Doppelte Zugfestigkeit von Stahl: Warum „Superwood“ die Baubranche revolutionieren könnte

Ein Baustoff, der stärker als Stahl ist – das war das ambitionierte Ziel des Materialwissenschaftlers Liangbing Hu von der Universität Maryland. Zusammen mit einem Team gelang es ihm schließlich, gewöhnliches Naturholz in ein robustes Baumaterial, das die Stärke von Stahl übertrifft, zu verwandeln. Jetzt sollen die ersten Chargen in diesem Sommer produziert werden.
So soll das Superwood super werden
Erstmals hatten Hu und seine Kolleg:innen das sogenannte Superwood 2018 in einer Nature-Studie beschrieben. Seine Technologie lizenzierte Hu letztlich an das Startup Inventwood. Damit aus herkömmlichem Holz das Superwood entstehen kann, muss das Holz zunächst einen besonderen Prozess durchlaufen: Hauptdarsteller sind dabei die Biomaterialien Cellulose und Lignin, aus denen Holz hauptsächlich besteht. Während Cellulose als faserige Struktur dem Material Zugfestigkeit verleiht, wirkt Lignin wie ein natürlicher Klebstoff, der die Fasern verbindet und für die Steife des Holzes verantwortlich ist.
Das Ziel der Vorgehensweise ist es, die im Holz vorhandene Cellulose zu verstärken und das Holz so von innen heraus zu stabilisieren. Dafür wird das Lignin im Holz teilweise entfernt, um so die Cellulose-Nanokristalle gezielt zu verstärken. Diese Nanokristalle sind sehr kleine, aber extrem feste Bestandteile der Cellulose und tragen wesentlich zur Stärke des Materials bei.
Durch den Einsatz von Chemikalien, die laut Inventwood aus der Lebensmittelindustrie stammen, und anschließendes starkes Pressen wird die Molekülstruktur so verändert, dass besonders stabile Wasserstoffbrücken zwischen den Cellulose-Molekülen entstehen. Das Ergebnis sei ein Material, das Inventwood zufolge eine doppelt so hohe Zugfestigkeit wie Stahl und ein zehnmal besseres Verhältnis von Festigkeit zu Gewicht aufweist.
Die Zukunft: Holz statt Stahl?
Bestrebungen, Holz als Alternative zu Materialien wie Stahl und Kunststoff zu nutzen, sind nicht neu und werden in der öffentlichen Debatte zunehmend als nachhaltige Lösung präsentiert. So stößt zum Beispiel auch die Vermarktung von transparentem Holz als biologisch abbaubare Alternative zu Kunststoff an Grenzen. Denn auch in diesem Fall spielen Chemikalien im Herstellungsverfahren eine nicht zu verachtende Rolle.
Die Eigenschaften des Super-Holzes eröffnen jedoch auch neue Möglichkeiten, zum Beispiel für die Bauindustrie: Neben der Zugfestigkeit soll das Holz sehr flammbeständig und widerstandsfähig gegen Fäulnis und Schädlinge sein. Mit einer Polymerimprägnierung wäre das Endprodukt auch für den Außenbereich – also für Verkleidungen, Terrassendielen oder Dacheindeckungen – geeignet. Die ersten Anwendungen sind im Bereich hochwertiger Fassadenverkleidungen für gewerbliche Bauten und exklusive Wohnarchitektur geplant, sagt Alex Lau, CEO von Inventwood.