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Software & Entwicklung
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Zeit Online: Das Open-Source-Community-Framework Drupal im Online-Journalismus

Seit dem Frühjahr 2007 setzt Zeit Online Drupal als Community-Plattform ein. Drupals Ziel, „to democratize web publishing and web development“, verbindet sich dabei mit der langen Open-Source-Tradition im Hause Zeit Online sowie den Idealen, für die auch Die Zeit steht. Im Laufe der Jahre hat Drupal im Einsatz auf zeit.de einige Stärken, aber auch Schwächen offenbart.

6 Min. Lesezeit
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Die Zeit-Online-Community basiert seit Anfang 2007 auf Drupal, ebenso wie das Projekt „Netz gegen Nazis“.

Die Zeit-Online-Community basiert seit Anfang 2007 auf Drupal, ebenso wie das Projekt „Netz gegen Nazis“.

Ausgangssituation

Der Einsatz von Open-Source-Technologien hat bei Zeit Online eine – für IT-Verhältnisse – lange Tradition. So basiert neben dem zentralen Redaktionssystem auch die Community-Plattform seit dem Frühjahr 2007 auf einer weiteren Open-Source-Lösung: Drupal. Seit dem Sommer 2006 versuchte man noch, eine größtenteils eigene Lösung für Community-Anforderungen zu entwickeln. Während der ersten sechs Monate Entwicklungszeit stellte sich aber heraus, dass die Bedingungen für umfangreiche Software-Entwicklung in einem Verlagshaus schwierig sind, sodass Anfang 2007 die Evaluation von Alternativen eingeleitet wurde.

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Neben der Maßgabe, den Anteil der Eigenentwicklung möglichst gering zu halten, wurde nach den exzellenten Erfahrungen mit Open Source in den vergangenen Jahren explizit nach derartigen Lösungen gesucht. Die damit verbundenen geringen Anschaffungs- und Betriebskosten waren ebenso wichtige Entscheidungsfaktoren wie die Hoffnung, auf eine große Gemeinde von erfahrenen Freelancern zugreifen zu können. Zudem zeichnete sich ab, dass das Web-2.0-Umfeld eine sehr agile Anwendungsentwicklung erforderte, die sich nicht zuletzt aus den umfangreichen Anforderungen von Seiten der Redaktion und des Verlags ergab.

Mitbewerber und Entscheidung

Neben Drupal wurden WordPress MU sowie Joomla und Mambo evaluiert. Joomla und Mambo schieden auf Grund ungenügender Community-Funktionen aus. WordPress MU disqualifizierte sich durch die skurrile Architektur, pro User ein ganzes Set von neuen Tabellen in der Datenbank anzulegen. Drupal hingegen war im Januar 2007 gerade in der stark überarbeiteten Version 5 erschienen und konnte schnell überzeugen. Für Drupal sprach letzten Endes eine lange Reihe von Vorzügen.

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Einem Entwickler fällt an Drupal schnell auf, dass es ein System von Entwicklern für Entwickler ist. Das Modulsystem ist extrem sauber implementiert und bietet Entwicklern die Möglichkeit, über eine Vielzahl von Schnittstellen mit dem System zu kommunizieren und selbst Kernfunktionen anzupassen, ohne selber Code-Änderungen am Kern vornehmen zu müssen.

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Der gute Ruf, den Drupal in Sachen Sicherheit genoss, wurde später noch durch ein separates Security-Audit gestärkt. Teil der Sicherheitsarchitektur ist eine granulare, gut erweiter- und konfigurierbare Rechteverwaltung. Diese war auf Grund der Erfahrungen aus bisherigen Community-Projekten im Verlag ein weiterer wichtiger Pluspunkt. Zu den initialen Anforderungen gehörte überdies, schnell weitere Themen-Communitys aufsetzen zu können, die je nach Instanz unterschiedlich viele Daten mit dem Hauptsystem teilen sollten. Zu diesem Zweck bietet Drupal anders als viele andere vergleichbare Systeme ein sehr sauberes Multi-Site-Setup, in dem bis auf einzelne Module und Datenbanktabellen genau definiert werden kann, welche Komponenten zwischen den Sub-Sites geteilt werden.

