Elon Musk übernimmt Twitter: Ist Mastodon eine echte Alternative?
Immer, wenn sich jemand anschickt, Geld in die Hand zu nehmen, um Twitter zu kaufen, geht eine regelrechte Schockwelle durch die Nutzerschaft, die den Dienst seit Jahren gerne kostenlos verwendet. Rufe nach Formen der Enteignung werden laut. Manch einer fordert sogar eine Kurznachrichtenplattform als Projekt, das durch die EU gefördert werden müsste, um die Demokratie zu retten, die von Elon Musk als Twitter-Eigner unmittelbar bedroht sei.
Bedeutung Twitters wird überschätzt
Dabei übersehen die Aufgeregten stets zwei wesentliche Punkte. Zum einen gibt es weltweit 330 Millionen aktive Twitter-Accounts bei fast acht Milliarden Menschen. Gemessen daran ist fast niemand auf Twitter. In Deutschland verzeichnet Twitter immerhin 12 Millionen monatlich aktive Nutzer. Facebook bringt es auf 32 Millionen.
Das klingt schon nach viel. Wenn wir aber bedenken, dass es für die Zahl der monatlich aktiven Nutzer schon reicht, einmal im Monat den Dienst genutzt zu haben, relativiert sich der Wert ganz schnell. Schauen wir auf die täglich aktiven Nutzer kommt Twitter in Deutschland auf rund 1,4 Millionen oder 1,7 Prozent der deutschen Bevölkerung.
Dennoch, das ist nicht wegzudiskutieren, ist es nie gut, wenn eine Plattform, die sich eine gewisse Monopolstellung erarbeitet hat, in den Händen eines einzelnen Unternehmens liegt. Theoretisch könnte Twitter morgen abgeschaltet werden. Wieso es nun ein größeres Problem darstellen soll, wenn nicht nur ein einzelnes Unternehmen, sondern sogar ein einzelner Unternehmer den Dienst übernimmt, erschließt sich nicht wirklich. Zumal Musk ja nur die Hälfte des Kaufpreises selbst stemmen will und dementsprechend weitere Partner an Bord nehmen musste.
Twitter-Alternativen hat es immer schon gegeben
Der zweite Fehler besteht darin, zu glauben, es gäbe keine Alternativen zu Twitter. Die gibt es selbstverständlich und sogar schon sehr lange. Die aktuellste Twitter-Alternative hört auf den Namen Mastodon und ist als Teil der OStatus-Community gestartet. OStatus ist ein offenes Protokoll, über das dezentral laufende Plattformen miteinander kommunizieren können. Ihr könntet also einen OStatus-Server für euch selbst oder eine Gruppe von Leuten betreiben und darüber auch Personen folgen, die Konten auf anderen Servern haben.
Das ist nicht neu, sondern im Grunde von der Zeit bereits überholt. Vor 2010 entstand das OpenMicroBlogging-Protokoll, das heute OStatus heißt. Die erste Implementierung war die Plattform laconi.ca, die dann Statusnet hieß und heute als GNU Social nach wie vor eine Randerscheinung ist.
In den Nullerjahren war es sogar möglich, Twitter-Clients mit der API von laconi.ca verbinden, und so in beiden Welten gleichzeitig unterwegs zu sein. Dieser Zustand hielt allerdings nicht lange an. Twitter erkannte recht schnell, dass es sich nur durch Verdrängung würde durchsetzen können und begann, sein Angebot kompromisslos zu zentralisieren. Innerhalb weniger Jahre hatte Twitter das Ökosystem, ohne das es nicht hätte wachsen können, attackiert und weitgehend vernichtet. Da gab es alternative Clients, Bilderhoster und andere Dienstleister – alle inzwischen weg. Gift und Galle spuckten jeweils einige, dem Dienst hat es nicht geschadet.
Open-Microblogging ist keine neue Erfindung
Es wäre immerhin einfach gewesen. Jederzeit war der Wechsel zu einer dezentralen Alternative möglich gewesen. Der Haken war und ist, dass nur eine Minorität der Nutzer sich über solche Themen überhaupt Gedanken macht. Das Aufsetzen einer laconi.ca-Instanz seinerzeit war nicht schwierig, ich habe das damals getan.
Aber das Erstellen eines Twitter-Kontos war viel einfacher. Auch das Finden anderer Nutzer war bei Twitter wesentlich einfacher und ist es im Vergleich zu etwa Mastodon auch immer noch. Für Twitter gab es mehr Clients und jene, die mit laconi.ca hätten arbeiten können, stellten die Verbindung gar nicht erst her oder schnell wieder ein. Dagegen kommt kein Dienst an.
