Anzeige
Anzeige
Trendreport
Artikel merken

Zukunftstechnologien in der Automobilindustrie: Tanken per Blockchain, Apps im Armaturenbrett

Ob Tanken per Blockchain, Prototypen aus dem Quantencomputer oder App Stores in der Mittelkonsole: Die gesamte Autobranche experimentiert bereits fleißig mit Zukunftstechnologien – und hofft auf strategische Vorteile sowie eine größere Kundennähe.

Von Ekki Kern
13 Min. Lesezeit
Anzeige
Anzeige

Im Virtual-Engineering-Lab arbeiten VW-Ingenieure mit der Hololens von Microsoft an Details verschiedener Automodelle. (Foto: Volkswagen)

Moderne Manager wie Dieter May tragen die Suche der Auto- branche nach neuen Erlösquellen bereits auf ihrer Visitenkarte. Der Mann ist „Senior Vice President Digital Services und ­Business Modells“ bei BMW. Seine Aufgabe ist keine geringere, als das Auto endlich zum wichtigsten Medium für den Internetzugang nach dem Smartphone zu machen.

Anzeige
Anzeige

Die Vernetzung der Fahrzeuge sei „eine einzigartige Möglichkeit“ für die Hersteller, den Kunden besser zu verstehen: „Einfach weil wir aufgrund der Nutzungsstatistiken wissen, was er die ganze Zeit über mit dem Fahrzeug macht, welche Touchpoints er mit uns hat“, sagt May. Diese Daten will er in Dienstleistungen übersetzen.

Bisher war der Kontakt zum Kunden für die Autokonzerne nicht vorhanden. Sobald die Fahrzeuge das Werk verließen, übernahmen die Händler die Kundenbeziehungen – und somit das Geschäft. Die Möglichkeit, sich eine digitale Kundenbasis aufzubauen, werde zu einem „signifikanten Werttreiber” für den Konzern. „Wenn wir heute keine digitale Erlebnislandschaft anbieten können, das Auto also nicht voll vernetzt ist, hat man als Hersteller einen klaren Wettbewerbsnachteil. Das wird zunehmend ein kaufentscheidendes Kriterium“, sagt May.

Anzeige
Anzeige

Das, was früher der Sechszylinder-Motor oder die tolle ­Felge war, das sind heutzutage die digitalen Gimmicks im Auto: die autonome Parkhilfe, das vernetzte Entertainmentsystem, die
informative Windschutzscheibe. Alles, was es dem Kunden einfacher macht,  eben bequemer. Um die Weichen für die Zukunft zu stellen, erproben auch die Autokonzerne schon jetzt die Technologie der kommenden Jahre – künstliche Intelligenz, Blockchain, Quantencomputing, Virtual und Augmented Reality. Nur so können sie dem Autofahrer in einigen Jahren das bieten, was er will.

Anzeige
Anzeige

Mit Car-Data will BMW eine Art „App-Store fürs Auto“ bauen: Auf Basis verschiedener Autodaten sollen Dienstleister spezialisierte Angebote vorbereiten können – etwa rechtzeitige Reifenwechsel. (BMW)

Dank Google-Touren und erster eigener Gehversuche im ­Silicon Valley wissen sie, dass das frühzeitige Experimentieren mit Technologie einen strategischen Vorteil bringen kann – und zwar nicht nur gegenüber der Konkurrenz aus den USA oder aus Fernost, sondern auch hierzulande, wo Kartellvorwürfe und Diesel­affäre ordentlich am Image der ganzen Branche gekratzt haben. Auch wenn ein Blick in das aktuelle Produktportfolio noch nicht ganz darauf schließen lässt: Die Hersteller haben die He­rausforderung angenommen. Sie gucken sich die Zukunftstechnologien aus zwei Perspektiven an – aus der kundenzentrierten und aus der wirtschaftlichen.

Welche die wichtigere ist, kann ein Mann beantworten, dessen Jobtitel ebenfalls viel über die Suche der Autobranche aussagt: Alexander Mankowsky, Zukunftsforscher bei Daimler und zuständig für das Arbeitsgebiet „Future Studies & Ideation“. Nach eigener Aussage arbeitet er schon aus Prinzip nicht nur klassisch in einer Abteilung. Er ist viel unterwegs, trifft sich mit Künstlern und Forschern zum Parlieren.

