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Ratgeber

Brexit-Ratgeber für Onlinehändler: Was beim ungeregelten Austritt passiert

Der ungeregelte Brexit, also ein Austritt Großbritanniens aus der EU ohne Abkommen, wird immer wahrscheinlicher. Der Ratgeber für Onlinehändler zur Vorbereitung auf den 31. Oktober 2019.

Von Jochen G. Fuchs
5 Min.
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Der ungeregelte Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU wird immer wahrscheinlicher. So bereiten sich Händler auf den Brexit vor. (Foto: Shutterstock)

Die Lage im Vereinigten Königreich erzeugt Unsicherheit, aber die nächsten kritischen Termine stehen fest. Premierminister Boris Johnson ist als Brexit-Hardliner bekannt und wollte zum 31. Oktober einen Austritt aus der EU auch ohne Abkommen erzwingen. Mit der Abstimmung am 4. September haben die britischen Abgeordneten zwar ein Gesetz gegen einen Austritt ohne Abkommen – das sogenannte No-Deal-Gesetz – erlassen, doch Johnson droht damit, das Gesetz zu ignorieren. Laut Gesetz darf Johnson am 31. Oktober einen Austritt nur einleiten, wenn ein Abkommen unterzeichnet wurde – andernfalls soll der Premier eine dreimonatige Fristverlängerung bis Ende Januar 2020 beantragen. Eine Fristverlängerung ist unwahrscheinlich, deshalb müssen sich Onlinehändler spätestens jetzt auf einen ungeregelten Brexit vorbereiten.

Brexit wird für den 31.Oktober 2019 erwartet

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Dass eine Fristverlängerung gewährt wird, ist aufgrund einer Entscheidung der EU immer unwahrscheinlicher geworden. Das EU-Parlament hat am 18. September in einer Entschließung festgehalten, dass es keine bedingungslose Fristverlängerung für Großbritannien geben wird. Zusätzlich hat das Parlament bekräftigt, nur unter der Voraussetzung, dass der Backstop, die europäische Grenzlösung für Nordirland, beibehalten wird, einem Abkommen zum EU-Austritt zuzustimmen. Premier Johnson lehnt den Backstop jedoch bisher kompromisslos ab.

Die Möglichkeit eines geregelten Austritts besteht theoretisch noch, deshalb sind die nachfolgend beschriebenen Folgen des Brexit bisher nur als Prognose für einen ungeregelten Austritt zu betrachten. Bis zu einem tatsächlichen Austritt ist Großbritannien weiterhin Teil der EU und damit auch des Binnenmarktes. Bei einem Austritt mit Austrittsabkommen könnte beispielsweise ein Freihandelsabkommen Bestandteil des Abkommens werden – dann wäre Großbritannien auch im Falle eines Austritts weiterhin Teil des Binnenmarkts.

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Das müssen Onlinehändler beim ungeregelten Brexit beachten

Zoll und Einfuhrumsatzsteuer fallen wieder an

Das Vereinigte Königreich wird den Binnenmarkt und die Zollunion bei einem Austritt verlassen. Die erste, naheliegende Änderung: Onlinehändler müssen ab dem Austritt Zollanmeldungen tätigen und unter Umständen auch Einfuhrumsatzsteuer bezahlen. Es gelten dieselben Regeln wie für einen Handel mit Ländern außerhalb der EU.

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  • Für alle Lieferungen bis zu 135 britischen Pfund Warenwert pro Sendung ist vom Händler Einfuhrumsatzsteuer zu entrichten. Die bisherige Freigrenze von 15 britischen Pfund entfällt. Beträgt der gesamte Wert der Sendung mehr als 135 britische Pfund, können Händler die Steuer nicht mehr für den Kunden entrichten, der Zoll in Großbritannien kassiert dann beim Paketempfänger. Sendungen, die unter diese Grenze fallen, müssen online gemeldet werden – auch wenn sie im Vereinigten Königreich mehrwertsteuerbefreit sein sollten und somit keine Einfuhrumsatzsteuer anfällt.
  • Verstöße gegen die Einfuhrumsatzsteuerregelung können drastische Folgen haben: Waren werden nicht zugestellt, Kunden müssen erhöhte Steuersätze entrichten – Händler können mit Strafen bis zu 1.000 britischen Pfund rechnen.
  • Die EU-Mehrwertsteuer fällt bei Ausfuhr aus der EU in das Vereinigte Königreich nicht an (dafür dann die Einfuhrumsatzsteuer in Großbritannien), ebenso keine Verbrauchsteuer.
  • Wird auf eine Ware eine Verbrauchssteuer erhoben, dann können Händler die Einfuhrumsatzsteuer nicht bezahlen, sondern der Empfänger des Paketes muss selbst Zoll, Einfuhrumsatzsteuer und Verbrauchssteuer beim Versanddienstleister entrichten. Es sind in diesem Fall allerdings gesonderte Zollformalitäten notwendig.
  • Zollanmeldungen müssen künftig immer vorgenommen werden; jede Sendung muss vom Zoll abgefertigt werden.

Einfuhr- und Ausfuhrgenehmigungen müssen neu beantragt werden

Sämtliche Genehmigungen sowie Ein- und Ausfuhrlizenzen für die EU, die vom Vereinigten Königreich ausgestellt wurden, sind bei einem Austritt nicht mehr gültig, müssen also bei einem EU-Mitgliedsland neu beantragt werden. Auch Zollvereinfachungen und Zolllager sind nicht mehr gültig – kurz: Jede Genehmigung, die von Großbritannien als EU-Mitglied für den EU-Binnenmarkt erteilt wurde, ist hinfällig.

