Coaching per Chatbot, kann das funktionieren?
Alles ging los mit einem Karteikartenset, mit dem das Unternehmer- und Coaching-Paar Oliver Fritsch und Michaela Lang Coaching-Prozesse vereinfachen wollte. Aus dem Kärtchenset wurde eine interaktive Box und schließlich eine digitale Anwendung, die bei der Karriere- und Persönlichkeitsentwicklung helfen soll: Pocketcoach. Rund zehn Jahre Hirnschmalz stecken inzwischen in dem Tool, das in erster Linie von Endkund:innen – also Coaching-Willigen – und Coaches verwendet wird. Im Juli 2020 kam dann ein Karriere-Paket zum Pocketcoach-Portfolio hinzu, für das die beiden eine Kooperation mit Xing klarmachen konnten. Inzwischen sind ihre Tools nach eigenen Angaben bereits an die 25.000 Mal im Einsatz.
Im App-Store sucht man nach Pocketcoach bislang vergeblich, da es sich um eine mobile-first Web-App handelt. „Das hat für unsere Nutzer den Vorteil, dass sie sich bequem von jedem Gerät aus einloggen und mit dem Pocketcoach arbeiten können“, sagt Gründer Oliver Fritsch. „Einige Übungen, bei denen mehr geschrieben und reflektiert wird, wie bei der Visions- oder Zielentwicklung, sind an einem größeren Bildschirm leichter zu bearbeiten als am Handy.“ Was man stattdessen in den App-Stores findet, ist eine gleichnamige App aus Österreich gegen Stress. Die müsse sich aber aus markenrechtlichen Gründen bald umbenennen, sagt Fritsch.
Coaching für alle
Nach der Aktivierung von Pocketcoach auf der Website wird man per Chatbot durch einen Coaching-Prozess geführt. Ziel sei es, Nutzer:innen schnell Klarheit über ihre Coaching-Thematik zu verschaffen. „Man will ja selbst erstmal sein Thema finden, bevor man zu einem Coach geht. Unsere Tools sind toll für den Anfang, um seine eigene Situation zu reflektieren und herauszufinden, was einen bremst, was einen antreibt und was die eigenen Ziele sind“, sagt Lang.
Durch die Automatisierung der Analysephase könne die gesamte Dauer eines Coachings reduziert werden, erklärt die Gründerin Michaela Lang im Videocall – wodurch natürlich auch die Kosten eines Coachings sinken. Hat man sich Klarheit verschafft, könne man in einem nächsten Schritt dann einfach „auf Knopfdruck“ eine:n der Coaches dazubuchen. „Für einen Coach, der das bei uns gelernt hat, ist es dann leicht, in die Zielgerade zu gehen“, sagt Lang. 50 Partner-Coaches seien bereits mit dem Pocketcoach-System ausgebildet worden, so Fritsch.
Männer spielen länger mit den digitalen Tools als Frauen
Ein hybrider Ansatz aus digitaler Analyse und persönlicher Beratung mache den beiden Gründer:innen zufolge beim Coaching am meisten Sinn. „Es hilft total, nach der Analyse auch mit jemandem persönlich zu sprechen, selbst wenn es nur für eine halbe Stunde ist“, meint Fritsch. Männer würden dabei länger auf eigene Faust mit den digitalen Tools hantieren, während Frauen sich schneller einen Coach dazuklickten.
Der Preis von Pocketcoach liegt für Endkund:innen bei 99 Euro pro Jahr. Das Business-Paket kostet 390 Euro jährlich. Beim Unternehmenspaket, das sich an Unternehmer:innen, Personalentwickler:innen oder Coaches richtet, können auch weitere Menschen in den Coaching-Prozess eingeladen werden, um kollaborativ an Teamentwicklung, Führungsfeedbackanalysen und Stellenbesetzung zu arbeiten.
In Zukunft können sich die Pocketcoach-Gründer:innen vorstellen, ihren Einsatz im HR-Bereich auszubauen. Die Personalvermittlung würde dann eher auf menschlichen Motiven als auf harten Fachkenntnissen beruhen. „Die Chemie muss stimmen. Skills kann man immer dazulernen“, sagt Fritsch. Und Lang ergänzt: „Wir wollen das Menschliche, das Emotionale mit den hard skills matchen.“ Am Ende muss es schließlich menscheln.