Dass der Onlinehandel boomt, ist wohl ein offenes Geheimnis. Auch wenn der Corona Consumer Check des IFH Köln belegt, dass die Bundesbürger im Hinblick auf ihr Konsumverhalten angespannt und unsicher sind, dürfte sich das – insbesondere im Hinblick auf verschärften Schutzmaßnahmen – vor allem auf den Präsenzhandel auswirken. Wenn jetzt ab kommenden Montag der „Lockdown light“, wie die Bundesregierung die Maßnahmen etwas salopp nennt, Einzug hält, wird das aber auch für die Händler eine angespannte Zeit.
Dabei hat der Onlinehandel, anders als bei den ersten Schließungen im Frühjahr, keine „freie Bahn“, was insbesondere für Händler ein Vorteil sein kann, die online und offline gleichermaßen verkaufen. Ketten wie Mediamarkt, Saturn oder auch Bauhaus werden davon profitieren, dass Kunden Waren per Click-&-Collect in die Filiale bestellen können.
Ob indes der Lebensmittelhandel aus den Engpässen im Frühjahr gelernt hat, bleibt abzuwarten. Anders als in anderen europäischen Ländern ist Click-&-Collect hierzulande ebenso ein Nischenphänomen geblieben wie Lieferdienste. In beiden Fällen hat das mit fehlendem Personal zu tun, wie man aus der Branche hört – und angeblich mit der begrenzten Bereitschaft der Kunden, für eine solche Dienstleistung des Zusammensuchens und/oder Lieferns einen Kosten deckenden Preis zu zahlen.
Paketlogistik könnte zum Nadelöhr werden
Gleichzeitig wird sich zeigen müssen, wie gut die Logistik den wachsenden Anforderungen standhält. Denn zusätzlich zu der ohnehin erhöhten Bestellbereitschaft der Verbraucher kommt ja noch der Black Friday Ende November. Der hat schon in den vergangenen Jahren dazu beigetragen, dass die Paketdienstleister weit über ihre Kapazitätsgrenzen kamen. Onlinehändler sind deshalb gut beraten, wenn sie ausreichend Kapazitäten einplanen. Denn gerade größere Händler buchen ja entsprechende vorauszusehende Ressourcen bei ihren Logistikdienstleistern. Doch anders als in der Vergangenheit werden die nicht böse sein, wenn ein Händler diese nicht ganz ausschöpft, und im Gegenzug auch nicht selbstverständlich darüber hinausgehende Anfragen zu denselben Preisen abwickeln – entsprechende Fälle gab es ja schon im vergangenen Jahr.
Für Kunden sollte das, mehr denn je, bedeuten, nicht erst auf den letzten Drücker vor Weihnachten Dinge zu bestellen, die man pünktlich zum Fest braucht. Denn bereits der erste Lockdown hat gezeigt, dass die Verfügbarkeit der neue Preis ist. Will sagen: Die Entscheidung für oder gegen einen Händler wird davon abhängen, ob und wie zuverlässig (das bedeutet auch: mit welchem Lieferdienst!) er zustellen kann. Händler sind dabei gut beraten, wenn sie auf jene Lieferdienste setzen, mit denen ihre Kunden die geringsten Probleme haben.
Unberechenbar bleibt die Nachfrage nach bestimmten Produkten: Während volle Lager vor allem den Modehändlern und einigen anderen Handelssegmenten weiterhin zu schaffen machen, ist das Bild etwa in der Unterhaltungselektronik zwiegespalten: Bestimmte IT-Segmente wie Drucker (nach Jahren einmal wieder, wie ein Bürohändler berichtet!), Monitore und Notebooks können derzeit höhere Preise verbuchen als noch vor einigen Monaten. Ähnlich das Bild auch im Möbelhandel: Schreibtischstühle und Schreibtische seien hier gefragt – und das habe, so ein Händler, nicht mal mit der aktuell gesenkten Mehrwertsteuer zu tun.
Präsenzhandel: Geöffnet, aber mit begrenzter Kundenzahl
Gleichzeitig sollte die Tatsache, dass nahezu sämtliche Läden des Groß- und Einzelhandels offen bleiben, nicht darüber hinwegtäuschen, dass es hier dennoch Umsatzeinbußen geben wird. Denn zum einen werden viele Kunden – den Empfehlungen gemäß – nur das Nötige einkaufen und bestimmte genussorientierte Kaufentscheidungen auf die lange Bank schieben. Zum anderen wird auch der Handel schnell an platzmäßige Grenzen stoßen: Ein Kunde pro zehn Quadratmetern Verkaufsfläche, das ist nicht viel. Gerade bei kleineren Geschäften mit beratungsintensiven Produkten werden sich daher Video-Lösungen und Versand etablieren müssen, womit bereits im ersten Lockdown einige kreative Einzelhändler gute Erfahrungen gemacht haben.
Bleibt es bei dem einen Monat Lockdown und wird das Weihnachtsgeschäft in der gewohnten Form stattfinden können? Das weiß niemand so genau, das hängt vor allem von den Infektionszahlen in den nächsten Wochen ab. Klar ist aber: Sollte es zu einer Verlängerung über Ende November hinaus kommen, sollte ein solcher Schritt dem Handel bereits mit mehr Vorlauf klar sein, als es im aktuellen Lockdown (und im März) der Fall war. Am 11. November werden die Kanzlerin und die Regierungschefs der Länder erneut tagen und weitere Beschlüsse fassen.