„E-Mails, Passwörter, Nestlé Business-Kunden“: Laut mehreren Twitter-Accounts, die sich als Sprachrohre des aktivistischen Kollektivs Anonymous darstellen, sollen Hacker:innen eben diese Informationen in einem zehn Gigabyte großen Datensatz des Lebensmittelherstellers Nestlé ergattert haben. Das Schweizer Unternehmen selbst dementiert den vermeintlichen Leak allerdings.
Anonymous-Beute: Sensible Informationen oder banale Testdaten?
Bislang habe man nur einen Auszug mit Daten zu mehr als 50.000 Geschäftskunden veröffentlicht, heißt es in einem Posting von „Anonymous TV“, insgesamt steht wohl die Hackergruppe „Kelvinsecurity“ hinter der Aktion. Nestlé steht aktuell im Visier des Kollektivs, weil es seine Aktivitäten in Russland als Reaktion auf den Ukraine-Krieg nicht vollständig eingestellt hat.
In einer Stellungnahme heißt es vom Unternehmen, es fehle jegliche Grundlage für die angeblich sensiblen Leaks. Bei den Daten handele es sich um randomisierte Testdaten, die im Februar 2022 für kurze Zeit aus Versehen online verfügbar gewesen, aber überwiegend ohnehin öffentlich zugänglich seien. „Cybersicherheit ist eine unserer Top-Prioritäten“, heißt es vom Nestlé – nach einer Untersuchung des Falls habe man keine weiteren Maßnahmen für nötig gehalten.
Nestlé im Ukraine-Krieg: Warum ist der Konzern auf die Anonymous-Agenda gerückt?
Nestlé hat, anders als beispielsweise große Tech-Firmen wie Apple, seine Aktivitäten in Russland als Reaktion auf den Krieg nicht vollständig eingestellt, sondern nur eingeschränkt. Der Verzicht auf Werbung, das Aussetzen aller Kapitalinvestitionen in das Land und eine Reduzierung der Importe und Exporte auf essenzielle Lebensmittel, gehören laut Nestlé zu den ergriffenen Maßnahmen. Außerdem unterstütze man die Ukraine beispielsweise durch die Lieferung von Hilfsgütern.
Für Anonymous ist das allerdings nicht ausreichend: Am 20. März fand sich Nestlé neben zahlreichen anderen Unternehmen in einem Posting des Accounts „Anonymous TV“ angesprochen, das die Firmen dazu aufforderte: „Zieht euch aus Russland zurück!“
Die Begründung: Wer im Land weiter wirtschaftlich agiere, unterstütze das Kriegsbudget des Kreml beispielsweise mit Steuerzahlungen. Firmen, die auf die Aufforderung des Kollektiv-Accounts nicht reagieren, würden zum Ziel der Aktivist:innen werden.
Das Posting von Anonymous war am gleichen Tag erfolgt, an dem auch der ukrainische Präsident Selenskyj den Schweizer Lebensmittelkonzern scharf kritisiert hatte. Er war per Videokonferenz einer Solidaritätskundgebung in Bern zugeschaltet worden und hatte dabei unter anderem gesagt: „Geschäfte in Russland funktionieren, obwohl unsere Kinder sterben und unsere Städte zerstört werden“.
Nestlé reagierte auf Selenskyjs Ansprache mit einem Statement, in dem es neben einer Aufzählung der bereits ergriffenen Maßnahmen heißt, man erziele mit den verbleibenden Aktivitäten keinen Gewinn. „Dass wir wie andere Lebensmittelfirmen die Bevölkerung mit wichtigen Lebensmitteln versorgen, heißt nicht, dass wir einfach weitermachen wie vorher“, zitiert unter anderem die Schweizer Handelszeitung das Unternehmen.