Anzeige
Anzeige

Sein Urteil: Allein ein Vorsprung durch Technik reicht nicht aus. Zwar kann sich Mankowsky für die aufstrebende maschinelle Intelligenz wie sie beim autonomen Fahren, bei Flottenplanungen oder Optimierungen in Fabriken schon Anwendung findet, durchaus begeistern. Aber der Zweck, sagt der Forscher, sei natürlich immer der Mensch. Die Sinnstiftung komme allein von ihm, also vom Kunden, der sein Auto auch deshalb so möge, weil es diese „Spannung zwischen Tradition und totalem Hightech“ repräsentiere, die Einbindung des technologischen Fortschritts in die Kultur. Es müsse der Autoindustrie auch darum gehen, für die Menschheit wünschenswerte Zukunftsentwürfe in den Raum zu stellen, sagt Mankowsky.

Diese Erkenntnisse bespricht der anschließend mit den Kollegen aus der Konzernforschung, die die Produkte letzlich entwickeln müssen. Im besten Fall verbessert Technologie also nicht nur unternehmensinterne Prozesse – sie ermöglicht auch neue digitale Dienste, die den Kunden verwöhnen und ihn an die Marke binden.

App-Store fürs Auto

In der Praxis können Daten bei der Realisierung dieser Mission helfen. BMW will mit seinem Dienst Car-Data die Konnektivität in „eine neue Dimension“ katapultieren. Die Grundlage des Services sind, wenig überraschend, vom Fahrzeug erzeugte Daten. Car-­Data sammelt den Kilometerstand, den durchschnittlichen Kraftstoffverbrauch, den automatisierten Service-Call und einiges mehr. Ein Teil davon wird in Form sogenannter „Telematik-Daten“ verschlüsselt über die fest eingebaute SIM-Karte an BMW-Server übertragen. Von dort aus können Dienstleister wie Werkstätten nach Einwilligung des Fahrers diejenigen Daten beziehen, die sie für bestimmte ­Services brauchen. Der Kunde wiederum kann das Paket „Connected Drive“ erwerben und mit wenigen Klicks Dienstleistungen wie zum Beispiel einen rechtzeitigen Reifenwechsel beanspruchen. Eine Art App-Store für das Auto.

Anzeige
Anzeige

Der Unique-Selling-Point von Car-Data sei, dass man der erste Autohersteller sei, der solch ein Interface zum Zugriff auf ­Daten „öffentlich frei verfügbar, diskriminierungsfrei für Dritte“ bereitstelle, sagt Mays Kollege Peter Zoller, Manager des Dienstes. Bisher gab es in der Industrie lediglich vereinzelt Kooperationen zwischen Autoherstellern und Drittfirmen. Jetzt sei der Kunde am Zug, sagt er.

Zwar soll ein Iso-Standard diese Art von Schnittstelle wie sie Car-Data ist, bald herstellerübergreifend standardisieren. Aber im Moment zumindest hat BMW noch einen Vorsprung zur Konkurrenz. Und den will man in München nutzen. So wolle man das Datenangebot noch ausweiten, erklärt Zoller.

Wenn die KI das Elektroauto empfiehlt

Wenn es um Daten geht, dann ist ein Schlagwort nicht weit: künstliche Intelligenz (KI). Grundsätzlich handelt es sich um eine Teildisziplin der Informatik, die sich mit der Lösung von Problemen durch Computerprogramme befasst, und zwar solche, für deren Lösung der Mensch seine Intelligenz einsetzen müsste. Zum Einsatz kommen sie zum Beispiel beim autonomen Auto: Für die fahrerlosen Karossen braucht es dringend lernfähige Maschinen. Die Hersteller müssen für den datengetriebenen Entwicklungskreislauf zunächst über im Fahrzeug verbaute Sensoren Informationen über den Verkehr sammeln. Die werden intelligent aufbereitet und stehen dann quasi als Rohmasse für alle möglichen Systeme bereit.

