mit einem kleinen, bescheidenen Projekt. Ich wollte einfach nur mein eigenes Blog optimieren, das damals noch auf der Software b2/cafelog lief. Es ging um viele Kleinigkeiten – die Typografie, die Funktionsweise der Links und des Dashboards. Das alles funktionierte zwar, aber ich dachte mir, dass das noch besser gehen muss. Und als ich mit meinen Verbesserungen loslegte, fingen die Leute an, meine Änderungen zu adaptieren. Es war eher Zufall, dass das, was ich wollte, bei so vielen anderen einen Nerv getroffen hat.

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Mehr als 75 Millionen Websites im Netz laufen auf WordPress-Basis. Das macht Gründer Matt Mullenweg zur gefragten Persönlichkeit.
Mehr als 75 Millionen Websites im Netz laufen auf WordPress-Basis. Das macht Gründer Matt Mullenweg zur gefragten Persönlichkeit.

t3n Magazin: Die WordPress-Community hat ihr Zuhause auf wordpress.org, mit den Services unter der .com-Domain verdient ihr Geld. Gibt es Reibungspunkte zwischen der unternehmerischen Ausrichtung und dem Open-Source-Gedanken?

Matt Mullenweg: Mir sind bisher keine untergekommen. Klar haben die Open-Source-Community und die WordPress.com-User oft andere Perspektiven und Ziele. Aber ich kann mich nicht daran erinnern, dass es schon einmal echte strategische Konflikte gegeben hätte. Wir arbeiten einfach an beiden Baustellen: mit Teams, die WordPress als Plattform besser und einfacher machen sollen, und Teams, die dasselbe mit den kostenpflichtigen Services, also unserem Support, den Analysetools und so weiter, tun.

t3n Magazin: WordPress ist als eine einfache Blog-Plattform gestartet und hat sich immer mehr in Richtung Content Management System entwickelt. Welche weiteren Funktionen siehst du am Horizont?

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Matt Mullenweg: WordPress wird mehr und mehr zu einer App Engine, also zu einer Plattform, mit der Leute alle möglichen Dinge erstellen können. Nicht nur eine Website, sondern beispielsweise auch das Backend einer Mobile App. Diese Transformation ist eine langfristige Aufgabe, ich schätze sie begleitet uns die nächsten zehn Jahre. Weitere kritische Wachstumsbereiche sind für mich Realtime und Mobile.

t3n Magazin: Realtime und Mobile – da denke ich wohl nicht zufällig an CloudUp und Simplenote. Beide Projekte gehören seit 2013 zu Automattic, der Firma hinter wordpress.com. Teil eurer Wachstumsstrategie?

Matt Mullenweg: Definitiv. Zudem konnten wir mit beiden Deals hochkarätige Entwickler verpflichten. Insofern war es auch eine Talentfrage für uns. Bei CloudUp geht es um das Einbinden und Teilen von Medien in Echtzeit. Wenn du ein Video einstellst und mir den Link dazu schickst, kann ich schon anfangen, es mir anzusehen, bevor du überhaupt mit dem Upload fertig bist. Ein so schlagkräftiges Realtime-System fehlt uns, denn wenn wir ehrlich sind, ist das Editieren von Posts in WordPress eines unserer schwächsten Features. Und das, obwohl es so wichtig ist. Wir werden diesen Bereich zusammen mit dem CloudUp-Team also gehörig aufpolieren. Simplenote gehört mehr in den Bereich Mobile. Es ist einfach eine coole, extrem hilfreiche Notiz-App, die ich ständig nutze. Aber die dahinter stehende Technologie von Simperium war uns noch wichtiger. Uns war klar, dass wir ein optimales Fundament für unsere mobilen Apps brauchen, also haben wir uns genau umgesehen. In Sachen mobile Synchronisation war Simperium einfach am besten – und dabei stecken hinter der Entwicklung nur zwei Leute. Ich fand das einfach großartig. Wir bauen die Simperium-Technologie Schritt für Schritt in fast alle unseren Produkte ein.

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t3n Magazin: Apropos Mobile. Was glaubst du, warum Mobile Blogging so schleppend adaptiert wird?

