Wie die Deutsche Post versucht, die Startup-Konkurrenz kaltzustellen
Siegesgewiss zeigten die Manager der Deutschen Post dem Gründer Frank Jorga schon sein neues Büro. Die Gespräche über die Übernahme seines Startups Webid seien „von einer gewissen Arroganz geprägt“ gewesen, sagt er. Vor zwei Jahren wollte der einstige Staatskonzern das Unternehmen für Online-Identifikationen übernehmen. „Es ging um eine zweistellige Millionensumme“, sagt Jorga. Erst wenige Wochen zuvor hatte das Berliner Unternehmen sein Produkt an den Start gebracht.
Trotzdem schlugen Jorga und sein Mitgründer Thomas Fürst das Angebot aus. Neben strategischen Differenzen habe es vor allem zu große „Kulturunterschiede“ gegeben. „Bevor die Verhandlungen überhaupt abgeschlossen waren, haben uns die Konzernmanager schon unsere künftigen Büros in der Bonner Postzentrale gezeigt. Man gab sich siegessicher“, sagt Jorga. „Wir hatten einfach kein gutes Bauchgefühl.“
Deutsche Post will Fintechs verdrängen
Heute könnte Jorga die Absage eigentlich egal sein. Mit 160 Mitarbeitern gehört seine Firma inzwischen zu den großen Playern im Geschäft mit der Video-Identifikation im Internet. Wer beispielsweise ein Online-Konto bei einer Bank eröffnet, kann sich bequem mit dem Smartphone ausweisen. Täglich führt Webid bis zu 4.000 solcher Identifizierungen durch. Bei einem Umsatz von jährlich rund acht Millionen Euro schreibt das Unternehmen nach eigenen Angaben sogar schon schwarze Zahlen.
Doch Jorga hat ein Problem: Die Deutsche Post macht neuerdings ihm und auch der Konkurrenz das Leben schwer. Mit besonderen Preisvorteilen will der Staatskonzern offenbar sein Monopol bei der bislang üblichen Legitimation in Postfilialen nutzen, um junge Wettbewerber mit Videoverfahren aus dem Markt zu drängen.
Traditionell mussten Banken ihre Kunden für eine Online-Kontoeröffnung oder einen Kreditabschluss im Fernabsatz zum Abgleich mit dem Ausweis noch an den Postschalter schicken. Seit dem Frühjahr 2014 ist das nicht mehr nötig. Eine Neuauslegung des Geldwäschegesetzes durch das Bundesfinanzministerium ermöglicht seitdem auch die Legitimation über Videotelefonie.
Das hat zahlreiche Neugründungen auf den Plan gerufen. Neben Webid zum Beispiel auch Liveident und Identity Trust oder den Münchner Anbieter Idnow, dem nach t3n-Informationen ebenfalls ein Übernahmeangebot durch die Post vorlag.
In dem Markt werden jährlich rund 200 Millionen Euro Umsatz erwirtschaftet. Bis zur Einführung des Videoident-Verfahrens war der Gang zur Postfiliale die einzige Alternative zur Legitimation in einer Bankfiliale. Die Post wurde von den Umwälzungen am Markt offenbar so überrascht, dass sie nach den gescheiterten Übernahmeversuchen erst spät ein eigenes Videoangebot an den Start brachte. Dieses will sie jetzt mit Nachdruck in den Markt bringen.
Über einen Kombivertrag, der t3n vorliegt, bietet die Post zahlreichen Kunden von Fintechs die Nutzung beider Verfahren an. Sollten Banken zum neuen Videoangebot der Post wechseln, gewähre der Konzern einen sogenannten „First-Mover-Preisnachlass“ in Höhe von zehn Prozent auf alle mit dem Verfahren durchgeführten Transaktionen, heißt es in dem Dokument. Besonders brisant: In den Verhandlungen mit den Banken soll die Post mit Kostensteigerungen für das Postident-Verfahren gedroht haben, sollte das Angebot nicht akzeptiert werden. Ein an den Verhandlungen beteiligter unabhängiger Bankberater, der namentlich nicht genannt werden will, bestätigt die angedrohte Preiserhöhung.
Banken sprechen von Erpressung
Ein Kartellrechtsanwalt stufte das Vorgehen der Post laut einem Bericht des Wirtschaftsmagazins Capital schon im vergangenen Juli als „wettbewerbswidrig“ ein. Intern sei bei Banken sogar von „einer Art Erpressung“ die Rede.
Vorsichtiger äußerte sich auf t3n-Anfrage der Düsseldorfer Kartellrechtsanwalt Markus Wirtz: „Nur wenn man davon ausgeht, dass die Deutsche Post AG marktbeherrschend ist, käme unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Kopplung ein Missbrauch in Betracht.“ Allerdings sei fraglich, ob die Videoident-Verfahren und die Postident-Verfahren überhaupt einen einheitlichen Markt bildeten und der Post eine beherrschende Stellung zugeschrieben werden kann. Entscheiden könnten dies nur ein Gericht oder eben das Bundeskartellamt.
Neu sind die Vorwürfe gegen die Post allerdings nicht: Schon 2011 attestierte das Landgericht Köln dem Konzern den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung. Um sich einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen, kündigte die Deutsche Post damals den Anbietern Web.de und GMX die zur Nutzung von DE-Mail notwendigen Rahmenverträge über die Postident-Dienstleistungen.
