Coca-Cola produziert eigene Amazon-Serie: Wie nativ ist zu nativ? - t3n

Coca-Cola steigt ins Business der Serien-Produzent:innen ein. Was heißt das für Streaming, Konsument:innen und Marken? Im Marketing sollen Anzeigen möglichst nativ gestaltet sein. Werbung wirkt am besten, wenn sie als solche nicht erkennbar ist. In Filmen und Serien ist das vergleichsweise einfach – da wird meist ein Product-Placement gestellt. Nach dem Sport die Wasserflasche? Product-Placement. Der Herzinfarkt auf dem Peloton-Bike? Product-Placement, wenn auch ein mittelgutes. Coca-Cola hat sich jetzt gedacht: Warum viel Geld für ein Placement bezahlen und stattdessen nicht gleich eine eigene Serie produzieren? Native Werbung 2.0, die Fragen aufwirft für Marken, Verbraucher:innen und den Streaming-Bereich. „Christmas always finds its way“ – Werbung auch Die Serie ist auf Amazon Prime Video verfügbar und hat drei Folgen, die ungefähr 15 Minuten lang sind. Es sind drei alleinstehende Geschichten, die sich nicht aufeinander beziehen. Wirklich ersichtlich ist nicht, dass sie von Coca-Cola produziert wurden – das Produktionsstudio heißt Real Magic und ist nur an den Colaflaschen im Logo als Coca-Cola zugehörig erkennbar. Ja, irgendwo in den Credits taucht „brought to you by Coca Cola“ auf, aber die schaut sich, wie AGB, in der Regel niemand genau an. Der Film soll, so Adage, ein innovativer Versuch sein, Konsument:innen außerhalb von 30-Sekunden-Clips zu erreichen. [caption id="attachment_1521509" align="alignnone" width="620"] Der einzige Moment in der Serie, der wirklich verrät, dass sie von Coca-Cola ist. (Screenshot: „Christmas always finds its way“ auf Amazon Prime/t3n)[/caption] Doch wie viel Branding ist in der Serie? In der ersten Folge, knapp 15 Minuten lang, tauchen zwei Colaflaschen auf und ein Blechschild mit dem Coca-Cola-Weihnachtsmann. Es ist natürlich auch praktisch, dass die Farbpalette von Weihnachten, nämlich sehr viel Rot und Weiß, auch zu den Brand-Farben der Firma passt. Das unterstreicht, dass sich die Serie „nach Coca-Cola anfühlt“, was laut Marc Gilbar das Ziel war. Er ist Executive VP of Brands and Documentaries bei Imagine Entertainment. Kurzer Exkurs an der Stelle: Es stimmt nicht, dass die Figur des Santa Claus von Coca-Cola erfunden wurde und auch seine Farben stammen von einer Bischofsrobe, nicht dem Unternehmen – allerdings haben sie sich die Figur stark einverleibt. Bis eben das Gerücht entstand, sie hätten ihn sogar erfunden. Inhaltlich hat die Serie nichts mit dem Getränk oder der Firma zu tun. Es geht in der ersten Folge um einen Computer mit KI im Retro-Look, der viel piept und blinkt und auf eine merkwürdige Weise Weihnachten rettet. So wild der Plot ist: Es ist schwierig für Konsument:innen, zu verstehen, dass diese Serie eigentlich eine große Werbung ist. [crosslinks ids="1495731,1442149,1499845"] Native Werbung als Erfolgsfaktor Anzeigen funktionieren besser, wenn nicht auffällt, dass es Anzeigen sind. Werbung stört in der Regel. Eben diese Störgefühl soll mit nativen Werbeformaten vermieden werden. Eine Ad als Kurzfilm zu tarnen, ist auch nicht neu – siehe die diesjährige Weihnachtswerbung von Penny, die ebenfalls aufwendig produziert wurde: [youtube eHpsCzdwbCI] Bei Penny ist aber ersichtlich, dass es sich um Markeninhalte handelt: Veröffentlicht wurde das Video auf dem Youtube-Kanal des Unternehmens. Die Serie von Coca-Cola steht ohne weitere Kennzeichnung zwischen anderen, nicht-werblichen Inhalten. So schiebt Coca-Cola seine Produkte heimlich in Streaminginhalte. Bei Amazon Prime Video, Netflix, Disney Plus und Co sind immerhin eine Menge Menschen, die erreicht werden können. Seitens Amazon wird die Serie nicht nur ohne Unterschied zu anderen Inhalten präsentiert, sondern auch auf anderen Plattformen von Amazon beworben, beispielsweise Fire TV. Tanner Elton, VP of U.S. Sales bei Amazon Ads, sagte gegenüber AdAge dazu, dass es großartig ist, dass Unternehmen ihre Kund:innen nun ganz anders erreichen können – sofern Relevanz und Authentizität gegeben sind. Er sei außerdem gespannt, wie die Leute darauf reagieren. [crosslinks ids="1448393,1452355,1440838"] Wie nativ ist aus Verbraucherschutzperspektive vertretbar? Das Wort „heimlich“ zeigt schon: Irgendwie kuscheln wir an der Stelle mit Schleichwerbung und Verbrauchertäuschung. Hierzulande unterliegen Product-Placements einer Kennzeichnungspflicht. Die abschließende Bewertung überlassen wir an der Stelle natürlich Jurist:innen und Richter:innen. Es zeigt aber schon: Für Marken in Europa würden bei solchen Marketing-Stunts mehr Restriktionen gelten als für die Konkurrenz in den USA. Die Diskussion kennen wir aus dem Influencer:innen-Bereich: Ab wann ist es Werbung, wenn ein Produkt gezeigt wird? Ab wann muss es gekennzeichnet werden? [crosslinks ids="1189736,1095430,1416752"] Streaminganbieter müssen schauen, ob sie solche werblichen Inhalte von Unternehmen in ihren Katalog aufnehmen, und wenn ja, ob sie diese Inhalte gesondert prüfen. Außerdem ist die Frage, ob sie als Anzeige gekennzeichnet werden müssen – wie es Influencer:innen auch tun müssen. In dieser Diskussion könnten in Zukunft auch Verbraucherschutzorganisationen Akteure sein. Aus ihrer Sicht sollten Menschen wissen, wann sie Werbung konsumieren und wann nicht – und sich auch aktiv dafür oder dagegen entscheiden können. Wenn sie es nicht wissen, ist es manipulativ: Werbung beruht in vielen Fällen auf kognitiven Verzerrungen, die Menschen nicht kontrollieren können. Product-Placements gehören zu den Werbeformaten, die beispielsweise auf dem sogenannten Mere-Exposure-Effect bauen. Das Ziel ist nicht, dass Zuschauer:innen aufspringen und plötzlich Cola kaufen. Aber indem sie die Colaflasche täglich irgendwo sehen – beispielsweise in süßen kleinen Weihnachtsfilmen – wird eine Hemmschwelle abgebaut und am Ende greifen sie im Laden doch zu. Verbraucher:innen haben an der Stelle ein Stück ihrer Selbstkontrolle zwangsläufig abgegeben. Wie viel Manipulation Werbung darf und wo Werbung überhaupt anfängt – das sind ethische und moralische Fragen, die in Zukunft wieder diskutiert werden müssen. Die wahrscheinlich teuerste Anzeige der Welt Zuletzt sei gesagt: Eine ganze Serie oder einen Film zu produzieren, kostet eine Menge Geld, der ROI ist schlecht nachvollziehbar. Während wir also definitiv beobachten sollten, was da passiert, brauchen wir keine Angst vor eine Welle von Branding-Serien haben. [crosslinks ids="1493551,1489612,1498285"]