Durch die hohen Ansprüche der Redaktion an das Wording der Seite und dessen Pflege wurde Drupals konsistente Übersetzbarkeit, die auf dem generischen PO-Format basiert, ebenfalls zu einem wichtigen Argument. Weitere wertvolle Funktionen waren unter anderem die vollständig austauschbare Rendering-Engine sowie Default-PHP-Templates und die gute Skalierbarkeit bei Hochlast auf Grund des mehrstufigen, flexiblen Caching-Systems.

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Neben beeindruckenden Drupal-Sites wie mtv.co.uk war ein weiterer nicht zu vernachlässigender Faktor bei der Entscheidung für Drupal die ausführliche und positive Evaluation Drupals durch ein IBM-Team [1].

Implementierung

Die Entscheidung für Drupal fiel Ende Januar 2007 nach Gesprächen mit der Drupal-Agentur Erdfisch aus Heidelberg. Kernfunktionen der initialen Implementierung waren die Kommentarfunktion zu Zeit-Online- Artikeln sowie die Profilseiten für User und Redakteure und die Vorbereitung von Themen-Communitys, wie der Campus-Community. Die auf Drupal basierende zweite Version der Campus-Community wurde am 7. Mai 2007 gelauncht. Eine Woche später ging die neue Kommentar-Community [2] zusammen mit dem Relaunch von Zeit Online live.

Während der Implementierung und der dem Relaunch folgenden weiteren Konsolidierung erwies sich der Einsatz der Zend Platform [3] für das Monitoring und Debugging der Drupal-Installation als ausgesprochen wertvoll.

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Im Rahmen der initialen Implementierung wurde zudem ein Security-Audit durchgeführt. Daran beteiligt waren die Firmen Zend und die Mayflower-Tochter Sektion Eins, namentlich Björn Schotte und Stefan Esser. In dem Audit traten Sicherheitslücken zu Tage. Im Vergleich zu den meisten Marktbegleitern werden bei Drupal aber viele PHP-typische Sicherheitslücken durch die Architektur des Frameworks ausgeschlossen, sodass das Gesamtergebnis sehr zufriedenstellend war. Die Ergebnisse des Audits konnten zeitnah dem Drupal-Security-Team zur Verfügung gestellt werden. Ebenso werden fast alle Module, die für Zeit Online entwickelt wurden, von Erdfisch als Third-Party-Module ins CVS von Drupal.org integriert und stehen nun zur freien Verfügung.

Nach dem Launch und insbesondere nach dem Ausbau der Funktionen in der Kommentar-Community ergaben sich unter Last (auf der 2 x Dual Core, 3GHZ Maschine mit 8GB RAM) unregelmäßige Performance-Probleme. Die meisten Ursachen für diese Probleme entstanden aus eigenen oder Third-Party-Modulen. In zwei Fällen zeigten sogar Funktionen des Drupal-Kerns unter bestimmten Bedingungen suboptimale Performanz. Hier erwies sich ein weiteres Mal die Kombination aus Drupal und der Zend Platform als effektives Werkzeug; in diesem Fall, um Speicherlücken und konzeptuelle Engpässe im Code zu finden.

Netz gegen Nazis

Im Frühjahr 2008 ging nach viermonatiger Planungs- und Entwicklungsphase ein weiteres von der Zeit-Online-IT implementiertes Projekt online, die Plattform „Netz gegen Nazis“ [4]. Während der kurzen Vorlaufzeit konnten die bereits im Haus vorhandene Erfahrung und die eingespielte Zusammenarbeit mit den bestehenden Dienstleistern Erdfisch und Digitalkombinat genutzt werden, um größtmögliche Flexibilität für die Redaktion zu ermöglichen.

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Durch die reichweitenstarken Partner wie ZDF, DFB, StudiVZ und SchülerVZ erhielt die Seite gerade in den ersten Tagen nach dem Launch sehr große Aufmerksamkeit, die die bestehende Architektur mit bis zu 1.500.000 PIs pro Tag bewältigt hat.

Leider wurde im Verlauf des Projekts auch eine Schwäche von Drupal deutlich, die sich zuvor schon angedeutet hatte: Bei einem so sensiblen Thema wie Rechtsradikalismus ist die reibungslose und effektive Moderation der von Usern beigetragenen Inhalte ein wichtiger Aspekt, insbesondere beim Einsatz eines größeren Moderatorenteams. Sowohl im Kern als auch als Third-Party-Modul kann Drupal nicht die Moderationsfunktionen bieten, die sich in den größeren Foren-Anwendungen finden.