Die Community-Group zu OStatus, die an der Fortentwicklung des Protokolls arbeiten sollte, hatte schon seit Beginn des Jahres 2012 keinerlei Veröffentlichungen mehr aufzuweisen. Man kann mit Fug und Recht sagen, dass das bisschen Schwung, das zu Beginn da gewesen sein mag, recht schnell verpufft war. 2019 wurde die Gruppe ganz eingestellt und die Arbeit am Protokoll der Social Web Incubator Community Group (bekannt als SocialCG, oder SWICG) zugeordnet. Dort halten sich Fortschritte ebenfalls in engen Grenzen.
Das war wohl irgendwann auch den Machern von Mastodon zu träge. Sie verabschiedeten sich mit der Version 3.0 von OStatus und wechselten zu Activitypub. Activitypub ist ein 2018 veröffentlichtes, offenes, dezentrales Protokoll für soziale Netzwerke, das vom W3C verwaltet wird. Es bietet ein Client-zu-Server-API zum Erstellen, Hochladen und Löschen von Inhalten sowie ein Server-zu-Server-API für eine dezentrale Kommunikation.
Wer ist nun schuld an der schleppenden Entwicklung bei den Twitter-Alternativen? Natürlich wir, die Nutzenden, die es am liebsten ganz bequem haben; so bequem wie es nur in einem Walled Garden geht.
So funktioniert Mastodon
Nach dem Musk-Coup wird nun wieder einmal nach der Twitter-Alternative „gesucht“. Dezentralisiert müsste sie natürlich sein, damit alles möglichst divers strukturiert bleibt und keine einzelne Entität zu viel Einfluss auf den Dienst bekäme. Die Hoffnungen liegen auf dem Dienst Mastodon, der seit 2016 kaum über ein Nischendasein hinausgekommen ist, wenn wir einmal von der US-Plattform Gab.com absehen.
Dieser, der konservativ-politischen Szene in den USA nahestehende Dienst bietet die weltweit größte Mastodon-Instanz (so werden die einzelnen Server genannt, auf denen die Open-Source-Software läuft). Theoretisch können die Mastodon-Instanzen über die sogenannte Föderation miteinander kommunizieren, sodass sie quasi wie eine monolithische Plattform auftreten könnten.
Tatsache ist aber, dass die einzelnen Instanzen andere Instanzen ausschließen können, was mit Blick auf Gab.com fast jeder getan zu haben scheint. Wo da der große Mehrwert der Dezentralität im Zweifel herkommen soll, darf zumindest kritisch hinterfragt werden. Nicht, dass mich da einer falsch verstehen will. Gab.com ist keine Plattform, die ich für unterstützenswert hielte, aber grundsätzlich betrachtet macht es halt wenig Unterschied, ob eine zentrale Entität Nutzer oder Nutzergruppen sperrt oder ob das über ganz viele kleine Entitäten erfolgt. Das Ergebnis ist identisch.
Wer sich also einen Mastodon-Account anlegen will, um danach nicht mehr zu tweeten, sondern zu tooten (tröten), muss sich zunächst einen Server auswählen und sich dort registrieren, ähnlich wie bei Discord. Server werden von privaten und institutionellen Betreibern unterhalten. Der Name, den man sich dann aussuchen kann, besteht aus dem gewählten Kürzel und dem Servernamen als Anhang. Ich bin auf Mastodon etwa als @dpetereit@mastodon.social zu finden. Ein Wechsel des „Heimat-Servers“ ist jederzeit möglich. Die Follower bleiben einem dabei enthalten.
Dieser Einstieg sei zunächst all jenen, die erst einmal nur testen wollen, wie sich das Nutzen der Software so anfühlt, empfohlen. Das Onboarding ist inzwischen etwas geschmeidiger geworden. Bei der Erstanmeldung schlägt Mastodon in Form der Anmeldeinstanz verschiedene Accounts vor, denen ihr initial folgen könntet, damit die Startseite nicht ganz so leer aussieht.
Nicht jeder muss direkt eine eigene Instanz starten – und wird das in aller Regel auch nicht tun. Klar muss sein, dass der Betrieb der Instanzen durch nichts und niemanden garantiert wird. Auch hier ist das jederzeitige Abschalten möglich. Ich verlasse mich da auf Mastodon.Social. Dabei handelte es sich um den ersten Server auf dieser Basis. Er wird betrieben von der gemeinnützigen Mastodon GmbH aus Deutschland und läuft jetzt seit sechs Jahren – soweit ich weiß – unterbrechungsfrei.
Mastodon: Tweetdeck-Optik und Anbindung an GNU Social
Optisch lässt sich nichts Schlechtes über Mastodon sagen. Das Netzwerk ist Twitter überaus ähnlich und erinnert vorrangig mit seinem dunklen Theme an das vormals populäre Tweetdeck – auch eine Software, die von Twitter aufgekauft und funktional abgestrippt wurde.
