Audible führt Speech-to-Text ein – Publisher sind nicht erfreut
Das neue Feature Audible Captions soll künftig parallel zum Hören eines Hörbuchs den Buchtext anzeigen. Dem Amazon-eigenen Unternehmen zufolge ist die Funktion vor allem für Bildungszwecke gedacht, wie USA Today berichtet. Verleger sehen das kritisch. Sie befürchten, dass Nutzer der Audible-App dann weniger E-Books kaufen.
Hat Audible das Recht an den Texten?
Mehrere Verlage sehen das Anzeigen von Untertiteln bei Hörbüchern kritisch. Ihre Verträge mit Hörbuchverlagen wie Audible decken die Produktion eines Hörbuches ab – aber nicht unbedingt die Veröffentlichung des Textes. Auch wenn es sich nicht um das tatsächliche Manuskript sondern um eine maschinengenerierte Reproduktion des Originaltextes handelt, sehen Verlage ihre Rechte verletzt. Sie befürchten, dass dieser Text die E-Book-Version ersetzen könnte.
Gegenüber The Verge sagte Penguin Random House, der Verlag habe sich wegen starker Copyright-Bedenken bereits an Audible gewandt. Die Captions-Funktion sei nicht durch die Geschäftsbedingungen genehmigt. Simon & Schuster bezeichnete das Tool als „unbefugte und dreiste Verletzung der Rechte von Autoren und Verlegern und eine klare Verletzung unserer Verkaufsbedingungen.“ Die Autorengilde geht noch einen Schritt weiter und unterstellt Audible eine „direkte, vorsätzliche Urheberrechtsverletzung.“
Das neue Feature unterscheidet sich allerdings bedeutend von einem E-Book. Es sind immer nur mehrere Zeilen Text am Stück zu sehen. Umblättern beziehungsweise Scrollen ist nicht möglich, der Text ist stattdessen mit dem Ton verbunden.
Feature ist fürs Lernen gedacht
In einem Video stellt Audible das neue Feature vor. Dort ist zu sehen, wie der Text parallel zum vorgelesenen Hörbuch auf dem Bildschirm auftaucht – ähnlich wie der Songtext in Musikvideos. Dabei können Nutzer der App direkt ein Wort markieren und es sich das dann zum Beispiel übersetzen lassen oder den passenden Wikipedia-Artikel lesen.
Audible Captions ist vor allem zur Unterstützung von Schülern gedacht. Beim Lesen eines guten Textes gleichzeitig eine Hörerfahrung zu haben, sei hilfreich für den Lernprozess, wie Audible-CEO und Gründer Don Katz gegenüber USA Today erklärt. Mit einem Update für die Audible-App soll die Funktion dementsprechend passend zum Schulstart verfügbar sein. Für Klassen in öffentlichen amerikanischen Schulen will Audible demnach bestimmte Buchtexte kostenlos zur Verfügung stellen.
Das Feature ist beispielsweise für Sprachschüler eine tolle Sache, denn es erleichtert das Hörverständnis bei fremdsprachigen Büchern und trainiert auch grammatikalisches Wissen. Die Befürchtung, dadurch könnte der Absatz von Büchern oder E-Books kannibalisiert werden, dürfte eher Blödsinn sein und entspringt einem verständlichen Beißreflex der Publisher. Sie werden vor vollendete Tatsachen gestellt, das schürt Ressentiments. Auch wenn sich Amazon hier tatsächlich auf rechtliches Glatteis begibt, müsste den Publishern klar sein, dass die Ängste unnötig sind. Sonst müssten Untertitel bei Buchverfilmungen ja auch für Absatzeinbrüche sorgen.
Jochen G. Fuchs