Anzeige
Anzeige

Im Datacenter von BMW zeigt sich, was sich damit machen lässt. Mit jeder Menge Rechenleistung und der erforderlichen menschlichen wie künstlichen Intelligenz trainiert der Konzern unter anderem sogenannte neuronale Netze und entwickelt die Algorithmen stetig weiter. Auf diese Weise lassen sich zum Beispiel Verkehrsszenarien entwickeln, die in der Realität vielleicht selten vorkommen, für ein sicheres autonomes Fahrzeug allerdings unerlässlich sind – etwa welches Auto zuerst fährt, wenn vier Fahrzeuge an einer Kreuzung stehen, bei der Rechts vor Links gilt. Erst mit Hilfe von KI kann das Mobil eine intelligente Interpretation der gegebenen Situation ableiten – und letztendlich eine souveräne Fahrstrategie festlegen.

Auch wenn Unfälle wie die des Uber-Fahrzeugs im März noch daran zweifeln lassen: Bei den Autoherstellern ist man fest ­davon überzeugt, dass es innerhalb der kommenden Jahre ­gelingen wird, nahezu fehlerfrei navigierende Mobile zu kreieren, die zumindest sicherer sind als solche, hinter deren Steuer ein Mensch sitzt.

Um dieses hochgesteckte Ziel schnell zu erreichen, greift die Autobranche auch auf Kooperationen zurück. Daimler etwa hat vor wenigen Wochen erst vermeldet, die Zusammenarbeit mit dem israelischen Startup Anagog „vertiefen“ zu wollen. Das Unternehmen hat eine Software entwickelt, die das Fahrverhalten mit Hilfe verschiedener Sensoren im Smartphone analysiert und auf Basis von künstlicher Intelligenz künftige Bewegungs­szenarien vorhersagt. Durch die Analyse der Daten versteht das Smartphone, was der Nutzer tut und in welcher Umgebung er sich befindet. Beispielsweise ermittelt die Software, wie ein Fahrer beschleunigt, ob er die Geschwindigkeitsbegrenzungen einhält oder wo er häufig Stopps macht.

Anzeige
Anzeige

Die EQ-App von Daimler soll Autofahrern die Frage beantworten, ob ein Umstieg auf ein Elektroauto oder Hybridmodell empfehlenswert wäre. Die Smartphone-App zeichnet auf Wunsch Fahrstrecken des Nutzers auf, analysiert seine alltäglichen Routen und gleicht die Daten mit Parametern von Elektro- und Hybridfahrzeugen ab. (Foto: Daimler)

Daimler will basierend darauf verschiedene kontextbezogene Services anbieten. Solche etwa wie die App „EQ Ready“, die erste gemeinsame Entwicklung von Daimler und Anagog, seit September 2017 auf dem deutschen Markt. Sie soll einem Autofahrer bei der Entscheidung helfen, ob ein Elektro- oder Hybridfahrzeug für ihn sinnvoll ist oder nicht. Dazu kann sie reale Fahrten des ­Nutzers aufzeichnen und mit Parametern von Elektro- und ­Hybridfahrzeugen vergleichen. Dies ermögliche es, E‑Mobilität „virtuell und dennoch realitätsnah zu erproben“, verspricht ­Daimler.

Abgesehen von Nutzungsszenarien für den Kunden gehe es den Konzernen aber längst auch darum, die Schlüsseltechnologie KI für all jene unternehmensinternen Prozesse zu nutzen, die für die eigenen Mitarbeiter eine ergonomische Belastung seien, sagt Martin Hofmann, CIO von Volkswagen. „Wir haben massenhaft Daten, die wir verarbeiten, zum Beispiel Marktprognosen und Marktanalysen. Da gehen unsere Analysten im Betrieb durch Kolonnen von Tabellen und besorgen sich diese Daten.“ Eine extrem aufwändige und statische Arbeit für die Angestellten.

