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BND-Gesetz: Lizenz zur Spionage

Die Bundesregierung legt den nächsten Entwurf für ein neues BND-Gesetz vor. Der legalisiert manches, das dem Geheimdienst vorher nicht erlaubt war.

4 Min. Lesezeit
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Die Regierung möchte die Bufgnisse des Bundesnachrichtendienstes  erweitern. (Foto: Shutterstock)


Während das Kanzleramt die Befugnisse des Bundesnachrichtendienstes (BND) ausweiten und dessen Kontrolle schwächen will, laufen Datenschützer und Bürgerrechtler Sturm: Sie werfen dem neuen BND-Gesetz mangelhafte Kontrolle, massive Eingriffe in die Privatsphäre und anlasslose Massenüberwachung vor.

Kanzleramt legt überarbeitete Version vor

Im Mai hat das Bundesverfassungsgericht das erst vier Jahre alte BND-Gesetz gekippt, weil es gegen Grundrechte verstößt. Nun legt das Kanzleramt die überarbeitete Version der Neuauflage vor. Der BND soll demnach legal Mobilfunk- und Internetanbieter hacken dürfen. Der Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit (BfDI), Ulrich Kelber, hielt die Regeln für diese Befugnis schon im letzten Entwurf für „unklar und unbestimmt“. Das würde dem Dienst viele Interpretationsspielräume schaffen. Der Grundrechtseingriff sei noch tiefer als bei der Massenüberwachung. Er kritisiert ebenfalls die Regeln zum sogenannten Staatstrojaner.

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Ein weiteres Problem besteht im Abhören von Internetleitungen, etwa an Knotenpunkten wie dem DE-CIX. Zuvor durfte der BND nur einzelne Leitungen abhören und auch davon nur 20 Prozent. 2016 fielen diese Beschränkungen, 2019 stoppte ein Gericht die gesamte Regelung.  Nun will die Bundesregierung ein neues Limit einführen: 30 Prozent aller Telekommunikationsleitungen – weltweit. In der Praxis kann selbst die amerikanische NSA nur 75 Prozent der Kommunikation der USA abhören. Das Limit kursiert als „Fantasiegrenze“.

Während die Anbieter im Inland zur Datenweitergabe verpflichtet sind, legalisiert der neue Entwurf auch das Überwachen ausländischer Kommunikationsanbieter gegen deren Willen. Netzpolitik.org schreibt: „Als Edward Snowden nachwies, dass die Geheimdienste von USA und Großbritannien genau das tun, war das noch ein Skandal. Heute legalisiert die Bundesregierung so etwas einfach.“

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Ein weiteres Problem sehen Datenschützer im Umgehen von bestehenden Übermittlungsbeschränkungen. Nach dem Entwurf soll der BND die Daten nicht nur erheben, speichern und auswerten, sondern sie auch anderen Behörden im In- und Ausland weitergeben können. Demnach dürfte der Nachrichtendienst Ergebnisse seiner anlasslosen Massenüberwachung an den Verfassungsschutz leiten. Durch die fehlende Quellenangabe steige die Gefahr, dass die Herkunft nicht mehr nachvollzogen werden könne, sagte Ulrich Kelber. In der Folge ließe sich für den Inlandsgeheimdienst gar nicht mehr feststellen, ob er die Daten weitergeben darf.

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Abhängige Doppelstrukturen

Aufgrund der Kritik des Verfassungsgerichts soll nun ein „unabhängiger Kontrollrat“ den Auslandsnachrichtendienst kontrollieren. Der Datenschutzbeauftragte verurteilte diese Lösung bereits. Der Rat besitze eine faktische Nähe zu Kanzleramt und BND, obwohl er den Dienst kontrollieren soll. Das Papier spricht davon, der Rat könne dem Kanzleramt Personalverwaltung und -kontrolle überlassen. Der Beauftragte vermutet, schon aus Zeitgründen werde genau das passieren.

Dabei gäbe es eigentlich eine Behörde, die demokratisch legitimiert, unabhängig und kompetent ist. Deutschlands oberste Datenschutzbehörde besitzt eine Abteilung zum Thema „Polizei und Nachrichtendienste“. Darin arbeitet das Referat 33 an dem Schwerpunkt „Militärischer Abschirmdienst (MAD) und Verfassungsschutz“. Das Fachgebiet des Referats 34 lautet „BND, Militärisches Nachrichtenwesen und Nachrichtendienstliche Kooperationen“.

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Auch die Stiftung „Neue Verantwortung“ kritisierte den letzten Referentenentwurf und machte Gegenvorschläge. Die doppelte Kontrolle durch BfDI und den neuen Kontrollrat sei für den BND ineffizient. Sie stelle für den Staat eine kostspielige Parallelstruktur dar. Zudem sei vorgesehen, dass der Kontrollrat nicht die Zugangsmöglichkeiten erhalte, die er brauche, um seine Funktion sinnvoll auszuüben. Es gab bereits einmal einen Besuch der Datenschutzbehörde im BND-Hauptquartier in Pullach. Der folgende Prüfbericht stellte 18 schwerwiegende Rechtsverstöße fest und sprach zwölf Beanstandungen aus. Das ist das eindringlichste Mittel der Behörde. Normalerweise spricht sie so viele Rügen in einem Jahr aus.

Die Stiftung empfohl nach französischem und britischem Vorbild, die Datennutzung und geplante Auswertungsmethode unter richterliche Genehmigung zu stellen. In diesen Ländern brauchen die Geheimdienste eine „examination warrant“, um Massendaten auszuwerten.

Alle Kritiker fordern, die Erhebung von Meta-Daten stärker einzuschränken. Auch wenn sie nicht im engeren Sinne personenbezogen seien, besäßen sie Grundrechtsrelevanz.

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2 Lücken zur Erfassung Deutscher

Die Stiftung „Neue Verantwortung“ plädierte dafür, die Trennung zwischen personenbezogenen und Metadaten aufzugeben und beide einheitlichen Schutzvorschriften zu unterstellen. Auch im neuen Entwurf stehen die kritisierten Stellen wieder so drin. Der BND darf keine personenbezogenen Daten Deutscher erheben, doch es gibt zwei Lücken.

Das Verbot für Verkehrsdaten gilt laut dem Entwurf nämlich nicht für Maschine-zu-Maschine-Kommunikation. Dazu gehört zu Beispiel der Kontakt eines Handys mit einem Mobilfunkmast, der zu sogenannten Verkehrsdaten – also Bewegungsprofilen – führt. Das Bundesverwaltungsgericht hatte 2017 festgestellt, es gäbe keine Rechtsgrundlage für die Verarbeitung von Verkehrsdaten deutscher Staatsangehörigkeit. Statt sie konsequent zu verbieten, schafft die Regierung nun eine.

Die zweite Lücke, die der Entwurf legalisiert, betrifft das Speichern von Metadaten. Sie ist dem BND bei Deutschen nun erlaubt, wenn er sie anonymisiert. Also kann er Vorratsdatenspeicherung über deutsche Mobilfunkanbietern durchführen, wenn er statt den IMEI- und SIM-Nummern Hashwerte einsetzt. Dennoch lassen sich darüber massive Erkenntnisse gewinnen – und zwar über deutsche Staatsbürger, die der BND eigentlich nicht erfassen darf.

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Da sich die Bundesregierung im Kern schon auf die Inhalte des 139-seitigen Gesetzes verständigt hat, rechnen Beobachter mit keinen essenziellen Änderungen mehr. Noch im Dezember verabschiede das Kabinett den Entwurf voraussichtlich und bringe ihn auf den Weg.

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