Anzeige
Anzeige
Anzeige
Anzeige
MIT Technology Review News
Verpasse keine News mehr!

17 Stunden Videotraining: Wie ein Operationsroboter acht Gallenblasen selbstständig entfernte

Forschende der Johns Hopkins University haben einen KI-gestützten Operationsroboter mit Video-Aufnahmen trainiert. Das System lernte so, acht Schweine-Gallenblasen autonom zu entfernen.

Von Veronika Szentpétery-Kessler
4 Min.
Artikel merken
Anzeige
Anzeige
Auch eine selbstständige Korrektur war möglich: Das Roboter-System erkannte, wenn es beispielsweise die Gallenblasenarterie erneut greifen musste, wenn sie beim ersten Mal aus dem Griff gerutscht war. (Foto: XinHao Chen/Johns Hopkins University)

Jährlich assistieren knapp vier Millionen Operationsroboter bei mehr als 300 Millionen medizinischen Eingriffen. Von Chirurgen gesteuert helfen sie, Sehfehler zu korrigieren, Gewebeproben zu entnehmen und Tumorgewebe zu veröden. Bisher führen sie Operationen aber noch nicht ganz selbstständig aus. Forschenden um Axel Krieger an der Johns Hopkins University in Baltimore ist es jetzt gelungen, einen Da-Vinci-Operationsroboter mit mehr Autonomie auszustatten, als sie bisherige Systeme besitzen.

Anzeige
Anzeige

Roboter im Einsatz am OP-Tisch

„Existierende chirurgischen Robotertechnologien haben bestimmte Eingriffe weniger invasiv gemacht, aber die Komplikationsraten sind im Vergleich zu früheren laparoskopischen [Schlüsselloch-, Anm. d. Red.] Operationen [die Chirurgen durchführen] nicht wirklich gesunken“, sagte Krieger dem Wissenschaftsmagazin „New Scientist“.

Das von seinem Team angepasste System namens „Roboter Transformer-Hierarchy“ (SRT-H) – das auf dem für Forschungszwecke verfügbaren Open-Source-Kit „Da Vinci Si“ basiert – entfernte mithilfe einer zweistufigen KI-Steuerung in Laborversuchen acht Schweine-Gallenblasen fachmännisch und fast komplett ohne menschliches Zutun. Die Eingriffe fanden ex vivo statt, also an entnommenen Organ-Duos aus Leber und Gallenblase und nicht an lebenden oder toten Schweinen. Dabei führte der Roboter insgesamt 17 verschiedene Schritte aus. Die Ergebnisse wurden Anfang Juli im Fachjournal Science Robotics veröffentlicht.

Anzeige
Anzeige

Was ist die Aufgabe einer Gallenblase?

Die birnenförmige Gallenblase ist mit der Leber verbunden und dient als Speicherbehälter für die in der Leber produzierte Gallenflüssigkeit. Diese hilft beim Verdauen von Fetten. Bilden sich in der Gallenblase wiederholt Gallensteine und verstopfen den ausführenden Gang oder verklemmen sich in dem Organ selbst, kann das zu Beschwerden wie Übelkeit und Erbrechen, einer schmerzhaften Entzündung der Gallenblase oder ebenfalls extrem schmerzhaften Gallenkoliken führen.

Kommt es wiederholt zu schweren Beschwerden, empfehlen Ärzte, das Organ zu entfernen. Die Operation wird in Deutschland jedes Jahr rund 180.000-mal durchgeführt. Man kann problemlos ohne das Organ leben, die Leber produziert die Gallenflüssigkeit weiter nach Bedarf und gibt sie in denselben Gang ab, in den der Gallenblasengang sonst mündet.

17 Stunden Videotraining

Die Forschenden trainierten ihr System zunächst mit 17 Stunden an Videomaterial von Gallenblasen-Operationen mit nahezu 16.000 Bewegungen. In diesen zeigten zwei Chirurgen wiederholt den Ablauf des Eingriffs mit dem Forschungsroboter und zeichneten die Prozedur mit einer Endoskopkamera und zwei Handgelenkkameras an den Roboterarmen auf. Vereinfacht gesagt klemmten die Mediziner zuerst den Ausführgang der Gallenblase mit drei Klammern ab und durchtrennten den Gang dann zwischen zwei der Klammern. Anschließend wurde die Gallenblasenarterie, die das Organ und Gallengang versorgt, auf dieselbe Art abgetrennt. Das Team verstärkte das visuelle Training mit Untertiteln, die die Aufgaben beschrieben.

Um aus den nur 34 Schweinelebern mit Gallenblase, die ihnen zur Verfügung standen, trotzdem Hunderte Trainingsvideos produzieren zu können, verwendeten die Chirurgen nicht einrastende Klammern, um ihr Platzieren wiederholt demonstrieren zu können. Dazu brachten sie die Operationsschere jeweils nur in Position, ohne die je zwei Schnitte auch zu setzen.

Anzeige
Anzeige

Anschließend kamen die beiden KI-Elemente zum Einsatz: Die erste wertete die Video-Aufnahmen aus und übersetzte sie in verbale Anweisungen wie „klemme das Gefäß ab“. Das zweite KI-Element wiederum übersetzte diese Instruktionen in dreidimensionale Bewegungspfade für die klammersetzenden und schneidenden chirurgischen Instrumente.

