CO₂-Abbau mit Wäldern: Wie man es richtig anstellt
Dieser Artikel stammt aus MIT Technology Review Ausgabe 8/2023 und wurde aktualisiert.
„Hallo, wir ernten gerade Radieschen“, begrüßt mich der Biogärtner Daniel Fischer an einem sonnigen Herbsttag. Die Felder des Lindenhofes im niedersächsischen Eilum sind mit weißen Schutznetzen bedeckt. An den Rändern lugt braun-schwarze, krümelige Erde hervor. „Unser Ansatz ist, dass ein Boden voller Leben und voller organischer Substanz auch die Pflanzen optimal versorgt und auch dafür sorgt, dass weniger Krankheiten und Schädlinge auftreten. Daher versuchen wir, ein möglichst intaktes Bodenleben zu etablieren, zu erhalten, mit möglichst viel Humusgehalt.“
Mit diesem Ansatz wird der Gärtner auch zum Klimawirt. Denn er nutzt eine Art natürlichen Kohlendioxidsauger: Pflanzen angeln das kohlenstoffhaltige Gas aus der Luft und bauen es via Photosynthese in Wurzeln, Stängel, Zweige und Blätter ein. Eine Armada aus Mikroben, Springschwänzen, Hornmilben und Regenwürmern macht sich über die Pflanzenreste her und verwandelt sie in Humus. Im Idealfall speichert die nährstoffreiche Mischung einen Teil des Kohlenstoffs über mehr als 1000 Jahre.
Der naturbasierte Klimaschutz ist in den letzten Jahren auf der politischen Agenda weit nach oben geklettert. Das Bundesumweltministerium fördert ihn mit vier Milliarden Euro und eröffnete passend dazu das Kompetenzzentrum Natürlicher Klimaschutz (KNK). Schließlich kann nicht nur über den Aufbau von Humus CO2 aus der Atmosphäre entfernt werden, sondern auch, indem Bäume gepflanzt und Moore nass bewirtschaftet werden.
Selbst Meere lassen sich aufforsten, mit Seegras, Mangroven oder Makroalgen. Das Interesse daran steigt auch in der Wirtschaft. Unternehmen kompensieren ihren Treibhausgasausstoß mit – zum Teil zweifelhaften – Zertifikaten und sie werben mit klimaneutralen Produkten. In renommier- ten Fachmagazinen sind beeindruckende Zahlen zu lesen, wie eine menschengemachte Misere mithilfe der Natur gelöst werden könnte.
Wünsche größer als der Wald
Allein über Aufforstungsprojekte, berichtete etwa ein Team der ETH Zürich vor 2020 im Fachblatt Science, ließen sich etwa 45 Prozent der jähr- lichen menschengemachten CO2-Emissionen aus der Atmosphäre entfernen. Dabei waren die Auto- ren schon nach Kritik von Fachkollegen zurückgerudert. In einer ersten Fassung war noch von zwei Dritteln des Ausstoßes die Rede. „Das Potenzial wird dennoch überschätzt“, kommentiert der Waldexperte Marcus Lindner vom European Forest Institute in Bonn. „Die ETH-Studie hat die größten Potenziale in Russland ausgewiesen. Jetzt haben aber genau in diesen Regionen in den letzten Jahren vermehrt Wälder gebrannt. Und das sind abgelegene Gebiete, wo ein geregeltes Störungsmanagement, das Waldbrände unterdrückt, praktisch nicht umsetzbar ist.“ Und weil dort in der Regel kein Raucher oder Camper die Ursache sei, sondern etwa ein Blitzschlag, werde man solche Brände auch in Zukunft nicht verhindern können.
Auch aus dem waldreichen Kanada, wo in diesem Jahr ebenfalls Feuer wüteten, kommen ernüchternde Nachrichten. Mit Kanadas Wäldern als Kohlenstoffsenke könne man schlicht nicht mehr rechnen, sagte der kanadische Ministerpräsident Justin Trudeau kürzlich dem Guardian. „Noch nie zuvor hat es solche CO2-Emissionen aus den Waldbereichen gegeben. Das ist komplett umgekippt. Wir sind in der Normalität der Klimakrise angekommen“, sagt Lindner. Die Waldflächen schrumpfen zusätzlich durch Abholzen, Krankheiten und Schädlinge. Laut einer Studie der Initiative Global Forest Watch verschwand allein in den Tropen im Jahr 2022 jede Minute eine Fläche, die elf Fußballfeldern entspricht – insgesamt 4,1 Millionen Hektar.
