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„Designer“-Babys durch CRISPR? Coinbase-CEO will in Gentechnik investieren

Die umstrittene Idee von genetisch veränderten Embryonen könnte von „Tech-Bros“ einen massiven Schub erhalten und einige Wissenschaftler:innen feuern sie an.

Von MIT Technology Review Online
7 Min.
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(Bild: Midjourney / MIT Technology Review)

Brian Armstrong, der milliardenschwere CEO der Kryptowährungsbörse Coinbase, ist bereit, ein US-Startup zu finanzieren, das sich auf die Genbearbeitung menschlicher Embryonen konzentriert. Wenn er diesen Schritt geht, wäre dies die erste große kommerzielle Investition in eines der umstrittensten Projekte der Medizin: der Entwicklung von „Designer“-Babys durch die Geneditiermethode CRISPR.

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Am 2. Juni schrieb Armstrong auf X, dass er auf der Suche nach Wissenschaftler:innen für Genbearbeitung und Bioinformatiker:innen sei, um ein Gründungsteam für ein Projekt zur „Embryonenbearbeitung“ zu bilden, das sich mit einem ungedeckten medizinischen Bedarf, wie beispielsweise genetischen Erkrankungen, befasst. „Ich denke, die Zeit ist reif für den Aufbau eines führenden Unternehmens in diesem Bereich in den USA”, schrieb Armstrong weiter.

Fortschritte bei der CRISPR-Technologie

Die Ankündigung eines finanzstarken Geldgebers ist eine bemerkenswerte Wende für das CRISPR-Gebiet, das seit der Geburt der weltweit ersten genetisch veränderten Kinder in China 2018 als Tabu gilt. Damals zog ein geheim gehaltenes Experiment internationale Empörung und eine Gefängnisstrafe für den leitenden Wissenschaftler nach sich.

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Armstrongs Pläne könnten durch die jüngsten Verbesserungen in der Bearbeitungstechnologie mitmotiviert sein, die eine sicherere und präzisere Methode zur Veränderung der DNA von Embryonen ermöglicht haben, sagt Dieter Egli. Das Team des Genbearbeitungsexperten von der Columbia University hat Armstrong über die Technologie informiert.

Diese Technik namens Basenbearbeitung kann präzise einzelne DNA-Buchstaben verändern. Frühere Methoden schnitten die Doppelhelix durch, beschädigten sie und führten zum Verschwinden ganzer Gene. „Wir wissen jetzt viel besser, was zu tun ist“, sagt Egli. „Das bedeutet nicht, dass die Arbeit abgeschlossen ist, aber es ist jetzt ein ganz anderes Spiel – ein völlig anderes.“

Maßgeschneiderte Gene sind eine stark stigmatisierte Idee

Die Embryo-Bearbeitung, deren Ziel letztlich die Erzeugung von Menschen mit maßgeschneiderten Genen ist, ist eine stark stigmatisierte Idee, die kaum finanziert wird. Während es legal ist, Embryonen im Labor zu untersuchen, ist die tatsächliche Erzeugung eines genbearbeiteten Babys in den meisten Ländern streng verboten.

In den USA gilt das CRISPR-Baby-Verbot durch ein Gesetz, das es der Food and Drug Administration verbietet, Anträge auf die Erzeugung genveränderter Babys zu prüfen oder auch nur anzuerkennen. Diese Regelung könnte jedoch geändert werden, insbesondere wenn Wissenschaftler:innen einen überzeugenden Nutzen dieser Technik nachweisen können – oder wenn sich vielleicht ein Milliardär dafür einsetzt.

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In seinem Post fügte Armstrong ein Bild einer sieben Jahre alten Umfrage des Pew Research Center bei, aus der hervorgeht, dass die Amerikaner:innen die Veränderung der Gene eines Babys zur Behandlung von Krankheiten stark befürworten, obwohl dieselbe Umfrage ergab, dass die meisten gegen Experimente an Embryonen sind.

Bis zu diesem Zeitpunkt hat kein US-Unternehmen offen die Bearbeitung von Embryonen verfolgt, und die US-Regierung finanziert überhaupt keine Studien an Embryonen. Stattdessen wurde die Forschung zur Genbearbeitung bei Embryonen in den USA nur von zwei akademischen Zentren vorangetrieben: dem von Egli und einem an der Oregon Health & Science University.

Es macht nichts, wenn das Geld von Tech-Bros kommt

Diese Bemühungen wurden mit minimalen Mitteln durchgeführt und durch private Zuschüsse und Universitätsgelder finanziert. Forscher:innen dieser Zentren sagten, sie würden die Idee eines gut finanzierten Unternehmens unterstützen, das diese Technologie vorantreiben könnte. „Wir würden das ehrlich gesagt begrüßen“, sagt Paula Amato, Fertilitätsärztin an der Oregon Health & Science University und ehemalige Präsidentin der Amerikanischen Gesellschaft für Reproduktionsmedizin. „Es ist mehr Forschung erforderlich, und dafür braucht man Personal und Geld“, sagt sie und fügt hinzu, dass es ihr nichts ausmacht, wenn diese Mittel von „Tech-Bros“ kommen.

