Aggressionen abbauen nach Feierabend? Bloß nicht!

Die Wut muss irgendwo hin. Dieses Gefühl drängt sich auf, wenn ein Tag so richtig furchtbar war, wenn die Chefin dies gemacht hat, der Kollege das, dann noch der Stau und kurz vor der Haustür kommt noch die Textnachricht mit der Info, dass das Herzensprojekt nicht umgesetzt wird. So einen Tag kann man nicht wegmeditieren. Wegboxen kann man die Aggressionen allerdings auch nicht, auch wenn das ein verbreiteter Irrtum ist.
Aggressionen soll man rauslassen, so lernen es vor allem junge Männer. Sie treffen sich im Boxclub, bei wütender Musik oder bei einem Ballerspiel. Die Gesellschaft sagt: Lieber da als hier bei uns.
Aber so funktioniert der Abbau von Aggression eben nicht. Lassen Menschen die Aggression raus, dann ist sie davon nicht weg. Sie steigert sich. Und obwohl die „Der Ärger muss raus“-Karte immer wieder gezogen wird, ist die Forschung dazu gar nicht neu. Wut wird schon seit der frühen Zeit der Psychologie erforscht und die Theorie, auf die sich heute gestützt wird, stammt aus den 1960ern. Sie gilt noch immer. Nur wird sie eben oft ignoriert.
Wut rauslassen: Der große Irrtum
Eine aktuelle Meta-Studie – das sind Studien, die auf Studien blicken – hat 154 Forschungsarbeiten analysiert und das Ergebnis bleibt das Gleiche: Aggressionen baut man nicht ab, indem man sie rauslässt. Das gilt auch nicht für jene Menschen, die sich ganz sicher sind, dass sie das gerade brauchen. Wut funktioniert so nicht. Wut muss beruhigt werden. Versuchen, sie abzubauen, verstärkt sie nur.
Der große Irrtum resultiert aus dem Gefühl des Stresses. Bei Wut ist im Körper viel los, das auf eine Bedrohung von außen hindeutet. Der Körper macht sich also bereit, auf diese Bedrohung zu reagieren. Ein gutes Körpergefühl sagt jetzt: Beweg dich. Lass die Wut raus. Die Wut sagt dazu: Wehr dich, lass das nicht mit dir machen.
Der Stress hat recht. Die Wut hat nicht recht. Über verschiedene Geschlechter, Altersgruppen und Kulturen hinweg waren die Ergebnisse robust. Bewusste Bewegung hilft gegen Wut. Aggressionen ausleben hilft nicht.
Wut loswerden: Muss ich jetzt zum Yoga?
Du musst nicht zum Yoga. Ich würde grundsätzlich von Aktivitäten abraten, die du nicht leiden kannst, wenn du eh schon schlechte Laune hast. Aber irgendetwas musst du mit der Wut ja machen. Hier sind Ideen:
1. Such nach Kontrolle
Spannend an der erwähnten Meta-Studie ist eine Randnotiz: Sie erwähnen das Gefühl fehlender Kontrolle, die manche Menschen beim Joggen haben. Das ist ein guter Hinweis, denn das Gefühl von Kontrolle stärkt und beruhigt Menschen – beides hilft gut gegen Wut. Du könntest also aufräumen und ein paar Sachen ausmisten. Mach dir Musik an, die du magst, und beweg dich durch deine Wohnung. Atme bewusst und sehr langsam. Und ja: Meditation hilft. Aber eher auf die Dauer, wenige in Akut-Situationen.
2. Mach etwas mit anderen
Dieser Faktor ist nicht ganz eindeutig. Wir wollen ja nicht, dass du nach einem harten Tag beim Rugby in eine Schlägerei gerätst. Dagegen zeigten Sportkurse in der Gruppe und auch Ballspiele generell einen mildernden Effekt auf Wut. Walking und Gewichtstraining zeigte diese Wirkung nicht, Martial Arts und – jetzt kommt mein Favorit – „Sachen treten“ auch nicht.
3. Oder eben allein – in Ruhe
Das bedeutet aber nicht, dass du zwingend etwas mit anderen machen musst. Aber: Aufputschende Aktivitäten funktionierten nur in der Gruppe. Wer allein sein wollte, profitierte eher von beruhigenden Aktivitäten.
4. Geh duschen
Jetzt wird’s unwissenschaftlich, im Gegensatz zu den anderen Tipps habe ich mir diesen ausgedacht. Aber vielleicht probierst du es: Geh duschen. Die psychologische Forschung rät zwar eher zum Bad, aber unter Wut könnte dich das Rumgeliege nerven. Also versuch’ es in der Dusche. Es ist wirklich schwer, wütend zu duschen. Ich würde die Dusche auch nicht kalt einstellen. Mach sie angenehm für dich. Führ dir einmal vor Augen, dass der Tag jetzt hinter dir liegt. Du brauchst keine superspeziellen Düfte. Spür das Wasser und mach‘ dich sauber.
Wut rauslassen hat noch nie funktioniert. Du gibst dir damit deinen eigenen Hinweisreiz für noch mehr Wut. Wenn dein Körper dir sagt, dass du deine Wut auslassen sollst – und ich bin mir sicher, dass er das tut! –, dann will er dich verteidigen. Du musst dich aber nicht verteidigen. Du musst den Hormoncocktail verarbeiten. Und der wird über ausgelebte Aggression nur stärker.
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