„Die schnellste Art des Klimaschutzes wäre, die Verluste zu stoppen“, betont Lindner. Aufforstungsprojekte könnten sie nur zu einem kleinen Teil wieder ausgleichen. Dennoch sei es sinnvoll, neue Wälder zu pflanzen, vor allem in Regionen mit degradierten Landflächen, etwa in Indien, Brasilien und Afrika, „vorausgesetzt, ich beziehe die Bevölkerung mit ein, zum Beispiel, indem sie das Holz selbst nutzen kann“. Nur dann werden sich die Menschen auch um die Bäume kümmern und dafür sorgen, dass diese auch zehn, zwanzig Jahre wachsen können. Bei Projekten in unseren Breitengraden, wo große Anbauflächen fehlen, geht es vor allem darum, bestehende Wälder zu robusten Mischwäldern umzubauen, mit trockenresistenten Baumarten – und die Wildbestände zu reduzieren, „weil Rehe und Hirsche leider genau die Baumarten gerne fressen, die wir in Zukunft haben wollen, zum Beispiel Eichen, Buchen oder die Weißtanne, die als recht tolerant gegen Trockenheit gilt.“
Mosaik aus Naturschutz und Waldwirtschaft
Menschen hingegen sollten laut Lindner sogar ran ans Holz. „Isoliert betrachtet, ist es für die CO2-Bilanzen der Wälder zwar am besten, sie in Ruhe zu lassen und den Kohlenstoff im Wald zu akkumulieren. Aber das heißt eben auch, dass ich kein Holz mehr für Holzprodukte habe, die den Kohlenstoff als Baumaterial in Gebäuden über viele Jahrzehnte speichern und energieintensivere Materialien wie Stahl oder Beton ersetzen können“, gibt der Forscher zu bedenken. Ein Mosaik aus geschützten und verschieden intensiv bewirtschafteten Flächen wäre daher ideal.
Auch die Agroforstwirtschaft ist eine gute Idee für den Klimaschutz, wenn Baumreihen zur Kohlenstoffspeicherung auf Ackerflächen, Weiden, Wein- oder Baumwollplantagen gepflanzt werden. „Vor allem im globalen Süden und in mediterranen Re- gionen sehen wir viele solcher Landnutzungsbeispiele“, sagt Lindner. In Deutschland gibt es erste Pilotvorhaben.
CO2 in den Boden
Agroforstprojekte haben einen weiteren Vorteil: Laub und Totholz könnten zum Aufbau von Humus beitragen, der wie die Wälder ein potenter Kohlenstoffspeicher ist. Nicht umsonst schlug die französische Regierung 2015 bei der Weltklimakonferenz in Paris vor, den Aufbau von Humus als CO2-Falle zu nutzen. Die Vier-Promille-Initiative wurde gegründet. Es hieß, alle menschengemachten CO2-Emissionen könnten theoretisch ausgeglichen werden, wenn man den Humusgehalt des Bodens global um vier Promille im Jahr steigere. Doch auch diese Zahl ist zu hoch angesetzt. Lediglich „ein Viertel, maximal ein Drittel“ der menschengemachten CO2-Emissionen ließe sich durch Humusaufbau ausgleichen, vermutet Wulf Amelung, Wissenschaftler am Forschungszentrum Jülich und an der Universität Bonn sowie Co-Autor einer Nature-Studie zum Thema. Manche Böden seien mangels Infrastruktur nicht zugänglich. Zudem fehlten detaillierte Bodenkarten, um Farmern und politischen Entscheidern Prognosen zum Klimanutzen und zu Ertragssteigerungen zu ermöglichen.
Der Humusaufbau bietet sich vor allem dort an, wo fruchtbarer Boden verloren gegangen ist, durch Erosion oder weil Wälder abgeholzt wurden. „Und dort, wo durch Kohlenstoffanreicherung auch höhere Ernten erzielt werden können. Denn das wäre ein gutes Argument für Farmer, sich zu kümmern“, betont Amelung. Etwa ein Drittel aller Böden weltweit seien degradiert. Das betreffe vor allem afrikanische Länder südlich der Sahara sowie Süd- und Westasien.