Zahlen

Die Zeit-Online-Community beherbergt im Moment ca. 197.000 registrierte User. Wobei grundsätzlich auch auf Zeit Online die klassische „90,9,1“ für die Partizipation in Online-Communitys zutrifft. In den letzten Monaten haben diese User zusammen mit den Besuchern der Community jeweils um die 2.000.000 von der IVW gezählte Klicks erzeugt, was ungefähr einer Vervierfachung binnen eines Jahres nahe kommt. Drupal verwaltet derzeit insgesamt mehr als 250.000 Kommentare zu 90.000 kommentierbaren Artikeln und Diskussionen sowie fast 7000 Leserartikel und Umfagen.

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Erfahrungen

Zwei Jahre intensiver und vielseitiger Einsatz von Drupal lassen sich in einer Erfahrung zusammenfassen: Drupal ist und bleibt vorerst auch ein System von Entwicklern für Entwickler. Das gilt im Guten wie im Schlechten.

Die Stärken Drupals, die sich bei der ersten Evaluierung abzeichneten, haben sich im Einsatz bewährt. Als sauberes, schlankes und konsistentes Framework mit integriertem User Interface hat es sich als performant im Einsatz, leicht in der Wartung und vielfältig und flexibel in der Weiterentwicklung erwiesen. Die guten Ergebnisse des Security-Audits und die schlüssige Sicherheitsarchitektur Drupals haben ebenfalls gehalten, was sie versprachen.

Neben fehlenden Moderationsfunktionen haben sich im Laufe der Zeit auch andere Schwächen ergeben: Durch die hohe Abstraktion und das Ziel minimaler Redundanzen sowie die Fokussierung auf Modulentwickler wirkt die Benutzerführung und User Experience an einigen Stellen holzig und kantig.

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Zudem ist die Abstraktion des Systems, die Drupal für versierte Nutzer und Entwickler zu einem extrem mächtigen Werkzeug macht, für Redakteure zu hoch. Die Lernkurve für Entwickler ist insbesondere im Theming flacher als etwa bei WordPress.

Zukunft

Inzwischen ist die Web-2.0- und Community-Euphorie deutlich abgeebbt. Gleichzeitig hat sich Zeit Online erheblich weiterentwickelt. Die angekündigte Verbindung von Zeit Online mit Zoomer und Tagesspiegel Online [5] verändert auch die Rahmenbedingungen für die bestehenden Content- und Community-Management-Systeme. Vor einer so nachhaltigen Veränderung ist es nur professionell, die bestehenden Architekturen erneut zu evaluieren. Damit steht auch Drupal erneut auf dem Prüfstand.

Die aktuellen Entwicklungen Drupals hin zum Semantic Web [6] und die generischen APIs kommen der XML-fokussierten CMS-Architektur von Zeit Online und dem schnellen Wandel des Online-Journalismus sehr entgegen. Gerade die sich in Drupal 7 abzeichnenden Bekenntnisse der Kernentwicklergemeinde sowie die strategische Ausrichtung der Drupal-Firma Acquia stärken das Vertrauen in die Zukunftssicherheit der Anwendung.

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Die Leidenschaft und Begeisterung, mit der die Drupal-Community Dries Buytaerts Ziel „to democratize web publishing and web development“ [7] folgt, ist ansteckend. Das Zeit-Online-Team freut sich, dass Drupal hier nicht nur mit der guten Tradition von Zeit Online einhergeht, sondern überdies auch mit den Idealen, für die Die Zeit steht. Zudem macht es nicht zuletzt Freude, mit Drupal zu arbeiten, dem System, seinen Protagonisten und Anwendern bei der Entwicklung zuzusehen und daran teilzuhaben.

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Dein t3n-Team

cyberblogger

Denke auch das Drupal den anderen Open Source CMS wie Joomla oder TYPO3 im Community-Einsatzbereich einiges voraus hat. Wobei es gerade bei den anderen beiden einige gute Extensions bzw. Komponenten gibt um diesem Charakter auch zu entsprechen (z.B. bei Joomla JomSocial.)

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