Die mögliche Lösung: In Zukunft sollen mit Hilfe von KI selbst­entwickelte Algorithmen die VW-Mitarbeiter unterstützen. ­Hofmann spricht von „augmentierter Intelligenz“: Die KI erstellt Analysen eigenständig und zeigt die möglichen Szenarien für den Markt auf. Der Mitarbeiter kann dann entscheiden, welches er für besser erachtet. „An dieser Stelle kommen dann menschliches Bauchgefühl und Erfahrung mit ins Spiel“, sagt der CIO. Die Bots, die man im Münchener Labor baut, sollen seine Kollegen in verschiedensten Bereichen des Konzerns unterstützen – und nicht ersetzen. Das sei die „Grundphilosophie“, die man hinsichtlich der Optimierung von Unternehmensprozessen verfolge.

Anzeige
Anzeige

Im Bereich Security will VW langfristig die eigenen Entwickler entlasten. Gemeinsam mit BASF, Bayer und der Allianz hat das Unternehmen ein Joint Venture gegründet, das an der Nutzung von KI-Algorithmen arbeitet, die Angriffsszenarien auf die eigenen Infrastruktur simulieren können. In einem anderen Szenario basteln die Wolfsburger an intelligenten Robotern, die Bewegungsmuster des einzelnen Mitarbeiters in den Werkhallen erkennen und ihm so ausweichen können. Die Konkurrenz schläft nicht: So setzt beispielsweise auch BMW künstliche Intelligenz ein, um Abläufe in der Produktion zu verbessern. Assistenz­systeme sollen die Mitarbeiter bei körperlicher Arbeit unterstützen können, etwa Leichtbauroboter, die schwere Bauteile heben.

Virtueller Austausch

Mit Kollegen aus Tschechien im virtuellen Raum austauschen oder Training in der VR: Im Digitial-Realities-Hub bündelt VW alle Virtual-Reality-Tools. (Screenshot: Volkswagen)

Auch mit virtueller Realität lassen sich Unternehmensprozesse optimieren – wie zum Beispiel bei Volkswagen: In Wolfsburg ist es beheimateten VW-Mitarbeitern etwa möglich, sich mit Kollegen in einer tschechischen Logistikhalle im virtuellen Raum auszutauschen. Nach einer Testphase hat der Konzern im Sommer mit dem Rollout der VR-Technologie mit der HTC Vive begonnen. Der dafür gemeinsam mit dem Startup Innoactive entwickelte „Volkswagen-Digital-Reality-Hub“ vereint die im Konzern existierenden VR-Anwendungen sowie Teilnehmer und Tools rund um Produktion und Logistik auf einer Plattform.

Nutzen will VW die Technologie auch im Virtual-­Engineering-Lab. Dort funktioniert sie als Arbeitsinstrument in der technischen Entwicklung: Ingenieure können an einem virtuellen Fahrzeug arbeiten, seine Ausstattung beliebig ändern, Bauteile virtuell neu konstruieren — und dann das Ergebnis ihrer Arbeit direkt sehen. Das funktioniert anhand einer Mixed-Reality-­Brille, der Hololens. Der von Microsoft entwickelte mobile Rechner pro­jiziert virtuelle Inhalte durch Gestensteuerung und Sprachbefehle auf ein physisches Objekt. Nach einem Fingerzeig wirft die Holo­lens eine andere Lackfarbe auf den Volkswagen, dann baut sie andere Räder an oder verändert die Stoßfänger. Änderungen, die in der Realität Stunden dauern würden, sind virtuell in Sekunden einsehbar.

Anzeige
Anzeige

BMW setzt Augmented Reality in der Logistik ein. Die Datenbrillen unterstützen die Mitarbeiter, indem sie ihnen etwa bei der Sortierung signalisieren, wo sie das richtige Bauteil finden und ablegen sollen. Gleichzeitig wird es von der Datenbrille visuell erfasst und einer optischen Qualitätsprüfung unterzogen.

Selbst den Kunden der Autohersteller kann das Spiel mit den Realitäten auf der Straße durchaus weiterhelfen. Ein ­neues Feature von Mercedes im Bereich Navigation ist die von ­Augmented Reality ergänzte Kartendarstellung. Ein mit Hilfe der ­Frontkamera des Fahrzeugs aufgenommenes Videobild der Umgebung wird dabei um Navigationsinformationen wie Straßennamen und Richtungspfeile angereichert. Kein Hexenwerk, nein. Aber im Alltag durchaus praktisch.