Auch in Europas Böden sei noch einiges möglich, sagt Axel Don vom Thünen-Institut in Braunschweig. Auf vielen Äckern schrumpfe der Kohlenstoffgehalt derzeit. „Zum Bei- spiel liegen viele Flächen im Herbst und Winter ohne Vegetation brach. Das können wir uns eigentlich nicht mehr leisten.“ Stattdessen könnten Zwischenfrüchte angebaut und deren Biomasse nach der Ernte in den Boden eingearbeitet werden. Der Humusgehalt lasse sich je nach Boden über mehrere Jahrzehnte steigern. Dabei helfen Pflanzen mit vielen tiefen Wurzeln, zum Beispiel Kleegras und Luzerne – und Windschutz- hecken. „Bei der Umstellung von konventioneller Landwirtschaft auf Biolandwirtschaft lassen sich über den Humusaufbau im Schnitt zwei bis drei Tonnen Kohlenstoff pro Hektar speichern. Bei Gehölzen sind es mit Humus und Biomasse zusammen gut 100 Tonnen“, berichtet Don. Weniger Bodenbearbeitung sei ebenfalls eine lohnende Maßnahme. Sie schützt die Tiere und Mikroben im Boden, die bei der Humusbildung kräftig mitarbeiten.
Verkohlen fürs Klima
Wie gut der Humusaufbau unter welchen Bedingungen gelingt, ist Gegenstand des Projekts HumusKlimaNetz des Thünen-Instituts mit 150 Landwirten, das vom Deutschen Bauernver- band und vom Verband der Ökolandwirte BÖW koordiniert wird. In diesem Vorhaben werde auch der Einsatz von Biokohle getestet, berichtet Don. „Aus Klimaschutzsicht ist Pflanzenkohle wirklich interessant, weil sie sehr stabil ist und eine Möglichkeit bietet, langfristige Kohlenstoffspeicher aufzubauen. Dabei ist es egal, ob man sie in den Boden einbringt oder anders nutzt oder einlagert.“
Allein in Deutschland ließen sich jedes Jahr schätzungsweise fünf bis acht Millionen Tonnen Kohlendioxid in Form von Biokohle entschärfen. Als Bodenverbesserer – die Kohle speichert in ihren Poren unter anderem Wasser und Nährstoffe – wirkt sie vor allem auf degradierten Flächen. Auf den schon recht fruchtbaren deutschen Äckern konnten bisher kaum ertrags- steigernde Effekte nachgewiesen werden.
Hergestellt wird die Pflanzenkohle in Pyrolyseöfen, wo Pflanzenmaterial unter Sauerstoffausschluss einmalig auf mehrere hundert Grad Celsius erhitzt wird. Anschließend liefert der Prozess selbst genügend Wärme für das Verkohlen. Die nach eigenen Angaben bundesweit größte Anlage hat das Hamburger Start-up Novocarbo gerade in Betrieb genommen. Auch bei Thyssenkrupp in Lippstadt steht so ein pillenförmiger Pyrolyseofen aus Stahl. Gefüttert wird er mit geschredderten alten Holzkisten und Gehölzschnitt von Autobahnrandstreifen. Die Biokohle geht an Landwirte und mit der Abwärme heizt das Unternehmen seine Produktionshallen.
„Es müssen allerdings Reststoffe sein, die da verwertet werden, Stroh zum Beispiel oder Späne aus der Holzproduktion“, betont Axel Don. Eine Kaskadennutzung im Sinne einer Kreislaufwirtschaft sei das Gebot der Stunde. Pflanzen hingegen ausschließlich für die Pyrolyse oder zur Energieerzeugung anzubauen, die dabei entstehenden CO2-Emissionen einzufangen und zu speichern (BECCS: Bioenergy with Car- bon Capture and Storage), sei indes nicht nachhaltig. „Dann machen wir den gleichen Fehler wie beim Biogas“, betont Don. Infolge der Förderung wurden landwirtschaftliche Flächen für den Anbau von Energiepflanzen reserviert, für Monokulturen, die zudem nur unter hohen Pestizideinsätzen die gewünschten Erträge liefern.