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Mit der Genbearbeitung lassen sich theoretisch genetische Fehler bei Embryonen korrigieren, die wahrscheinlich noch im Kindesalter zu schweren Erkrankungen führen würden. In den meisten Fällen gibt es allerdings Gentests, die eine Aufdeckung dieser Fehler bei den Embryonen erlauben und sie dann nicht ausgewählt werden. Deshalb argumentieren viele, dass es schwierig sein wird, einen echten ungedeckten Bedarf zu finden, bei dem die DNA-verändernde Technik tatsächlich notwendig ist.

Stattdessen lässt sich leicht der Schluss ziehen, dass der größere Markt für diese Technologie darin bestehen würde, Embryonen so zu verändern, dass Menschen gegen häufige Erkrankungen wie Herzkrankheiten oder Alzheimer resistent werden. Dies ist jedoch umstrittener, da es sich um eine Art Verbesserung handelt und die Veränderungen auch an nachfolgende Generationen weitergegeben würden.

Forscher:innen und Biotechs fordern Moratorium für Genbearbeitung

Erst letzte Woche forderten mehrere Biotech-, Handels- und Wissenschaftsgruppen ein zehnjähriges Moratorium für die Bearbeitung des menschlichen Erbguts, da die Technologie nur wenige echte medizinische Anwendungsmöglichkeiten habe und „langfristige Risiken mit unbekannten Folgen mit sich bringe“.

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Sie sagten, die Möglichkeit, gewünschte Eigenschaften zu „programmieren“ oder unerwünschte zu eliminieren, berge die Gefahr einer neuen Form der „Eugenik“, die „potenziell den Verlauf der Evolution verändern“ könnte.

Eine Anfrage von MIT Technology Review, in der er um eine Stellungnahme zu seinen Plänen gebeten wurde, ließ Armstrong unbeantwortet. Auch sein Unternehmen reagierte nicht. Die Kryptowährungs-Handelsplattform Coinbase war 2021 an die Börse gegangen und ist die Quelle seines Vermögens, das von Forbes auf zehn Milliarden US-Dollar geschätzt wird.

Der Milliardär ist bereits Teil einer Welle von Tech-Unternehmern, die durch überdimensionale Investitionen, manchmal in weit hergeholte Ideen, für Aufsehen in Wissenschaft und Biologie gesorgt haben. Armstrong war zuvor Mitbegründer von New Limit, das Bloomberg als „Unternehmen zur Lebensverlängerung“ bezeichnet und das in diesem Jahr weitere 130 Millionen Dollar aufgebracht hat, um Methoden zu erforschen, mit denen alte Zellen in einen embryonalen Zustand zurückversetzt werden können.

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Er gründete dieses Unternehmen zusammen mit Blake Byers, einem Investor, der erklärt hat, dass ein erheblicher Teil des globalen Bruttoinlandsproduktes für die Forschung zur „Unsterblichkeit“ ausgegeben werden sollte, einschließlich biotechnologischer Ansätze und Möglichkeiten, das menschliche Bewusstsein auf Computer zu übertragen.

Soiree für verbotene Technologien

Ende letzten Jahres begann Armstrong dann, öffentlich sein Interesse an der Erforschung eines neuen Vorhabens zu bekunden, das diesmal mit assistierter Reproduktion zu tun hat. Im Dezember gab er auf X bekannt, dass er und Byers bereit seien, sich mit Unternehmern zu treffen, die an „künstlichen Gebärmüttern“, „Embryo-Editierung“ und „IVF der nächsten Generation“ arbeiten.

Der Beitrag lud dazu ein, sich für die Teilnahme an einem inoffiziellen Abendessen zu bewerben – einer Art Soiree für verbotene Technologien. Die Bewerber:innen mussten ein Google-Formular ausfüllen und dabei Fragen „Was ist das Beeindruckendste, das Sie jemals geschaffen haben?“ beantworten.

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Unter den Teilnehmer:innen des Abendessens war auch Stepan Jerabek, ein Postdoktorand aus Eglis Labor, der das Forschungsprojekt zur Basenbearbeitung geleitet hatte. Ein weiterer Teilnehmer war Lucas Harrington, der an der University of California in Berkeley im Labor von Jennifer Doudna gearbeitet hat. Doudna hat gemeinsam mit Emmanuelle Charpentier 2020 für die Entwicklung der CRISPR-Genbearbeitung den Nobelpreis für Chemie. Harrington sagt, dass eine von ihm mitbetreute Venture-Gruppe namens SciFounders, ebenfalls erwägt, ein Unternehmen für Embryo-Editierung zu gründen.

