
In der Welt der Content-Management-Systeme gibt es einen Faktor, der den Markt verzerrt – nämlich WordPress. Das System von Matt Mullenweg hat riesige Marktanteile. 40 Prozent der in der Alexa-Liste der Top-10-Millionen geführten Websites der Erde setzen es ein. Das entspricht einem Marktanteil innerhalb des CMS-Kosmos von 64,3 Prozent. Da kommt kein anderes System ran.
Da WordPress mit so deutlichem Abstand führt, sehen alle Wettbewerber wie Zwerge aus und man wäre versucht, sie zu marginalisieren. Das stimmt bei näherem Hinsehen aber nicht.
Drupal ist in den Top 5 der beliebtesten CMS weltweit
Schauen wir uns Drupal an. Das System aus Belgien kommt in den populärsten zehn Millionen Websites der Welt „nur“ zu 1,5 Prozent zum Einsatz. Das sind allerdings immer noch 150.000 Websites im betrachteten Ranking. Die Verbreitung im übrigen Netz ist unklar. Der Marktanteil am CMS-Kosmos beträgt 2,4 Prozent.
Damit entsprechen beide Anteilswerte exakt denen des Website-Builders Wix, der neben Squarespace als marktführendes Erfolgsbeispiel gilt. Wie kann nun der eine ein Erfolgsbeispiel und der andere ein marginalisierter CMS-Zwerg sein? Es ist lediglich die Relation zu WordPress, die diese Fehlinterpretation nährt.
Tatsächlich hat außer WordPress kein weiteres CMS zweistellige Marktanteile. Das wichtigste CMS nach Mullenwegs System ist Shopify – bei dem man zudem fragen dürfte, inwieweit es überhaupt als generelles CMS gezählt werden sollte – mit einem Nutzungsanteil von 3,3 und einem CMS-Marktanteil von 5,3 Prozent.
Es folgt Joomla mit 2,1 (3,4), Squarespace mit 1,6 (2,5) und dann bereits Drupal und Wix mit den identischen Anteilen. Dann sehen wir noch Bitrix und Blogger mit einer Eins vor dem Komma, alle anderen Systeme liegen im Bereich von unter einem Prozent.
Drupal 9: Halbjährlicher Releasezyklus, große Ambitionen
Drupal gehört also – bei korrekter Betrachtung – zur absoluten Weltspitze. Diesen Anspruch hat das Entwicklerteam mit der im Juni 2020 veröffentlichten Version 9 bekräftigt.
Drupal 9 (D9) ist eine Version, die die Basis für die Zukunft des beliebten Content-Management-Systems legt. Sie bringt keine neuen alltagswichtigen Features mit, sondern konzentriert sich voll auf die Verjüngung ihres technischen Unterbaus. Davon zeugen vor allem die Updates des zugrundeliegenden PHP-Frameworks Symfony auf Version 4.4 und der Template-Sprache Twig auf die Version 2.
Mit dem D9-Release hatte sich das Team einem halbjährigen Release-Zyklus verschrieben. Bislang konnte der eingehalten werden. Das aktuelle Release ist die Version 9.1.4, die am 3. Februar 2021 freigegeben wurden. Mit Version 9.1 wurden ein neues Frontend-Theme namens Olivero sowie Verbesserungen der Darstellung und des Content-Workflows eingeführt. Ebenso bekam das System den PHP-8-Support.
Die halbjährlichen Iterationen werden dabei konsistent stets um einen Punkt hinter der Hauptversionsnummer hochgezählt, also 9.0, 9.1 und so weiter. Dabei wird jede Folgeversion im Hauptstrang rückwärtskompatibel zu allen Vorversionen bis zu 9.0 sein.
Drupal kann also zu seinem 20. Geburtstag nicht nur auf eine erfolgreiche Vergangenheit zurück-, sondern einer ebenso aussichtsreichen Zukunft entgegenblicken, wenn es den eingeschlagenen Weg konsequent weitergeht.
Deshalb heißt Drupal Drupal
Kleine Anekdote für die, die es noch wussten: Drupal ist eine Anglifizierung des niederländischen Wörtchens Druppel, das in deutscher Sprache Tropfen bedeutet.