Ansonsten ist die Software auf dem Stand der Technik. Das Backend wurde mit Ruby on Rails erstellt, das Frontend läuft zeitgemäß mit React und Redux. Echtzeit-Updates funktionieren per WebSockets. Eine RESTful API erlaubt Anbindungen durch Drittanbieter. Wer sich mit Docker auskennt, hat Mastodon schnell am Laufen. Grundsätzlich erfordert Mastodon für Twitter-Nutzende keine Einarbeitungszeit. Die Funktionalität des auf 500 Zeichen begrenzten Microbloggingdienstes ist schnell zu erfassen.
Apropos schnell – das gilt nur für Onboarding und Einarbeitung. Im Alltagsbetrieb indes zeigt sich Mastodon überaus zäh im Umgang. Das Hochladen von Bildern dauert lange. Auch das Tröten verlangt Wartezeiten von etlichen Sekunden, bevor der Tröt dann anzeigefertig ist.
Mastodon-Clients gibt es in den App-Stores von Google und Apple. Die Apps leiden unter der gleichen zähen Performance wie der Webdienst. Neben Mastodon gibt es weitere Twitter-Alternativen, die ebenfalls auf Dezentralität basieren. Zu nennen sind hier noch Pleroma und Misskey.
Ausgerechnet Mastodon
Kommen wir zur Namensgebung. Wie Wikipedia erläutert, ist die Gattung Mastodon, ein Verwandter des Mammuts, seit mindestens 10.500 Jahren ausgestorben und war auch nur in Nordamerika so lange aktiv. In anderen Regionen der Welt war das Mastodon zu diesem Zeitpunkt schon lange vergessen. Grund für die Ausrottung soll zum einen das Jagdverhalten des Menschen und zum anderen eine radikale Veränderung der Fauna gewesen sein, die die Nahrungssuche erschwerte. Dieses Bild vor Augen, fragt man sich doch ernsthaft, wie man auf die Idee kommen kann, den Konkurrenten für heutige soziale Netzwerke so zu benennen. Aber sei’s drum, so heißt er halt.
Hochverfügbarkeit.
Also ich weis nicht was hier getestet wurde, aber bei mir dauert weder das hochladen von Bildern noch von Nachrichten länger als bei Twitter. Auch die Apps für iOS sind sehr performant und arbeiten problemlos. Ich nutze Mastodon jetzt schon ne ganze Weile und bin sehr zufrieden, Ich habe auch sehr nette Menschen kennengelernt und auch interessante Diskussionen geführt bei denen es immer sachlich und gegenseitig respektvoll zuging. Mir gefällt Mastodon in allen Belangen besser als Twitter.
Inzwischen hat der Betreiber die Probleme selbst eingeräumt, es aber mit dem großen Andrang begründet. Wir werden also sehen, ob sich das wieder bessert.
Dann liegt es aber an der Instanz, ich bin bei social.tchncs.de unterwegs und kenne das eigentlich nicht.
Am Anfang war der Blogger, respektive Bloggerin.
Das war kompliziert und man musste wissen, wie z. B. WordPress und Konsorten funktionieren. Am Anfang musste man das Framework sogar noch selber aufsetzen, nicht wirklich lustig. Außerdem unerlässlich die ständige Überwachung des Rückkanals usw. Einfach tierisch komplex, auch wenn es schon deutlich einfacher war und ist, als eine konventionelle, interaktive Webseite von anno Tobak.
Dann kamen fb, Insta, Twitter, whatsup und so weiter und sofort.
Keine vertieften Kenntnisse mehr erforderlich und sofort instant sichtbar (Instant-Medien). Für alle, die gerne fulldigital versiert erscheinen wollen, ohne tatsächlich versiert zu sein, die absolute Verheißung. Im Netz präsent, ohne übermäßigen Einsatz von technisch-geistigen Ressourcen: die komplette Umkehrung zur Bloggerei.
Daraus resultiert jetzt Microblogging. Technisch im Endeffekt eigentlich immer die gleiche Basis, nur befreit von dem üblichen Technoschwurbel der früheren Generationen.
Am Ende wird auch das irgendwann einfach langweilig. Man muss nicht auf diesen Kanälen unterwegs sein und in Bezug auf die eigene digitale Integrität im Netz ist es eher die bessere Alternative, nicht universell präsent zu sein.
Es reicht auch ein gut gepflegter Freundeskreis mit Menschen, die sich zu benehmen wissen, zu korrespondieren, sich Bildeindrücke zu vermitteln usw., z. B. auf Signal, ohne diesen Bohei, der auf den „Plattformen“ herrscht.
Im Prinzip ganz einfach und durchaus auch unterhaltsam. Und x-und irgendwelche Follower zu haben, ist zumindest für die meisten Anwender eigentlich absolut keine brauchbare Basis persönlicher Entfaltung. Das ist einfach nur kompletter Nonsense, wenn man effektiv dann so gut wie keinen wirklich kennt. Leute, die hinter so etwas her laufen, haben einfach Null Medienkompetenz.