Neurograins: Diese Mini-Chips sollen die Gehirn-Computer-Schnittstelle der Zukunft sein
An Hirnimplantaten wird in vielen Richtungen und in vielen Einrichtungen geforscht. Auch Elon Musks Firma Neuralink arbeitet an einem Chip, der ins Hirn implantiert werden kann und es seinem Träger ermöglicht, etwa Dinge per Gedankensteuerung zu bewegen. Zuletzt hatte Neuralink so einen Affen das Videospiel Pong bedienen lassen.
Das sogenannte Neurograins-System eines Forscherteams von der Brown University im kleinsten US-Bundesstaat Rhode Island will im Grunde ebenfalls am Ende zu einem therapeutischen Nutzen gelangen, hängt seine Ziele aber zunächst deutlich niedriger als Musks Neuralink.
Neurograins sollen umfassendes Bild der Hirnaktivität liefern
So wollen die Neurograin-Forscher zunächst einmal eine Situation erschaffen, in der sie möglichst viele Hirnsignale aus möglichst vielen Hirnarealen erhalten und auswerten können. Dazu haben sie die bislang eher monolithische Bauweise entsprechender Elektrodenlösungen aufgebrochen und auf Salzkorngröße reduziert. Statt eines kompakten „Pflasters“ mit bis zu 100 Elektroden, setzen die Brown-Forscher auf mehrere Hundert kleiner Sensoren, die winzig wie ein Salzkorn sind und auf der gesamten Großhirnrinde, also der äußeren Gewebeschicht des Gehirns, verteilt werden können.
Eine der großen Herausforderungen auf dem Gebiet der Gehirn-Computer-Schnittstellen besteht darin, Wege zu finden, so viele Punkte im Gehirn wie möglich zu erfassen. Bis jetzt waren die meisten Gehirn-Computer-Schnittstellen monolithische Geräte, ein bisschen wie kleine Nadelbetten. Die Idee unseres Teams war es, diesen Monolithen in winzige Sensoren aufzubrechen, die über die Großhirnrinde verteilt werden können.
Diese Mikroelektroden sammeln unabhängig voneinander Hirnsignale ein, verstärken sie und senden sie an eine außen am Kopf angebrachte Empfangseinheit, die so groß wie ein Daumenabdruck ist. Die wiederum bündelt die Signale der einzeln per Netzwerkadresse ansprechbaren Chips und leitet sie an einen Computer weiter. Ebenso versorgt sie die kleinen autonomen Neurograins drahtlos mit Energie. Dabei nutzt sie eine transkutane 1-GHz-Verbindung für die Kommunikation und Steuerung.
Tierversuch erfolgreich, System soll weiter miniaturisiert werden
In einem Tierversuch konnte das Team die Funktionsfähigkeit nachweisen. Sie setzten einer Ratte 48 Neurograins ein und konnten darüber die Hirnsignale des Tiers auslesen. Da die Sensoren eigene Netzwerkadressen haben, können die eingefangenen Signale dem Hirnareal zugeordnet werden, auf dem der Sensor sitzt. Dabei gelang es ihnen ebenso, Hirnareale gezielt mit elektrischen Impulsen zu stimulieren.
In einem größeren Organismus kann das Neurograins-System aktuell mit bis zu 770 Sensoren arbeiten. Durch weitere Miniaturisierung soll das System bald auf mehrere tausend dieser Chips zugreifen können. Damit wäre ein bislang ungekanntes Abbild der Hirnsignale des Neurograins-Verwenders möglich. Das Team um Professor Nurmikko sieht darin den Schlüssel für die Entwicklung moderner Therapieformen, die mit Gedankensteuerung oder umgekehrt über Hirnstimulation arbeiten könnten.
Ziel: Menschen mit „verheerenden Verletzungen“ helfen
„Unsere Hoffnung ist, dass wir letztendlich ein System entwickeln können, das neue wissenschaftliche Erkenntnisse über das Gehirn und neue Therapien ermöglicht, die Menschen mit verheerenden Verletzungen helfen können“, so Studienleiter Nurmikko.
Neben der Brown University waren auch Forscher von der Baylor University im texanischen Waco, der University of California in San Diego und dem Chiphersteller Qualcomm an dem vierjährigen Projekt beteiligt. Die Ergebnisse seiner Arbeit hat das Team im Wissenschaftsmagazin Nature veröffentlicht.