Dishbrain und die digitale Ethik: Haben Computer auf Basis von Gehirnzellen Rechte?
Das ehemalige Science-Fiction-Thema Bioinformatik ist längst Realität geworden und erfordert einen verantwortungsvollen Umgang. Dieser Auffassung sind auch die Erfinder:innen von Dishbrain.
800.000 lebende Zellen bilden Dishbrain
Gemeinsam mit Bioethiker:innen befassen sie sich in einem kürzlich erschienenen Papier mit ethischen Implikationen, potenziellen medizinischen Nutzen und Vorteilen für die Umwelt. Dieses Papier ist kürzlich in der Zeitschrift Biotechnology Advances veröffentlicht worden.
„Die Kombination biologischer neuronaler Systeme mit Siliziumsubstraten zur Erzeugung von intelligenzähnlichem Verhalten ist vielversprechend, aber wir müssen das große Ganze im Auge behalten, um einen nachhaltigen Fortschritt zu gewährleisten“, sagt Hauptautor Brett Kagan vom Biotech-Startup Cortical Lab.
Cortical Lab wurde durch die Entwicklung von Dishbrain bekannt. Dabei handelt es sich um eine Ansammlung von 800.000 lebenden Gehirnzellen in einer Schale. Die Zellen arbeiten zusammen und haben so gelernt, das einfache Videospiel Pong zu spielen.
Ethische Fragen weitgehend ungeklärt
„Wir haben uns noch nicht ausreichend mit der moralischen Frage auseinandergesetzt, was in Zusammenhang mit der heutigen Technologie überhaupt als ‚bewusst‘ gilt“, sagt Julian Savulescu, Mitautor des Papiers und Inhaber des Lehrstuhls für praktische Ethik an der Universität Oxford und ergänzt: „Im Moment gibt es noch viele Möglichkeiten, Bewusstsein oder Intelligenz zu beschreiben, die jeweils unterschiedliche Auswirkungen darauf haben, wie wir über biologisch basierte intelligente Systeme denken.“
„Selbst wenn neue biologisch basierte Computer eine menschenähnliche Intelligenz aufweisen, folgt daraus nicht notwendigerweise, dass sie einen moralischen Status haben“, wendet Mitautorin Tamra Lysaght, Forschungsdirektorin am Zentrum für biomedizinische Ethik der National University of Singapore, ein. Die Studie soll nach ihrer Auffassung einen Ausgangspunkt bieten, „um sicherzustellen, dass die Technologie weiterhin erforscht und verantwortungsvoll eingesetzt werden kann“.
Auch auf den potenziellen medizinischen Nutzen weisen die Forschenden hin. So könnten sich durch die Verwendung vielfältigerer Zelllinien Potenziale ergeben, die „unser Verständnis von Krankheiten wie Epilepsie und Demenz erheblich verbessern“. Das könne zu einer besseren und schnelleren Arzneimittelentwicklung führen.
Hirncomputer weitaus umweltfreundlicher
Nicht zuletzt seien es Umweltaspekte, die für den Einsatz von Computern auf Hirnzellenbasis sprechen, so Kagan: „Siliziumbasierte Computer sind sehr energiehungrig, ein Supercomputer verbraucht Millionen von Watt an Energie. Im Gegensatz dazu verbraucht das menschliche Gehirn nur 20 Watt Energie – biologische Intelligenzen werden eine ähnliche Energieeffizienz aufweisen.“
Er ergänzt: „So wie es aussieht, trägt die IT-Industrie massiv zu Kohlenstoffemissionen bei. Wenn auch nur eine relativ kleine Anzahl von Verarbeitungsaufgaben mit Biocomputern erledigt werden könnte, gäbe es einen zwingenden ökologischen Grund, diese Alternativen zu erforschen.“