Matt Mullenweg: Das kommt darauf an, wie man Blogging definiert: Wenn es um das Mobile Publishing via Smartphone geht, sind die Nutzungszahlen ja schon ordentlich. Viele Blogging-Plattformen sind in Sachen Mobile einfach noch nicht ausgereift. Das gilt auch für WordPress, wir arbeiten derzeit intensiv daran, unsere Leistungsfähigkeit für mobiles Bloggen zu verbessern. Auch in puncto Design fokussieren wir immer mehr auf Mobile First – ganz anders als wir traditionell Webentwicklung betrieben haben. Mit jedem Bugfixing und jedem neuen Release sehen wir, dass die Nutzerzahlen steigen: Die Leute müssen sich wohl fühlen, dann verwenden sie die Funktionen auch. Daher ist es in meinen Augen nur eine Frage der Zeit, bis Mobile Blogging den Desktops und Laptops davonläuft. Ein paar Jahre wird es allerdings noch dauern.

t3n Magazin: Welche weiteren Innovationen stehen dem Publishing-Sektor in den nächsten Jahren ins Haus?

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Matt Mullenweg: Derzeit gibt es viel Bewegung im Bereich Dokumentenmanagement und Sharing, da wären zum Beispiel Quip, Editorially, Poetica oder Draft zu nennen. Alle diese Plattformen haben eine bestimmte Kernkompetenz, und wir beobachten genau, wie sich unsere Konkurrenten weiter entwickeln. Für WordPress selbst wird es in den nächsten Jahren aber noch stärker darum gehen, große Publisher als Partner zu gewinnen. Zum Beispiel die New York Post: Die läuft mittlerweile zu 100 Prozent auf WordPress, wird auf unseren VIP-Servern gehostet und nimmt unseren Support in Anspruch. Aber es gibt noch so viele Medienhäuser, die mit hochkomplexen, teuren Lösungen arbeiten, die nicht mehr zeitgemäß sind. Das wird sich in den nächsten Jahren ändern, und in dieser Entwicklung liegt für uns großes Potenzial.

In Sachen moderne Webtechnologien findet Mullenweg aktuell vor allem Node.js spannend. Hier im Gespräch mit t3n-Redakteurin Lea Weitekamp.
In Sachen moderne Webtechnologien findet Mullenweg aktuell vor allem Node.js spannend. Hier im Gespräch mit t3n-Redakteurin Lea Weitekamp.

t3n Magazin: Wie funktioniert eigentlich die Zusammenarbeit bei Automattic? Ihr seid über 200 Leute, und alle arbeiten auf verschiedenen Kontinenten. Kann man da überhaupt produktiv sein?

Matt Mullenweg: Auf jeden Fall. Ich behaupte, wir sind sogar produktiver als viele andere Firmen. Ein großer Faktor dabei ist Transparenz: Wir schreiben quasi gar keine E-Mails, sondern kommunizieren über Nachrichtenstreams im WordPress-Theme P2, also für alle Mitarbeiter einsehbar. Dazu nutzen wir Skype und IRC. Wir haben eine sehr offene Firmenkultur, Vertrauen und Eigenverantwortlichkeit spielen eine große Rolle. Beides fördert in meinen Augen die Produktivität deutlich. Zudem kommen unsere Teams einmal jährlich zusammen, um gemeinsam an einem größeren Projekt zu arbeiten, egal, wo auf der Welt.

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t3n Magazin: Wann habt ihr angefangen, in Teams zu arbeiten? Und warum?

Matt Mullenweg: Wir haben 2010 angefangen, uns in Teams zu organisieren. Zu diesem Zeitpunkt war WordPress.com auf 50 Mitarbeiter angewachsen, alle haben sich an mich gewandt, und so langsam wurden die Dinge richtig chaotisch. Unser CEO Toni Schneider und ich haben daher zehn fünfköpfige Teams gebildet, mit eigenem Aufgabenbereich und jeweils einem Team Lead. Das war eine Gratwanderung, denn viele unserer Mitarbeiter stehen unternehmerischen Hierarchien kritisch gegenüber. Viele von ihnen haben noch nie als Angestellte eines Unternehmens im klassischen Sinne gearbeitet. Aber sie profitieren ja auch von der neuen Regelung. Im Team können sie zum Beispiel größere Projekte angehen als allein. Die neue Organisationsebene war auf jeden Fall ein Erfolg, mittlerweile haben wir auch Teams mit mehr als fünf Leuten. Und im Übrigen hat sich dadurch ja nichts an unserer Philosophie geändert: Du wirst an dem gemessen, was du einbringst, nicht an einem Titel.

t3n Magazin: Trotz der mittlerweile zahlreichen Mitarbeiter bist du für WordPress 3.8 wieder als Lead Developer eingesprungen. Warum?

