17-fach übertroffen: Deutscher Fusionsreaktor mit neuem Meilenstein

Die Fusionsanlage Wendelstein 7‑X in Greifswald ist der modernste und größte Stellarator der Welt. Hier zu sehen: die Experimentierhalle. (Bild: MPI für Plasmaphysik/Jan Hosan)
Das Ziel für 2023 lautete: ein Energieumsatz von einem Gigajoule. Den haben die Forschenden des Kernfusionsexperiments in Greifswald mit 1,3 Gigajoule schon Mitte Februar übertroffen – und mit einer Plasmaentladung von acht Minuten einen weiteren Bestwert erreicht.
Der Plan des Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik (IPP), mit dem erweiterten Heizsystem doppelt so viel Leistung in das Plasma einzukoppeln wie bisher, ging mehr als auf: Der Bestwert aus der Zeit vor dem Umbau (75 Megajoule) wurde gleich um das 17-Fache gesteigert.
Der Energieumsatz ergibt sich aus der eingekoppelten Heizleistung, multipliziert mit der Dauer der Entladung. Nur wenn es gelinge, kontinuierlich große Energiemengen ins Plasma einzukoppeln und die entstehende Wärme wieder abzuführen, sei ein Kraftwerksbetrieb möglich, heißt es in einer Mitteilung des IPP. „Wir tasten uns jetzt an immer höhere Energiewerte heran“, wird Prof. Dr. Thomas Klinger, Leiter des Bereichs Stellarator-Dynamik und ‑Transport, zitiert. Spontane Höhenflüge sind dabei ganz gezielt nicht geplant: „Wir müssen Schritt für Schritt vorangehen, um die Anlage nicht zu überlasten und zu beschädigen.“
Die Hauptkomponente von Wendelstein 7‑X (W7‑X) ist ein Stellarator, eine Anlage zum magnetischen Einschluss von heißem Plasma mit dem Ziel der Energiegewinnung durch Kernfusion. Bei Wendelstein 7‑X führen die größten Wärmeflüsse dem IPP-Bericht zufolge über besonders hitzebeständige Divertor-Prallplatten als Teil der Innenwand, die seit dem Umbau von einem Netz aus insgesamt 6,8 Kilometer Wasserrohren gekühlt wird. Keine andere Fusionsforschungsanlage weltweit verfügt heute über eine so umfassend gekühlte Wand.
Die Plasmaheizung besteht aus drei Komponenten: der neu eingebauten Ionenheizung, einer Heizung durch Neutralteilcheninjektion und einer Mikrowellen-Elektronenheizung. „Für den aktuellen Rekord kam es vor allem auf die Elektronen-Mikrowellenheizung an, weil nur sie in der Lage ist, über Zeiträume von mehreren Minuten große Leistungen einzukoppeln“, wird vom IPP erklärt. Auch die Entladung über 480 Sekunden ist ein neuer Bestwert für Wendelstein 7‑X: Vor dem Umbau wurden maximale Plasmazeiten von 100 Sekunden bei deutlich geringerer Heizleistung erreicht.
Der langfristige Plan der Forschenden ist nach dem aktuellen Erfolg nicht minder ambitioniert: Innerhalb weniger Jahre soll der Energieumsatz bei Wendelstein 7‑X auf 18 Gigajoule steigen, das Plasma soll dann für eine halbe Stunde lang stabil gehalten werden. Die Anlage in Greifswald für eine nennenswerte Freisetzung von Fusionsenergie zu nutzen ist auch weiterhin nicht vorgesehen: W7‑X soll lediglich die physikalischen und technischen Grundlagen untersuchen sowie die prinzipielle Kraftwerkstauglichkeit von Kernfusionsreaktoren des Stellarator-Typs demonstrieren.
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