Das Landgericht Trier verhandelt ab heute in einem Prozess, der das Zeug zu einer filmreifen Geschichte hat: Das Gericht hat über das Strafmaß in einem Fall zu befinden, in dem der Betreiber eines Rechenzentrums über Jahre hinweg Kriminellen die nötige Netzinfrastruktur bereitgestellt haben soll.
Schlagzeilen machte die „Cyberbunker“ genannte Bunkeranlage auf einem Hügel im rheinland-pfälzischen Traben-Trarbach bereits reichlich. Ein niederländischer Geschäftsmann soll hier der Anklage zufolge mit sieben Mitarbeitern (einige davon sind Familienmitglieder) über Jahre hinweg die Infrastruktur für zahlreiche Darknet-Aktivitäten betrieben haben. In den vier unterirdischen Stockwerken des ehemaligen Bundeswehrbunkers sollen hier unter anderem Drogengeschäfte abgewickelt worden sein (Plattformen „Cannabis Road“ und „Wallstreet Market“) sowie Geschäfte mit gefälschten Ausweisen und Falschgeld („Fraudsters“).
Das Geschäftsmodell dahinter soll vor allem darin bestanden haben, keine Fragen zu stellen und als sogenannter „Bulletproof-Hosting“-Partner zu fungieren. Alle Daten dürften zwar verschlüsselt gewesen sein, entsprechende Spuren hat das Unternehmen aber dennoch hinterlassen. Seit 2015 sollen die Täter im Visier der Ermittlungsbehörden gestanden haben. Der nicht nur für das Städtchen Traben-Trarbach spektakuläre Zugriff erfolgte im September 2019 mit Hunderten Beamten, der GSG9 und Unterstützung durch Hubschrauber.
Cyberbunker-Prozess: Digitale Indizien werden zählen
Auch der Prozess am Landgericht Trier ist alles andere als trivial: Es geht für die acht Angeklagten laut Staatsanwaltschaft um mindestens 249.000 Straftaten, die über die IT-Infrastruktur des Bunkers abgewickelt worden sein sollen. Da die Straftaten an sich offenbar unstrittig sein sollen, geht es vor allem darum, die Verantwortung und Beteiligung der Angeklagten zu klären. Haben diese daran mitgewirkt, die Straftaten geduldet oder nichts dagegen unternommen? Die Antwort auf diese Frage dürfte entscheidend für das zu erwartende Strafmaß sein.
Die Süddeutsche Zeitung zitiert den zuständigen Oberstaatsanwalt Jörg Angerer: „Der Knackpunkt ist das Providerprivileg. Der Provider muss nicht prüfen, was auf seiner Plattform passiert, das kann er oft gar nicht. Nur wenn er Kenntnis von kriminellen Geschäften hat, muss er aktiv werden.“ Ob der Vergleich mit einem Bürogebäude, in dem der Vermieter ja auch nichts über die möglicherweise unlauteren Geschäfte seiner Mieter weiß, stichhaltig ist und das Gericht überzeugt, bleibt abzuwarten. Leicht wird die Argumentation jedenfalls für beide Seiten nicht. Es geht in diesem Fall erstmals in Deutschland darum, einem Unternehmen die Beihilfe zu Cyber-Straftaten in diesem großen Umfang nachzuweisen – ob das wirklich gelingt, ist offen.
Da die Angeklagten zumindest bislang kaum Aussagen gemacht haben, dürfte sich die Beweisführung vor allem auf die digitalen Spuren verlegen, die sie hinterlassen haben. Was immer noch unklar ist, ist die Frage, warum gerade in Deutschland ein solches Unternehmen gegründet wurde, wo es in anderen Teilen der Welt sicherlich weniger rigide Ermittlungsbehörden gegeben hätte. Offenbar ging man dabei von der physischen Uneinnehmbarkeit des Bunkers aus – zumindest in diesem Punkt haben sich die Betreiber geirrt.
Der Prozess wird voraussichtlich mindestens bis Ende 2021 dauern.
Der Betreiber hat jahrelang damit angegeben, dass die Polizei niemals durch seine zwei Meter dicke Stahlbetontür kommen würde. Für mich war der Cyber-Bunker eigentlich mein Fluchtort für den Weltuntergang gewesen. Ohne Cyber-Bunker muss der Weltuntergang jetzt leider ausfallen.
Spaß beiseite, viel Erfolg den Betreibern. Don’t shoot the messenger.