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Matt Mullenweg: Wir haben uns dieses Mal für ein ganz anderes Entwicklungsmodell entschieden. Wir wollten mehr in Richtung Plugins denken, mehr Gestaltungsspielräume eröffnen, auch für Leute, die nicht zum Kernteam gehören. Diese Vorhaben waren schon enorm verantwortungsvoll, da wollte ich einfach persönlich dabei sein.

t3n Magazin: Es gibt ja immer wieder mal Kritik an der angeblich veralteten Codebasis. Werdet ihr den WordPress-Quellcode irgendwann mal von Grund auf erneuern?

Matt Mullenweg: Ich bin mir nicht sicher, ob eine Generalüberholung überhaupt sinnvoll wäre. Wir haben zehn Jahre gebraucht, um das Kernprodukt von WordPress zu entwickeln. Wenn wir jetzt wieder bei Null anfangen, dauert es Jahre, bis wir dieselbe Funktionalität erreichen. Ganz abgesehen davon, dass wir im Verlauf einen Haufen neuer Bugs kreieren würden – eben nur andere. Stattdessen schreiben wir mit jedem Release circa fünf bis zehn Prozent des Quellcodes neu. Das hört sich vielleicht nicht nach viel an, aber nach ungefähr zehn Releases hast du den gesamten Code einmal runderneuert. Die Code-Basis ist im Vergleich zu der von vor zehn Jahren heute kaum wieder zu erkennen. Es ist so wie beim Anmalen der Golden Gate Bridge: Wenn du auf der einen Seite fertig bist, fängst du auf der anderen Seite wieder an. Ein unendlicher Prozess.

t3n Magazin: Keine Angst vor Kritikern also?

Matt Mullenweg: Wenn jemand sich bei WordPress nicht optimal wiederfindet, ist es absolut fair, das auch auszusprechen. Das Schöne an Open Source ist ja, dass man dann aktiv werden und die Plattform in seinem Sinne verbessern kann. Insofern sind unsere Kritiker herzlich eingeladen, Teil der Community zu werden und WordPress mitzugestalten. Über die generelle Wettbewerbsfähigkeit von WordPress mache ich mir keine Sorgen, nicht zuletzt aufgrund der Nutzerzahlen. Unser Marktanteil im CMS-Segment liegt seit Jahren bei über zehn Prozent, unser nächster Wettbewerber kommt ungefähr auf drei. Das sagt für mich schon etwas über die Qualität unseres Produkts aus.

„Wenn jemand sich bei WordPress nicht optimal wiederfindet, ist es absolut fair, das auch auszusprechen“: Mullenweg lädt Kritiker in die Community ein.
„Wenn jemand sich bei WordPress nicht optimal wiederfindet, ist es absolut fair, das auch auszusprechen“: Mullenweg lädt Kritiker in die Community ein.

t3n Magazin: Jetzt mal unabhängig vom WordPress-Code: Welche Webtechnologien interessieren dich derzeit?

Matt Mullenweg: Momentan beobachte ich genau, was mit Node.js passiert. Die Möglichkeit, JavaScript für deinen gesamten Stack zu nutzen und so eine wechselseitige Echtzeit-Kommunikation zwischen mehreren Clients zu ermöglichen, birgt großes Potenzial für extrem viele Web-Anwendungen. Wir arbeiten aber auch immer noch extrem viel mit PHP und MySQL, deswegen verfolge ich auch hier die Entwicklungen genau. Zudem stehen vor allem die MySQL-Abspaltung MariaDB und HipHop, das Facebook zur Skalierung seiner PHP-Seiten entwickelt hat, bei mir auf dem Zettel.

t3n Magazin: Und wenn du mal nicht vor dem Rechner sitzt – sofern es das gibt – womit vertreibst du dir die Zeit?

Matt Mullenweg: Ich fotografiere zum Beispiel unglaublich gerne. Und ich liebe Musik. Manchmal schaffe ich es, diese beiden Dinge zu verbinden. Neulich war ich auf einem Musikfestival in Las Vegas und durfte dort unter anderem die Imagineers, Kings of Leon und die Killers ablichten. Ich habe einen All-Access-Pass bekommen, das war total super. In New York gehe ich auch oft in kleine Jazzclubs, da mag ich die ruhige Atmosphäre – in der Regel sind solche Läden ja nicht gerade überfüllt.

t3n Magazin: Glaubst du, dass du irgendwann mal etwas anderes als WordPress machen willst?

Matt Mullenweg: Ich mache ja ohnehin nicht „nur“ WordPress, sondern einen Haufen anderer Dinge. Daher kann ich mir ziemlich gut vorstellen, auch in zehn, zwanzig Jahren noch an WordPress zu basteln.

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