Kühlende Sümpfe
Der natürliche Klimaschutz muss schlau umgesetzt werden. Das gilt nicht zuletzt für Moore, die ein mächtiger Kohlenstoffspeicher sind. „Moore machen nur drei Prozent der Landfläche aus und speichern dabei fast doppelt so viel Kohlenstoff wie die Bäume aller Wälder der Welt zusammen“, sagt Hans Joosten, Moorforscher, Autor im Weltklimarat IPCC und Mitglied des Lenkungsausschusses der internationalen Moor- schutzorganisation der Vereinten Nationen. Allerdings haben nur nasse Moore diesen Speichereffekt.
In Mooren stecken etwa fünf Prozent fester Torf, der vor allem Humus und Pflanzenreste enthält und vom leicht sauren Moorwasser konserviert wird wie Gewürzgurken in Essig. Legt man Moore trocken, werden sie zu wahren Treibhausgasschleudern. Dann zersetzen Sauerstoff und Mikroben die über Jahr- tausende gespeicherten Kohlenstoffverbindungen, wobei Unmengen CO2 freiwerden. Nur 15 Prozent der weltweiten Moor- flächen wurden bisher trockengelegt, aber sie tragen mit rund fünf Prozent zu den globalen Treibhausgasemissionen bei, mehr als der Flugverkehr.
Die entwässerten Moore verbergen sich unter Wiesen, auf denen Kühe grasen, unter Maisfeldern, Wäldern und, etwa in Indonesien, unter Ölpalmenplantagen. „Meine Leute haben mal ausgerechnet, dass pro Kilogramm Gouda 45 Kilogramm Kohlendioxid freigesetzt werden, wenn die Milch von Kühen auf Moorweiden stammt“, erzählt der Forscher. Ähnliches gilt auch für den Abbau von Torf, für die Anzucht von Pflanzen und Gemüse. „Es ist zurzeit nur wenig Gemüse zu kaufen, das nicht irgendwann mal mit Torf in Kontakt war“, sagt er. Deshalb seien selbst regionale Tomaten oder Gurken – und ganz gleich, ob bio oder nicht – oft klimaschädlicher, als man denke.
Schilf statt Mais
In der EU liegen nur rund drei Prozent der Landwirtschaftsflächen auf Mooren. Sie sind aber für 25 Prozent der Emissionen der Landwirtschaft verantwortlich. „Da sagen viele in der EU: Warum lassen wir diese drei Prozent nicht einfach absaufen? Für den Klimaschutz wäre das ein gutes Geschäft“, berichtet Joosten. „Und das ist es auch! Wir brauchen diese Flächen auch nicht für die Nahrungssicherheit. Sie sind ja nicht so groß. Das können wir schaffen.“
Je eher die Moore wieder vernässt werden, desto besser. Denn bis sie das Klima spürbar kühlen, kann es Jahrzehnte dauern. „Die gleichen Prozesse, die das organische Material konservieren, setzen in der ersten Zeit Methan frei, ein besonders starkes, wenn auch mit einer Verweilzeit in der Atmosphäre von zehn bis zwölf Jahren kurzlebiges Treibhausgas“, erklärt der Moorforscher. Der Effekt durch den Stopp der CO2-Emissionen aus dem Moor werde dadurch zunächst ausgeglichen. „Das ist wie eine Blinddarmoperation. Man muss erst schneiden, macht es also kurzfristig schlimmer, um es am Ende besser zu haben.“
Technisch ist das Wiedervernässen der Moore einfach: Aufhören, das Wasser abzupumpen, reicht in der Regel. Anschließend können Sumpfpflanzen wachsen und zusätzlich Kohlenstoff einlagern. Und die Flächen könnten auch weiter landwirtschaftlich genutzt werden – nur eben anders. „Denn natürlich kann ich im Wasser keine Kartoffeln anbauen, aber Schilf statt Mais zum Beispiel oder Rohrkolben, die einen Superdämmstoff für Gebäude abgeben, und statt Ölpalmen in Indonesien Sagopalmen oder Nussbäume“, erklärt Joosten. Auch Torfmoos steht auf der Liste dieser sogenannten Paludikulturen und könnte in Zukunft den klimaschädlichen Torfabbau überflüssig machen. Viele Landwirte seien aufgeschlossen, aber sie wollten Klarheit, berichtet der Wissenschaftler. Ausgleichszahlungen für die Betriebe und die Nachfrage in der Wirtschaft ankurbeln, wie es das Projekt toMOORow der Umwelt- stiftung Michael Otto und der Michael Succow Stiftung anstrebe, seien nun das Gebot der Stunde.