Prototyp aus dem Quantencomputer

Dass Zukunftstechnologien nicht unmittelbar einen Nutzen erfüllen müssen, darauf verweist Volkswagen dezent, wenn man den Konzern auf das Thema Quantencomputing anspricht. An eine kommerzielle Verwendung der aktuell laufenden Projekte denke das Unternehmen derzeit noch nicht, heißt es. Stattdessen gehe es zurzeit darum, das Potenzial von Quantencomputern zu verstehen und beherrschen zu lernen.

Dafür experimentiert das Unternehmen im Data-Lab in München, einem Standort der Konzern-IT, mit Quantencomputern, also jenen unmittelbar mit den Gesetzen der Quantenphysik operierenden Rechnern. Anders als heutige Computer arbeiten diese nicht nur mit einem binären Zahlensystem, also 0 oder 1, sondern kennen weitere Zustände, die sogenannten ­„Superpositionen“. Diese Zwischenzustände lassen sich mit klassischen Rechnern nicht darstellen und erweitern die Rechenmöglichkeiten des Computers enorm. Dadurch können manche komplexe Berechnungen in Geschwindigkeiten ausgeführt werden, die bisher nicht zu erreichen sind.

Helfen beim Verstehen und Forschen soll dem Konzern die kanadische Firma D-Wave, mit der Volkswagen seit einigen ­Monaten zusammenarbeitet. In einem ersten Forschungs­projekt haben IT-Experten des Autoherstellers einen Algorithmus entwickelt und anschließend auf Grundlage des Daten-Outputs von tausenden Taxis im chinesischen Beijing gezeigt, dass sich der Verkehrsfluss verbessern ließe. Während sich die Rechner von D-Wave vor allem für Optimierungsansätze eignen, arbeitet Volkswagen mit Google am sogenannten Quantum-Machine-­Learning – also daran, Quantencomputing in Kombination mit KI zu verwenden. Erklärtes Ziel: Die Rechengeschwindigkeit beim Anlernen neuronaler Netze zu nutzen.

Auch bei elektrisch betriebenen Fahrzeugen könnten die Super­rechner zum Einsatz kommen. Bis heute ist es nicht möglich, die elektrochemischen Prozesse einer Batterie zu simulieren, weil man dafür ziemlich umständlich eine Batterie bauen muss. „Die kommt dann unters Elektronenmikroskop und wird dort untersucht – und dann wieder neu gebaut. Das heißt, es müssen immer neue Prototypen entworfen werden, weil es bis heute keine Simulationsmöglichkeit für solche komplexen Prozesse gibt“, sagt CIO Hofmann. Der Quantencomputer erlaubt es im Gegensatz zu herkömmlichen Rechnern aber, quantenphysikalische ­Prozesse ­abzubilden – allerdings müsse man die dafür notwendigen Algorithmen programmieren. Und genau daran arbeite Volkswagen. Ein Umstand, der das Prozedere für Volkswagen ­extrem vergünstigen würde – Stichwort „Wirtschaftlichkeit“.

Nicht nur bei Volkswagen haben die Verantwortlichen von den Superrechnern gehört. Ende 2017 hat sich Daimler dem ­„IBM-Q-Network“, einem weltweiten Netzwerk von Industrie-, Forschungs- und Wissenschaftsinstitutionen für Quantencomputing, angeschlossen. Dort verfolgt der Konzern nach eigenen Angaben das Ziel, Quantentechnologie zu fördern und „erste kommerzielle Anwendungen zu entwickeln“. Gründungsmitglieder sind, abgesehen von Daimler, unter anderem Barclays, Hitachi ­Metals, Honda, JP Morgan Chase, Samsung sowie die ­Universitäten Oxford, Keio (Tokio) und Melbourne.

