Für mehr Raum und besseres Klima: Designer konzipiert schwebende City aus Ballons
Oversky hat der Norweger Andreas Tjeldflaat sein Konzept genannt. Mit dem von ihm gegründeten Studio Framlab macht er sich seit Jahren Gedanken zu Zukunftsthemen – vor allem zu solchen, die den Klimawandel betreffen.
Simpel: Im Schatten einer Wolke ist es kühler
Dabei ist er auf die recht einfach wirkende Idee gekommen, die Erwärmung der Großstädte, die etwa mit dem doppelten Tempo des Umlands voranschreitet, mit der Hilfe künstlicher Wolken zu stoppen. „Urbane Hitzeinseln“ nennt die Forschung das Phänomen, das sich relativ leicht durch die massive Überbauung des urbanen Raums mit Materialien erklären lässt, die gute Wärmespeichereigenschaften haben – darunter vorwiegend die Straßenflächen.
Hinzu kommt die mangelnde Durchlüftung wegen der labyrinthartigen Bebauung und ein genereller Mangel an Grünflächen. So wundert es nicht, dass die Temperatur in einer Großstadt schon jetzt um zwei bis drei Grad Celsius höher sein kann als jene außerhalb der Stadt.
Tjeldflaats Idee geht auf eine simple Beobachtung zurück, die jeder für sich selbst nachvollziehen kann. Zieht eine Wolke auf, wird es im Schattenbereich der Wolke fast unmittelbar kühler. Wie wäre es nun, dachte sich Tjeldflaat, wenn wir die Großstädte künstlich verschatten.
Das ist Oversky
Das ist im Wesentlichen schon die ganze Idee hinter Oversky. Zwischen die Hochhäuser und oberhalb der Straßen in Großstädten will sein Studio künstliche Wolken hängen, die den darunter liegenden Raum verschatten und mittels ihrer weiß leuchtenden Oberflächen einfallende Sonnenstrahlung wieder nach oben reflektieren.
Um das zu erreichen, soll ein dünnes schaumartiges Nanomaterial, das mit kleinsten Lufttaschen durchzogen ist, eingesetzt werden. Dieses Material soll so gute Reflexionseigenschaften haben, dass die auftreffende Sonnenstrahlung bis in die Atmosphäre zurückgeworfen wird. Damit haben Tjeldflaat und sein Team eine passive Klimaanlage für Städte im Sinn, die völlig ohne weitere Energiezufuhr von außen auskommen und wegen ihrer guten Reflexionseigenschaften auch noch einen positiven Einfluss auf die Reduzierung der Erderwärmung haben könnte.
Die zugrundeliegende Technologie für das künstliche Wolkensystem liefert die Zeppelin-Bauweise. In ein starres Gerüst aus Streben werden eine Vielzahl gasgefüllter Blasen verbaut, die die Konstruktion insgesamt leichter als Luft machen und damit in der Schwebe halten können.
Konkret schlägt Tjeldflaat vor, ein Modulsystem aus Würfeln mit einer Kantenlänge von rund zehn Metern zu schaffen. Die Würfel würden außen von einem leichten, aber widerstandsfähigen Stoff umschlossen. Die Rahmenkonstruktion würde aus Karbon bestehen. Außen- und Zwischenwände der Würfel würden so konstruiert, dass in sie Helium gepumpt werden könnte. Das Gas würde nicht nur für die Stabilität der Konstruktion, sondern auch für deren Auftrieb sorgen.
Utopie: Schwebende Stadt im Würfel
Die einzelnen Module ließen sich miteinander so kombinieren, dass nicht einmal jeder Würfel in der Lage sein müsste, sich selbst in der Schwebe zu halten, was den Einsatzbereich der Klimawürfel über ihren eigentlichen Zweck hinaus erweitern könnte. Und an dieser Stelle wird das Konzept utopisch.
Denn Tjeldflaat stellt sich vor, dass sich die schwebenden Würfel durch geschicktes Kombinieren zu neuem öffentlichem Raum, etwa für Cafés, Shopping-Meilen oder Bildungsbereiche umwidmen lassen würden. So könnte für konkrete Einsatzbereiche überlegt werden, was in der jeweiligen Nachbarschaft gebraucht wird. Dann schaffte man Lösungen innerhalb der umgebenden Kuben.
Auf den Dächern der Würfel stellt sich Tjeldflaat schwebende Bürgersteige vor. Ebenso könnten sie als Brücken zwischen den Gebäuden dienen, wenn von denen aus jeweils Zugänge geschafft würden. Von der Erde aus könnten die schwebenden Boulevards über Wendeltreppen erreicht werden, die der Konstruktion als zusätzliche Stützen dienen könnten.
Konzept mit offensichtlichen Problemen
Damit wird jedenfalls eines deutlich: Tjeldflaats Idee wird teuer – sehr teuer. Zudem werden verschiedene Bedenken wach, sobald wir uns etwas intensiver mit der Idee befassen. Wie sieht es mit Flucht- und Rettungsmöglichkeiten aus, wenn nahezu alle Flächen einer Stadt, teils schwer erreichbar, weil schwebend, überbaut sind? Wie steht es um den Brandschutz einer großflächigen mit Helium gefüllten Leichtkonstruktion? Was macht es mit den Menschen, wenn sie ganztägig und über das gesamte Jahr im Schatten leben?
Dem mag man entgegenhalten, dass Forschende für manche Megacity der Erde bereits die temporäre Unbewohnbarkeit für Teile des Sommers voraussagen – etwa für Tokio – sollte sich die Erwärmung der Erdoberfläche weiter so darstellen wie jetzt. Dieses isolierte Problem würden Tjeldflaats Würfel vielleicht lösen können. Wie stets wird es um eine Abwägung unter Beachtung aller Dimensionen gehen müssen.