„Wir haben ebenfalls Interesse daran, dass es ein Unternehmen zur empirischen Bewertung gibt, ob Embryo-Editierung sicher durchgeführt werden kann, und prüfen aktiv die Gründung eines Unternehmens, das sich dieser Aufgabe annimmt“, schrieb Harrington in einer E-Mail. „Wir glauben, dass es seriöse Wissenschaftler und Kliniker geben muss, die daran arbeiten, diese Technologie sicher zu bewerten.“

Aufgrund der rasanten Fortschritte in der Genbearbeitung kritisiert Harrington auch Verbote und Moratorien für diese Technologie. Diese können ihre Anwendung nicht verhindern, sondern treiben sie seiner Meinung nach in den „Untergrund“, wo sie möglicherweise weniger sicher eingesetzt wird. Laut Harrington haben „mehrere Biohacker-Gruppen still und leise kleine Kapitalbeträge aufgebracht“, um diese Technologie weiterzuverfolgen.

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Im Gegensatz dazu steht Armstrongs öffentliche Erklärung auf X für einen transparenteren Ansatz. „Es scheint jetzt ziemlich ernst zu sein. Sie wollen etwas auf die Beine stellen“, sagt Egli, der hofft, dass der CEO von Coinbase einige Forschungsprojekte in seinem Labor finanzieren könnte. „Ich finde es sehr gut, dass er öffentlich gepostet hat, denn so kann man die Stimmung einschätzen, die Reaktionen beobachten und die öffentliche Diskussion anregen.“

Erste CRISPR-Anwendungen

Die ersten Berichte, wonach Forscher:innen CRISPR an menschlichen Embryonen im Labor testeten, kamen 2015 aus China und lösten eine Schockwelle aus, als klar wurde, wie einfach es theoretisch war, die menschliche Vererbung zu verändern. Zwei Jahre später behauptete ein Bericht aus Oregon, dass eine gefährliche DNA-Mutation in Laborembryonen, die aus Eizellen und Spermien von Patienten hergestellt worden waren, erfolgreich korrigiert worden sei.

Doch dieser Durchbruch war nicht das, was er zu sein schien. Sorgfältigere Tests von Egli und Oregon zeigten, dass die CRISPR-Technologie tatsächlich Chaos in einer Zelle verursachte und oft große Teile von Chromosomen löschte. Hinzu kommt das Problem von Mosaizismus, bei dem die Bearbeitungen in verschiedenen Zellen unterschiedlich ausfallen. Was zunächst wie eine präzise DNA-Bearbeitung aussah, war in Wirklichkeit ein gefährlicher Prozess, der unsichtbare Schäden verursachte.

Während sich die öffentliche Debatte um die Ethik von CRISPR-Babys drehte – insbesondere nachdem in China drei editierte Kinder geboren wurden –, diskutierten Forscher grundlegende wissenschaftliche Probleme und deren Lösung.

Seitdem sind sowohl US-Labore als auch einige in China auf die Baseneditierung umgestiegen. Diese Methode könnte theoretisch einem Embryo auch eine Reihe vorteilhafter Genvarianten verleihen, nicht nur eine einzige Veränderung.

Einige Forscher:innen sind auch davon überzeugt, dass die Bearbeitung eines Embryos einfacher ist als die Behandlung kranker Erwachsener. Die einzige zugelassene Genbearbeitungsbehandlung für die Sichelzellenkrankheit kostet mehr als zwei Millionen Dollar. Im Gegensatz dazu könnte die Bearbeitung eines Embryos unglaublich günstig sein, und wenn sie frühzeitig, während der Embryonalentwicklung durchgeführt wird, könnten alle Körperzellen die Veränderung tragen. „Man korrigiert den Text, bevor man das Buch druckt“, sagt Egli. „Das scheint doch ganz klar zu sein.“

Dennoch ist die Genbearbeitung noch nicht ganz bereit für den Einsatz bei der Erzeugung von Babys. Um dorthin zu gelangen, ist noch mehr Arbeit erforderlich, darunter die sorgfältige Entwicklung des Genbearbeitungssystems, das ein Protein und ein kurzes Leitmolekül umfasst, und systematische Methoden zur Überprüfung von Embryonen auf unerwünschte DNA-Veränderungen. Das ist die Art von industrieller Arbeit, für die Armstrongs Unternehmen, falls er eines gründet, geeignet wäre. „Man müsste etwas so weit optimieren, bis es perfekt ist, bis es ein Kinderspiel ist“, sagt Egli. „Das ist die Art von Arbeit, die Unternehmen leisten.“

 

Der Artikel stammt von Antonio Regalado. Er ist Redakteur bei der US-amerikanischen Ausgabe von MIT Technology Review. Regalado schreibt über Themen aus der Biomedizin.
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