Ähnlich wie Volkswagen wollen auch die Stuttgarter mit Google im Bereich Quantencomputing vorerst gemeinsame ­Sache machen. Das meldete der Konzern vor wenigen Wochen. Grundsätzlich sei es so, dass künftige Mobilität die Bewältigung hochkomplexer Fragestellungen erfordere, die aktuelle Rechner­generationen und Serversysteme schlicht an ihre Leistungsgrenzen bringe oder sogar überfordern könnte. Mit Quantencomputern sei die Erwartung verbunden, diese Aufgaben weitaus schneller oder überhaupt erst lösen zu können, heißt es von Daimler.

Mit dem 72‑Qubit-Chip-Bristlecone hat Google den Quanten­computer mit der höchsten Anzahl an Quantenbits gebaut. Qubits sind die kleinstmögliche Speichereinheit und dienen als Maß für die Leistungsfähigkeit von Quantencomputern. Teams aus der Daimler-Konzernforschung und der -IT interessieren unter ­anderem die auf Quantenchemie basierende Wahl neuer ­Materialien – zum Beispiel für die Entwicklung von Batterie­zellen. Auch für die Optimierung von Fertigungsplanung und Produktion könnten Quantencomputer nützlich werden – oder eben für die ­Weiterentwicklung künstlicher Intelligenz. Die Technologien befruchten sich schließlich auch gegenseitig.

Tanken via Blockchain

Die große Erprobungsphase der Autoindustrie setzt sich bis hin zu Blockchain fort. Porsche glaubt bei der Technologie an den Zauber der dezentralen Datenspeicherung in Kombination ­mit hoher Sicherheit: „Viele der Anwendungen, die wir implementiert und getestet haben, sind zunächst einmal primär technologisch interessant“, sagt Anja Hendel, Leiterin des Porsche Digital Labs in Berlin.

Konkret geht es um per se sinnvolle Anwendungen wie das Öffnen und Schließen des Fahrzeugs, Themen mit einem hohen Sicherheitsaspekt also. Im E-Mobilitäts-Umfeld sei das Laden ein interessanter Anwendungsfall, sagt Hendel: „Hier wird mithilfe von Blockchain ein Vertrag zwischen Fahrzeug und ­Ladesäule abgeschlossen. Ein Smart Contract, auf dessen Grundlage die Tankfüllung dann bezahlt wird.“ Anders formuliert: Einen ­Mittelsmann braucht es nicht mehr, der Tankwart wird überflüssig.

Gemeinsam mit dem Berliner Startup Xain, das im vergangenen Sommer den „Porsche Innovation Contest“ gewonnen hat, testet der Sportwagenhersteller weitere Blockchain-­Anwendungen im Fahrzeug. Über sogenanntes auditierbares Daten-­Logging werden zu verarbeitende Daten lokal in einer verteilten Blockchain verschlüsselt. Die Kontrolle über die Daten liege beim ­Nutzer, betont Porsche. Er entscheide über deren Verwendung für bestimmte Situationen. Sämtliche Aktivitäten würden in der Blockchain dokumentiert, Löschvorgänge auf diese Weise transparent gemacht.

Auch auf Konzernebene hantiert man längst mit der aus der Finanzwelt bekannten Technologie. Erst vor einigen Wochen hat Volkswagen die Zusammenarbeit mit dem Berliner Krypto-­Startup IOTA bekanntgegeben. Im Gegensatz zu herkömmlichen Blockchain-Lösungen setzt das Startup auf ein blockloses sogenanntes „Tangle-System“, das speziell im Internet der Dinge im Verbund mit unzähligen Endpunkten von Vorteil sein soll. Dabei erfolgt die Validierung von Transaktionen anhand der Bestätigungen anderer Übertragungen. So muss jede Transaktion zunächst zwei weitere Transaktionen im Netzwerk von IOTA verifizieren, um Gültigkeit zu erlangen. Ein IOTA-basiertes Netzwerk soll so im Gegensatz zu klassischen Blockchain-Lösungen mit steigender Teilnehmerzahl zunehmend leistungsstärker werden. Für VW könnte die Idee des Startups beispielsweise beim ­„Platooning“ von autonomen Fahrzeugen helfen: Wenn sich ­mehrere Autos zu einer Kolonne zusammenschließen, um im Windschatten ­Treibstoff oder Energie zu sparen, könnten die hinteren dem vorderen künftig Geld zahlen. IOTA könnte die ­Bezahlungen ­abwickeln und gleichzeitig Manipulationen ausschließen.