Aufforsten im Tauchgang
Immer wieder ist auch vom Aufforsten der Meere als Klimaschutzmaßnahme die Rede. Länder und Unternehmen, darunter Amazon, investieren Millionenbeträge. Schließlich können auch Mangrovenwälder, Seegraswiesen und Salzmarschen Kohlenstoff speichern. Taucher setzen die Pflanzen in den Meeresboden. In den USA-Registern zu den CO2- Emissionsmärkten sind zurzeit 56 sogenannte „Blue Carbon“-Projekte registriert. 39 davon, alles Mangrovenprojekte, berichten bereits jährliche „Kreditvolumina“, also die anrechenbaren CO2-Mengen. „In Summe ergibt sich für diese fast 40 Projekte ein jähr liches Kreditvolumen von 16,14 Millionen Tonnen CO2“, sagt Wilfried Rickels vom Institut für Weltwirtschaft in Kiel. Das Potenzial sei eher klein, aber für die klimapolitischen Ziele auch nicht zu vernachlässigen.
Rickels koordiniert ein Forschungsprojekt, in dem Taucher Seegraswiesen in der Ostsee pflanzen. „Wir untersuchen gerade unter anderem, welche Pflanzabstände optimal sind.“ Ganz ohne Taucher ließe sich das Wachstum bestehender Seegraswiesen fördern – und die vielerorts zum Teil dramatischen Verluste bremsen. Das bedeutet vor allem für Binnenmeere wie die Ostsee, weniger Chemikalien und Dünger in die Gewässer zu entlassen und so die Mikroalgenbildung zu reduzieren. „Sinkt die Eutrophierung, erhöht sich die Lichtdurchlässigkeit und die Seegraswiesen würden sich von selber ausweiten“, so der Wissenschaftler.
Eine besondere Herausforderung der Blue- Carbon-Projekte ist, dass es sich bei den Küstenhabitaten um Open-Access-Gebiete handelt. „Das heißt, es gibt keine Eigentumsrechte und unterschiedliche Nutzergruppen, beispielsweise aus der Fischerei und aus dem Küstenschutz“, sagt Rickels. Es sei daher entscheidend, diese Gruppen einzubinden. Zum Beispiel wäre es denkbar, dass lokale Fischer als Stewards für die Pflege der neu angelegten Ökosysteme entlohnt werden. „Das wäre noch ein Zusatz-Benefit, denn die Blue-Carbon-Habitate bieten Lebensraum für die Fische und wirken sich positiv auf die Bestände aus.“
Wie Seegras können auch Makroalgen im Meer gelöstes Kohlendioxid angeln. Einer aktuellen Studie im Fachblatt Nature Communications & Environment zufolge wäre der Flächenbedarf allerdings enorm. Etwa eine Million Quadratkilometer wären nötig, um pro Jahr eine Milliarde Tonnen CO2 aus der Atmosphäre zu holen – eine Fläche etwa dreimal so groß wie Deutschland. Kritiker warnen zudem vor den unbekannten ökologischen Nebenwirkungen eines Algen-Massenanbaus.
Erstmal die Nulllinie erreichen
Welchen Beitrag der naturbasierte Klima- schutz am Ende leisten kann, bleibt abzuwarten. „Wir müssen in allen Bereichen erstmal die Humusverluste reduzieren und eine Nulllinie erreichen“, betont der Thünen-Forscher Axel Don. „So lange dürfen wir auch nicht von negativen Emissionen sprechen. Das ist erst mal nur Klimaschutz im Sinne von: Vorher hatten wir viele Emissionen und jetzt haben wir etwas weniger Emissionen.“
„Und die Frage ist nicht: Wer soll das bezahlen? Denn wir bezahlen es längst“, sagt Hans Joosten. Schon heute kosteten die Folgen des Klimawandels Deutschland jedes Jahr viele Milliarden Euro. „Wenn man zum Beispiel den Landwirten auf Mooren für jede Tonne CO2, die sie einsparen, 150 Euro geben würde, dann würden sofort sehr viele mitmachen. Und das würde sich auch wirtschaftlich lohnen. Denn eines ist sicher: Wenn wir nichts machen, dann kostet es eine große Menge mehr.“