8 Schritte zur Internationalisierung: So nutzen Mittelständler ihre Chance
Man stelle sich folgendes Idealszenario vor: Ein lokaler brasilianischer Lebensmittelhersteller benötigt eine Palettier-Maschine. Er recherchiert online, informiert sich in Fachforen und auf Messen und kauft schließlich bei einem brasilianischen Fachhändler die Maschine eines Herstellers aus der Vordereifel. Ein gelungenes Beispiel für Internationalisierung. Damit das so funktioniert, bedarf es für den deutschen Mittelständler einer cleveren, weltweiten Marketing- und Vertriebsstrategie.
Die Eroberung weltweiter Märkte ist hierzulande für viele mittelständische Unternehmen allerdings noch ein eher stiefmütterlich gepflegter Gedanke. Viele Traditionsunternehmen und deren Entscheider vertrauen immer noch zu sehr auf Altbewährtes: die bestehenden Vertriebskanäle, die derzeitigen Kunden und Zielgruppen sowie deren Bedürfnisse.
Internationalisierung wird nicht selten kolossal unterschätzt
Trotz der bekannten Benefits ist eine Expansion in neue Märkte für Entscheider oft ein Buch mit sieben Siegeln. Doch in Zeiten des digitalen Wandels gilt: Wenn wir es nicht machen, macht es in nicht allzu ferner Zukunft jemand anderes.
Dabei kann deutschen Mittelständlern die Internationalisierung sehr wohl gelingen, wenn sie richtig angegangen wird. Für das Erschließen neuer Märkte gibt es acht Schritte, an denen sich Unternehmer und Manager orientieren sollten:
Schritt 1: Geht die Märkte an, die das größte Potenzial bieten
Das setzt voraus, dass ihr die jeweiligen Marktpotenziale der einzelnen Länder auch kennt. Deshalb sollte der erste Schritt bei einer Internationalisierung immer die Bestimmung der Marktgröße sein. Mögliche Leitfragen sind: Wie groß ist die Nachfrage nach unseren Produkten auf Google, Amazon und Co.? Oder: Wie groß ist der Anteil unserer Zielgruppe, den wir über Social Media erreichen können?
Schritt 2: Lernt eure Zielgruppen und deren Bedürfnisse neu kennen
Was eure Kunden in Deutschland antreibt, ist nicht notwendigerweise auch das, was potenzielle Kunden in anderen Ländern beschäftigt. Die länderspezifischen Bedürfnisse und Erwartungen zu verstehen ist essenziell, denn diese haben nicht nur Implikationen für die Produktkommunikation, sondern können auch Anpassungen in der Produktentwicklung erfordern. Idealerweise lassen sich solche Faktoren gut durch Online-Umfragen im Zielland eruieren.
Schritt 3: Definiert euer Geschäftsmodell
Ihr wisst nun, wo sich eine Expansion lohnen könnte, ihr kennt eure Zielgruppe und wisst, wie ihr das Produkt (um)gestalten müsst. Als nächstes solltet ihr eure Ziele festlegen. Stellt dazu folgende Fragen: Welches Ergebnis soll aus unseren Bemühungen hervorgehen? Wollen wir Leads generieren, die wir an lokale Partner weitergeben? Oder wollen wir selbst direkt Produkte verkaufen?
Schritt 4: Legt eine klare Vertriebsstruktur fest
Damit die Expansion gelingt, muss der Vertrieb reibungslos funktionieren. Habt ihr unter Schritt 3 die Leadgenerierung gewählt, müsst ihr nun den konkreten Prozess definieren: Wer generiert die Leads, wer bewertet sie? Wer entscheidet, welche Leads so hochwertig sind, dass sie an Händler oder Vertriebspartner weitergegeben werden?
Ist euer Ziel hingegen der direkte Produktverkauf, solltet ihr folgendes klären: Wo soll der Verkauf stattfinden? Stationär, in eigenen Shops? Oder auf digitalen Marktplätzen? Welche dieser Marktplätze sind im Zielland relevant? Zudem solltet ihr die Ergebnisse mit den Insights der Nachfrageanalyse aus den Schritten 1 und 2 abgleichen.
Schritt 5: Wählt eine Logistikform, die den Kundenbedürfnissen entspricht
Ihr habt grundsätzlich die Wahl, die Logistik selbst zu übernehmen oder ein lokales Logistikunternehmen (einen sogenannten Fulfillment-Provider) dafür zu engagieren. Entscheidet ihr euch für eine eigene Logistik, könnt ihr die Nachfrage im neuen Markt entweder aus dem Heimatland bedienen oder durch Niederlassungen lokal aufbauen. Prüft dabei sorgfältig, ob beispielsweise die Erwartungshaltung der künftigen Kunden die Lieferzeit betreffend eine lokale Logistik nicht sogar zwingend erforderlich macht.
Schritt 6: Etabliert klare Abstimmungsprozesse
Um unnötige Schleifen, Missverständnisse und Fehlinformationen zu vermeiden, solltet ihr die Zuständigkeiten eindeutig festlegen. Welche Entscheidungen werden zentral getroffen, welche werden an die örtlichen Niederlassungen ausgelagert?
Schritt 7: Bereitet die technische Infrastruktur vor
Habt ihr euch unter Schritt 3 für die Leadgenerierung entschieden, erfordert dies ein Leadmanagement-System, mit dem die Qualifizierung und Bearbeitung der Leads durch alle Beteiligten lückenlos nachverfolgt werden kann. Ist das Ziel hingegen der Eigenvertrieb, müsst ihr sicherstellen, dass das Shop-System dies auch abbilden kann. Prüft, ob alle notwendigen Schnittstellen zur Zahlungsabwicklung, Logistik und Warenwirtschaft mit den Systemen im neuen Zielland vorhanden sind. Zudem sollte es eine Testumgebung geben, auf der die Infrastruktur auf Basis von Daten und Erfahrungen optimiert werden kann.
Schritt 8: Geht die Internationalisierung nicht halbherzig an
Um international erfolgreich zu werden, bedarf es mutiger Entscheidungen und wortwörtlich eines vollen Einsatzes. Stellt deshalb unbedingt ausreichende Ressourcen zur Verfügung. Geht ihr die Expansion in den Vertriebs-, Marketing- oder Logistikabteilungen mit zu wenig Mannstärke an, ist ein Scheitern vorprogrammiert.
Zum Abschluss noch ein Wort der Ermutigung: Internationalisierung bietet dem deutschen Mittelstand ungeahnte Wachstumsmöglichkeiten. Die Risiken sind bei einem strukturierten Vorgehen sehr gut unter Kontrolle zu halten und zu managen. Es wäre lohnenswert, wenn sich mehr mittelständische Unternehmen an dieses Thema heranwagten.