Für eine Überraschung hat kürzlich Daimler gesorgt, als der Konzern eine eigene Kryptowährung namens Mobicoin ankündigte. Das Anfang März vorgestellte Blockchain-Projekt befindet sich derzeit in der Testphase, rund 500 Mercedes-Fahrer nehmen teil. Bis Mitte Mai können sich die Teilnehmer durch besonders umweltschonendes Fahren die auf der Blockchain basierende Währung erwerben. Kryptowährung als Öko-Anreiz – so viel Umweltbewusstsein hätte man der Automobilbranche gar nicht zugetraut.

So unterschiedlich die Szenarien für die Fahrzeughersteller bei künstlicher Intelligenz, Quantencomputing oder auch Blockchain aussehen, eines vereint sie: Die Technologie bleibt im Hintergrund. Es sind die Usecases, die Alexander Mankowsky befürwortet. Der Mensch kann dabei Mensch bleiben, die Technologie greift ihm unterstützend unter die Arme, mehr nicht. Der ­deutsche Cocktail aus Zukunftsdiskurs und angewandter Technologie, er könnte durchaus zu einem deutschen Erfolgsrezept werden. Zumindest, solange die Mischung aus Mensch und Maschine stimmt.

Mehr zu diesem Thema
Fast fertig!

Bitte klicke auf den Link in der Bestätigungsmail, um deine Anmeldung abzuschließen.

Du willst noch weitere Infos zum Newsletter? Jetzt mehr erfahren

Anzeige
Anzeige
Schreib den ersten Kommentar!
Bitte beachte unsere Community-Richtlinien

Wir freuen uns über kontroverse Diskussionen, die gerne auch mal hitzig geführt werden dürfen. Beleidigende, grob anstößige, rassistische und strafrechtlich relevante Äußerungen und Beiträge tolerieren wir nicht. Bitte achte darauf, dass du keine Texte veröffentlichst, für die du keine ausdrückliche Erlaubnis des Urhebers hast. Ebenfalls nicht erlaubt ist der Missbrauch der Webangebote unter t3n.de als Werbeplattform. Die Nennung von Produktnamen, Herstellern, Dienstleistern und Websites ist nur dann zulässig, wenn damit nicht vorrangig der Zweck der Werbung verfolgt wird. Wir behalten uns vor, Beiträge, die diese Regeln verletzen, zu löschen und Accounts zeitweilig oder auf Dauer zu sperren.

Trotz all dieser notwendigen Regeln: Diskutiere kontrovers, sage anderen deine Meinung, trage mit weiterführenden Informationen zum Wissensaustausch bei, aber bleibe dabei fair und respektiere die Meinung anderer. Wir wünschen Dir viel Spaß mit den Webangeboten von t3n und freuen uns auf spannende Beiträge.

Dein t3n-Team

Melde dich mit deinem t3n Account an oder fülle die unteren Felder aus.

Bitte schalte deinen Adblocker für t3n.de aus!
Hallo und herzlich willkommen bei t3n!

Bitte schalte deinen Adblocker für t3n.de aus, um diesen Artikel zu lesen.

Wir sind ein unabhängiger Publisher mit einem Team von mehr als 75 fantastischen Menschen, aber ohne riesigen Konzern im Rücken. Banner und ähnliche Werbemittel sind für unsere Finanzierung sehr wichtig.

Schon jetzt und im Namen der gesamten t3n-Crew: vielen Dank für deine Unterstützung! 🙌

Deine t3n-Crew

Anleitung zur Deaktivierung
Artikel merken

Bitte melde dich an, um diesen Artikel in deiner persönlichen Merkliste auf t3n zu speichern.

Jetzt registrieren und merken

Du hast schon einen t3n-Account? Hier anmelden

oder
Auf Mastodon teilen

Gib die URL deiner Mastodon-Instanz ein, um den Artikel zu teilen.

Anzeige
Anzeige