Zum Schluss wurde die Operation an acht neuen Gallenblasen mit funktionstüchtigen Klammern durchgeführt und die Trennschnitte gesetzt. Der Roboter musste die anatomischen Elemente sicher identifizieren und präzise greifen, dann Klammern strategisch platzieren und an der richtigen Stelle schneiden. Dabei konnte er auch auf gesprochene Befehle von beobachtenden Chirurg:innen wie auf „bewege den linken Arm ein wenig nach links“ reagieren und aus diesem Feedback lernen – ähnlich wie unerfahrene Chirurg:innen, der von Mentor:innen angeleitet wird.

Alle acht Operationen verliefen erfolgreich: Der Roboter passte sich den neuen anatomischen Gegebenheiten, verschiedenen Startpositionen seiner Instrumente und auch dem Zufügen blutähnlicher Farbstoffe an, die das Aussehen der Gallenblase und des umgebenden Gewebes veränderten.

Anzeige
Anzeige

OP-Roboter kann sich korrigieren

Zwar musste sich das System im Schnitt sechsmal pro Eingriff korrigieren und beispielsweise die Gallenblasenarterie erneut greifen, wenn sie beim ersten Mal aus dem Griff gerutscht war. Allerdings „konnte es die anfänglichen Fehler korrekt erkennen und selbstständig korrigieren“, sagte Krieger dem New Scientist. Etwas externe Hilfe brauchte der Roboter dann doch, da er nicht selbstständig jeweils neue Klemmen nachladen konnte, sondern ein Mensch das übernehmen müsste. Er stoppte aber von selbst und fragte nach den neuen Klammern oder danach, dass das klammersetzende Griffstück durch die Schere ersetzt wird.

Bereits 2022 führte Kriegers Team mit dem Smart Tissue Autonomous Robot (STAR) eine weitgehend autonome Roboteroperation an einem lebenden Tier durch. Bei diesem laparoskopischen Eingriff an einem Schwein benötigte das Gerät jedoch speziell markiertes Gewebe und folgte einem vorab festgelegten Operationsplan.

Im vergangenen Jahr trainierte Kriegers Team mit dem neuen System einen Roboter in drei grundlegenden chirurgischen Aufgaben: dem Handhaben einer Nadel, dem Anheben von Körpergewebe und dem Nähen. Diese Aufgaben dauerten jeweils nur wenige Sekunden. Dagegen brauchen die einzelnen Schritte einer Gallenblasenentfernung jeweils mehrere Minuten.

Anzeige
Anzeige

Als Nächstes plant das Team, das System für Operationen an lebenden Tieren zu trainieren, bei denen atmungsbedingte Bewegungen von Gewebe und Blutungen eine neue Schwierigkeitsstufe darstellen.

Fast fertig!

Bitte klicke auf den Link in der Bestätigungsmail, um deine Anmeldung abzuschließen.

Du willst noch weitere Infos zum Newsletter? Jetzt mehr erfahren

Anzeige
Anzeige
Kommentare

Community-Richtlinien

Bitte schalte deinen Adblocker für t3n.de aus!
Hallo und herzlich willkommen bei t3n!

Bitte schalte deinen Adblocker für t3n.de aus, um diesen Artikel zu lesen.

Wir sind ein unabhängiger Publisher mit einem Team von mehr als 75 fantastischen Menschen, aber ohne riesigen Konzern im Rücken. Banner und ähnliche Werbemittel sind für unsere Finanzierung sehr wichtig.

Schon jetzt und im Namen der gesamten t3n-Crew: vielen Dank für deine Unterstützung! 🙌

Deine t3n-Crew

Anleitung zur Deaktivierung
Artikel merken

Bitte melde dich an, um diesen Artikel in deiner persönlichen Merkliste auf t3n zu speichern.

Jetzt registrieren und merken

Du hast schon einen t3n-Account? Hier anmelden

Auf Mastodon teilen

Gib die URL deiner Mastodon-Instanz ein, um den Artikel zu teilen.

Community-Richtlinien

Wir freuen uns über kontroverse Diskussionen, die gerne auch mal hitzig geführt werden dürfen. Beleidigende, grob anstößige, rassistische und strafrechtlich relevante Äußerungen und Beiträge tolerieren wir nicht. Bitte achte darauf, dass du keine Texte veröffentlichst, für die du keine ausdrückliche Erlaubnis des Urhebers hast. Ebenfalls nicht erlaubt ist der Missbrauch der Webangebote unter t3n.de als Werbeplattform. Die Nennung von Produktnamen, Herstellern, Dienstleistern und Websites ist nur dann zulässig, wenn damit nicht vorrangig der Zweck der Werbung verfolgt wird. Wir behalten uns vor, Beiträge, die diese Regeln verletzen, zu löschen und Accounts zeitweilig oder auf Dauer zu sperren.

Trotz all dieser notwendigen Regeln: Diskutiere kontrovers, sage anderen deine Meinung, trage mit weiterführenden Informationen zum Wissensaustausch bei, aber bleibe dabei fair und respektiere die Meinung anderer. Wir wünschen Dir viel Spaß mit den Webangeboten von t3n und freuen uns auf spannende Beiträge.

Dein t3n-Team

Kommentar abgeben

Melde dich an, um Kommentare schreiben und mit anderen Leser:innen und unseren Autor:innen diskutieren zu können.

Anmelden und kommentieren

Du hast noch keinen t3n-Account? Hier registrieren