Abfragen statt ausdenken – wie Unternehmen zu einer authentischen Arbeitgebermarke kommen

Die Wohnungsanzeigen sind voll davon – voll von ruhigen solventen Paaren, die eine Bleibe suchen. Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber ich kenne kein „ruhiges Paar“. Höchstens meine Großeltern. Und die haben schon eine Wohnung.
Matching? Fehlanzeige
Mal angenommen, das „ruhige Paar“ kriegt sie, die Traumwohnung. Wer wird angebissen haben? Richtig, ein Vermieter, der großen Wert auf eine ruhige und gesittete Hausgemeinschaft legt. Die Frage ist: Will das Paar tatsächlich in so einer Hausgemeinschaft leben? Wahrscheinlich nicht. Die beiden wollen sicher ganz groß in ihren Geburtstag reinfeiern. Sie wollen auf den neuen Job anstoßen. Sie wollen vielleicht auch eine Familie gründen. Und dann kommt Leben in die Bude…
Vielleicht will ja auch der Vermieter etwas ganz anderes? Vielleicht liebt er es auch bunt und herzlich – meint aber, bunt und herzlich könnte den Geranien schaden und die Nachbarn ärgern. Was, wenn die Nachbarn auch lieber Leben um sich herum haben…?
Wenn Vermieter zu wissen glauben, was in einer Hausgemeinschaft zählt, und wenn Mieter daraufhin nur noch normiertes Zeug in eine Anzeige schreiben, dann ist hier ein Haufen Spekulation am Start. Am Ende sind alle Beteiligten nicht so recht glücklich. „Ich hab gedacht, du magst die Möhren-Ingwersuppe!“ „Nee. Ich hab die nur gegessen, weil ich dachte, du freust dich…“ – ein typischer Dialog nach 20 Jahren Ehe… Warum nicht sagen, wie es ist?
Schick, aber sinnlos
Was im Wohnungsmarkt das „ruhige, solvente Paar“, ist im Arbeitsmarkt das innovative Unternehmen mit den flachen Hierarchien. 1.000 Mal gelesen… „Viele Unternehmen wollen gegenüber ihren potentiellen Bewerbern attraktiv erscheinen. Verständlich. Doch dann treibt das mit dem Hübsch-Machen Blüten“, so Mark Poppenborg, Gründer und Geschäftsführer des Netzwerkes intrinsify.me. Jetzt würden Unternehmen anfangen zu überlegen, wie sie sein müssten, damit sie die ersehnten Talente gewinnen. Das ist der große Moment für die Super-Personalstrategien, die Strategien für den cooleren Unternehmensauftritt, für eine Marke mit mehr Anziehungskraft.
Hinter all dem steckt die Überzeugung, dass man die Arbeitgebermarke am Reißbrett entwickeln und dann dem Unternehmen quasi verabreichen kann. „Aber so rum funktioniert der Prozess nicht. Oder kriegt der Mittdreißiger plötzlich ein breites Kreuz – weil er in der Paarvermittlung „muskulös“ angegeben hat“, so Poppenborg. „Andersherum wird ein Schuh draus. Erst kommt das Leben, dann die Marke.“ Eine Marke ergibt sich aus den tatsächlichen Verhältnissen – nie aus gefakten Interviews. Sie entsteht aus realen Erlebnissen – nie durch das schicke Recruiting-Video.
Das heißt nicht, dass Markenarbeit an sich für die Katz ist. Nur dass es sich um ein Markenwunschkonzert handeln würde, ist ein gefährlicher Irrglaube. Die Hände in den Schoß legen müssen Unternehmen deswegen nicht. Sie können durchaus etwas tun.
Marke erkennen statt entwickeln
Um ein authentisches Markenbild zu ermitteln, helfen keine Elfenbeinturm-Fantasien. Hier helfen nur echte Gespräche. Also: Frage die, die mit dir zusammenarbeiten! Frage deine Mitarbeiter!
- Wie erleben sie dich als Arbeitgeber?
- Wie verlässlich, wie flexibel, wie kooperativ oder auch wie respektvoll nehmen sie dich wahr?
Aus diesen Gesprächen ergibt sich ein echtes Bild. „Lass deine Mitarbeiter zu Wort kommen – auf der Website oder in der Bewerber-Broschüre. Und zwar unzensiert“, rät der intrinsify.me-Kopf. Doch was, wenn dort etwas steht, das nicht dem Wunschbild entspricht? Was, wenn dir nicht gefällt, was du da liest?
Bei Nichtgefallen: Unternehmen umbauen
Wenn dir das Erscheinungsbild, das Wesen deines Unternehmens nicht zusagt, dann hilft es dir nicht, noch einmal mit Nachdruck über das Wunschbild zu reden. Wenn du versuchst, deine Mitarbeiter zu erziehen, indem du beispielsweise zur Teamarbeit aufrufst, dann wird das nicht funktionieren. Und zwar aus dem einfach Grund, weil die Regeln in deinem Unternehmen Teamarbeit nicht fördern. Wenn dir nicht gefällt, dass die Mitarbeiter ihre Ellenbogen ausfahren. Wenn dir nicht gefällt, dass sie nur an ihrer eigenen Performance arbeiten, anstatt den gemeinsamen Unternehmenserfolg im Blick zu haben – dann hilft es nicht, wenn du ein Schild in der Cafeteria aufhängst, das den Teamgedanken in die Köpfe hämmern soll.
„Wenn du eine Wunschmarke propagierst, aber das System nicht anpasst, dann verkommt dein Unternehmen zur Schauspielschule. Die Mitarbeiter zeigen auf der Bühne den Schulterschluss. Doch hinter den Kulissen spielt jeder nach den Spielregeln, die das eigene Überleben sicherstellen“, beschreibt Poppenborg die Situation. „Genauso wie du hart trainieren musst, wenn du als Muskelprotz rüberkommen willst, musst du als Unternehmer ran an das System. Wenn du echte Teamarbeit willst, dann schaff die Bewertung von Einzelleistung ab. Wenn du flexibel wahrgenommen werden willst, dann lass deine Mitarbeiter selbst entscheiden, wann, wo und wie sie ihre Leistung erbringen. Wenn du glaubwürdig innovativ sein willst, dann schaffst du Schutzräume, in denen deine Mitarbeiter sich ausprobieren – und auch scheitern dürfen“, rät der Führungsexperte.
Mehr zum Thema: „Vom Mitarbeiter zum Markenbotschafter: Wie Employer-Branding auf allen Unternehmensebenen funktioniert“
Du hast das ‚Junge dynamische (Entwickler-)Team‘ vergessen. ..
Das finde ich als älterer Entwickler immer besonders aussagekräftig und weiss dann das ich dort nix zu suchen habe. (Pech für die..)
… und auch „Frisches Obst, Müsli und kalte Getränke“ wurden nicht erwähnt.
Häufig gelesen, aber erst ein einziges Mal erlebt