Von t3n mit den Sachverhalten konfrontiert erklärt die Post, die Vorwürfe nicht nachvollziehen zu können. „Unserer Überzeugung nach stehen unsere Identifizierungsleistungen im Einklang mit den aufsichtsrechtlichen, datenschutzrechtlichen und wettbewerbsrechtlichen Vorschriften“, sagte ein Sprecher. Zu Vertragsdetails wollte sich die Post nicht äußern.
Kundenschwund bei Webid
Webid-Geschäftsführer Frank Jorga hilft das wenig. Er klagt über den Verlust zweier namhafter Kunden. Im Sommer hätte bereits die Wüstenrot den Vertrag mit Webid gekündigt, um zur Post zu wechseln. Die ING Diba zog ihre Aufträge ebenfalls ab. Auch anderen Kunden des Fintechs seien die Preisvorteile angeboten worden. Besonders schwer wiege jedoch der Abzug der ING Diba. „Auf die ING Diba entfielen 15 bis 20 Prozent des Gesamtvolumens bei den Identifizierungen“, sagt Jorga. „Unser Geschäft mit den Direktbanken ist damit praktisch zum Erliegen gekommen.“
Auf Nachfragen von t3n zu den Gründen des Wechsels reagierte die Wüstenrot bislang nicht. Die ING Diba dagegen erklärte, ihren Kunden beide Legitimationsverfahren „aus einer Hand“ bieten zu wollen. Ungeachtet der Kooperation mit der Deutschen Post wolle man die Zusammenarbeit mit Webid jedoch fortführen. Zur Preispolitik der Deutschen Post äußerte sich die Bank nicht.
Deutsche Post klagt gegen Fintech
Auch dem Fintech-Wettbewerber Idnow ist das Vorgehen der Post bekannt. Zwar hätte es bisher zum Glück noch keine Kündigungen gegeben. „Allerdings haben wir von vielen unserer Kunden gehört, dass die Post mit den Kombiverträgen an sie herangetreten ist“, sagt Mitgründer Sebastian Bärhold. Zu den Kunden von Idnow gehören unter anderem die Commerzbank oder N26. Hinsichtlich der Deutschen Post könne jedoch „der Verdacht entstehen, dass sie mit ihren Kombipaketen ihre Monopolstellung im Bereich der analogen Identifizierung ausnutzt“, so Bärhold.
Juristisch wehren will sich das Fintech aber nicht. Man sehe die Sache „sportlich“ und gehe davon aus, dass sich die Qualität gegen die Post durchsetzen werde. „Es ist eher so, dass sich die Post kürzlich juristisch mit uns angelegt hat“, sagt Bärhold.
Mit einer einstweiligen Verfügung habe die Post gegen die Werbung von Idnow vorgehen wollen. Auch ein von Idnow kommuniziertes Patent sei angefochten worden. Ende August wurde der Fall vor dem Landgericht Köln verhandelt. Die Kammer folgte dem Antrag der Post in sieben von neun Punkten nicht. Lediglich bei zwei Punkten empfahl das Gericht Idnow, den Widerspruch gegen den Verfügungsantrag zurückzunehmen.
Die Post bat auf Anfrage von t3n wegen eines noch laufenden Verfahrens um Verständnis, „dass wir hierzu noch keine weiteren Aussagen treffen können.“ Auch hinsichtlich weiterer Klagen gegen junge Fintechs hält sich der Konzern bedeckt. „Gegen wen oder was die Post juristisch vorgeht, hängt von der jeweiligen Rechtslage ab und wird im Einzelfall geprüft“, heißt es.
Webid-Geschäftsführer Frank Jorga winkt angesprochen auf ein mögliches juristisches Vorgehen gegen die Post ab. Zwar könne sich das Unternehmen beispielsweise bei der Bundesnetzagentur oder beim Kartellamt beschweren. „Das würde aber Jahre dauern“, sagt Jorga. „Auch eine Klage würde uns eher behindern“. Eine Sammelklage im Verbund mit anderen Fintechs will er hingegen nicht ausschließen. Dies sei durchaus eine Überlegung wert.
Ob das Vorgehen der Deutschen Post gegen junge Fintechs im Einklang mit geltenden Gesetzen steht, müssen letztlich Gerichte entscheiden. Wenn ein Konzern vom Kaliber der Deutschen Post die Konkurrenz erst aufkaufen und dann mit einem Preiswettbewerb verdrängen will, stellen sich zumindest Fragen.
Warum stellen sich bei einem Preiswettbewerb fragen? Hat das Startup ein Recht die günstigeren Preise anzubieten? Natürlich nicht. Nur weil es ein Startup ist muss es nicht automatisch besser sein oder bevorzugt werden gegenüber der Post.
Eine andere Sache ist natürlich die Bündelung der Dienstleistungen, die evtl nicht gebündelt werden sollten, wenn die Post ein Monopol auf das Offline Identifikationsverfahren hat.
Alles in allem mal wieder ein schwacher Artike der sich auf die Seite des jungen sympathischen Startups schlägt. Die Post mag noch so arrogant sein und nicht clever verhandeln können. Wenn Sie Video ident anbieten wollen können sie das machen. Und wenn sie das günstiger als die Konkurrenz machen können ist es umso besser.