Darüberhinaus muss geprüft werden, für welche Waren in Großbritannien Genehmigungen und Einfuhrlizenzen nötig sind. Dasselbe gilt für Ausfuhrlizenzen aus der EU.

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Bankkonten in Großbritannien und SEPA-Zahlungen

Das SEPA-System arbeitet voraussichtlich weiterhin mit den nationalen Zahlungssystemen in Großbritannien zusammen. Es gilt als unwahrscheinlich, dass Großbritannien die Zusammenarbeit mit einem Brexit beenden würde.

Unternehmenskonten in Großbritannien sind bis zu einer Neuregelung weiterhin über den europäischen Einlagensicherungsfonds abgesichert.

Geoblocking-Verordnung, Datenschutz, Widerruf

Die Geoblocking-Verordnung bleibt für Onlinehändler mit Sitz in der EU bestehen, britische Kunden dürfen weiterhin nicht aufgrund des Wohnsitzes diskriminiert werden.

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Der Datenschutz gestaltet sich komplex: Die Regelungen der DSGVO würden zwar nicht mehr für britische Kunden greifen, aber für die Sammlung von Daten europäischer Kunden in Großbritannien. Dafür müssten Onlinehändler außerdem noch die Zustimmung des Kunden einholen – zumindest bis die EU-Kommission das Datenschutzniveau von Großbritannien als angemessen befindet.

Zum Widerrufsrecht ist bisher nichts bekannt; da das dortige Widerrufsrecht auf EU-Recht basiert, müsste der britische Gesetzgeber das erst regeln.

Eine Gewährleistungspflicht für Händler wird weiterhin bestehen, Reparatur oder Ersatz kann bei Neuwaren in England, Wales und Nordirland sechs Jahre lang eingefordert werden, in Schottland fünf Jahre lang. Unklar ist das Thema Beweislastumkehr, das bisher auf der Basis von EU-Recht festlegt, dass nach sechs Monaten der Kunde nachweisen muss, dass die Ware von Anfang an fehlerhaft war. Hier müsste der britische Gesetzgeber ebenfalls Regelungen schaffen.

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Limited als Gesellschaftsform

Laut der Deutsch-Britischen Industrie- und Handelskammer und beispielsweise der IHK München wird eine Limited mit deutschen Verwaltungssitz meist nicht bestehen bleiben. Die Rechtsform wird in Deutschland dann nicht mehr anerkannt. Das Unternehmen würde dann in Deutschland wie eine Personengesellschaft behandelt werden und die persönliche Haftung der Gesellschaft tritt ein.

Die Handelskammern empfehlen Unternehmen eine Verschmelzung mit einer deutschen GmbH oder UG, um so als Rechtsnachfolger der bisherigen Limited zu gelten, oder eine Umformung in eine belgische Gesellschaft mit beschränkter Haftung (BV). Sollte die englische Limited liquidiert werden, ist das neue Unternehmen kein Rechtsnachfolger.

Die schnelle Brexit-Checkliste

  1. Einfuhrumsatzsteuernummer beim HMRC beantragen.
  2. Falls Umsatzsteuer nicht vom Paketdienst abgeführt werden soll, sondern Händler selbst überweisen wollen: beim Umsatzsteuer-Onlineservice des HMRC anmelden.
  3. Prozess für Zollanmeldungen definieren. EORI-Nummer und Zugang zur Zoll-Software Atlas beantragen. Für Waren mit anfallender Verbrauchssteuer zusätzlich Zugang zum britischen EMSC beantragen.
  4. Gegebenenfalls bisher gezahlte Umsatzsteuer in Großbritannien schnellstmöglich – also vor dem 31. Oktober – zurückfordern
  5. Prüfen, ob genehmigungspflichtige Waren (zum Beispiel Medizinprodukte) vertrieben werden. Notwendige Genehmigungen müssen bei den zuständigen Behörden in Großbritannien erneut eingeholt werden.
  6. Kann ein Nachweis des Warenursprungs erbracht werden, falls nötig?

Weiterführende Informationen zum Brexit

Neben Leitfäden der EU-Kommission, der britischen Regierung und des deutschen Zolls hat auch Ebay einige Informationen zusammengetragen. Auch die IHK München und die Deutsch-Britische Industrie- und Handelskammer haben eigene Brexit-Ratgeber zur Verfügung gestellt.

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Dein t3n-Team

con2art

Ihr habt vergessen zu erwähnen, dass alles seine Gültigkeit verliert. Ihr sprecht nur von „Genehmigungen“.

Technische Geräte, Bekleidung, Spielzeug, alles was auch Holz, Plastik oder anderen Materialen besteht, muss erst zertifiziert werden. Nahrungsmittel und lebende Wesen müssen ärztlich begutachtet werden. Gefahrenstoffe (Wie Batterien oder Treibstoffe) müssen gesondert genehmigt werden.

Warum?
Weil jegliche Vereinbarung wegfällt, nicht nur so simple Dinge wie die „Zollvereinfachungen“, sondern alles. Keinerlei Abkommen, keine Zertifizierungen mehr, gar nichts.
Ob Fahrzeuge überhaupt über die Grenze kommen, ist auch fraglich, schon allein, weil die Anerkennung der Führerscheine, wie auch der Fahrzeugzulassungen wegfällt.

Drittland ist zwar richtig, aber eigentlich der falsche Begriff. Man müsste eigentlich sagen „Land, dass mit der EU dann weniger Vereinbarungen hat, als Nordkorea.“

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