Der Name entstand irrtümlich. Ursprünglich nämlich wollte Drupal-Erfinder Dries Buytaert sein System Dorp, zu Deutsch Dorf, nennen, verschrieb sich aber bei der Domainregistrierung und registrierte fälschlich Drop, das englische Wort für Tropfen.
Buytaert machte aus der Not eine Tugend und nannte sein System nicht Dorp, sondern Drupal, was langfristig unter Markengesichtspunkten sicherlich die richtige Entscheidung war. So erklärt sich übrigens auch das niedliche Maskottchen des Systems, ein freundlicher Wassertropfen.
Ich verwende Drupal vor allem wegen der mächtigen Datenausgabe Views und der Möglichkeit einfach neue Inhaltstypen mit Feldern zu erstellen, ohne zusätzliches Plugin. In WordPress würden manche Dingen einfach viel zu lange bis zur Umsetzung dauern.
Es hat bis zur Veröffentlichung von Drupal 8 gedauert, dass ich dieses CMS lieben lernte und mittlerweile sehr gerne für mittel-komplexe bis komplexe Seiten einsetze. Durch den Einsatz von PHP7/8 und Symfony hat Drupal 8 im Vergleich zum Vorgänger deutlich an Struktur gewonnen und stellt mit der „Konfigurationssynchronisierung“ erstmalig ein Core-Feature bereit, um Inhalte aus dem System zu im- oder exportieren; wer vorher in einem mehr-köpfigen Entwicklerteam mit Inhaltstypen, Views, Systemkonfigurationen und Co. arbeiten, diese versionieren und ggf. auf mehreren Systemen (z.B. Staging) deployen musste, wird damit ein Stück aufatmen können. Mit Drupal 9 wandert das CMS zudem mehr und mehr in Richtung Service-basierten Ansatz, um API-getriebene Dienste und damit eine decopuled-Architektur von Hause aus zu ermöglichen.
Der Artikel ist gut, die WordPress Thematik wird gut herausgearbeitet. Was speziell Drupal betrifft, gibt es aber noch viel mehr Aspekte, die sogar den meisten „Digital-Experten“ nicht bekannt sind.
Drupal hat eine lange Vergangenheit aber auch eine ZUKUNFT. Viele schreiben, dass die sog. „legacy CMS“ als monolithische Software ausgedient hätten. Das mag stimmen, trifft auf Drupal aber nicht zu.
Denn Drupal ist tatsächlich zweierlei: Sowohl ein „monolithisches CMS“, welches klassisch out-of-the-box oder durch erweiternde Module viele Funktionalitäten bietet, als auch ein modernes „headless CMS“ und ein Framework für Web-Anwendungen.
Im Vergleich hat Drupal viele Vorteile. Um nur mal einige zu nennen:
– die größte Open Source Community weltweit – noch vor Linux
– eine wirklich professionelle Entwickler Community (auch weltweit)
– viele Dienstleister (auch weltweit und auch NearShore und OffShore)
– ein großes Backup von vielen starken Unternehmen untersch. Größe, die das Projekt weiter voran pushen (vor allem Acquia – mittlerweile übrigens ein Einhorn, allerdings mit echten, soliden und nicht nur geplanten Umsätzen)
– große, internationale Enterprise Kunden (z.B. Pfizer), die Drupal nicht nur einsetzen, sondern auch aktiv das Modell des „Nehmens und auch Gebens“ und die Idee von Open Source unterstützen. So verlangt Pfizer von seinen Dienstleistern, dass diese nicht nur liefern und abrechnen, sondern auch aktiv zu Durpal bzw. Open Source einen Beitrag leisten (Stichwort: „contribute“).
– free long term support (Drupal 7 wird insg. fast 12 Jahre unterstützt (!) … noch bis Nov. 2022 (wegen Corona nochmal um 1 Jahr verlängert))
– regelmäßige Releases (Updates, Upgrades, SECURITY!)
– … und es ist Open Source. Im Enterprise CMS Bereich sind nicht nur die Lizenzkosten bei vielen vergleichbaren Systemen ein enormer Faktor, sondern auch der Lock-in-Effekt (Vendor lock-in).
– Zudem kann Drupal ein nachhaltiges Investment sein, sowohl finanziell als auch technologisch. (Die Einstiegskosten sind aber ggf. erstmal höher als bei manch anderen Leichtgewichten, Baukästen oder Cloud Systemen.)
– permanente Innovation (auch wenn es in kleineren, wendigeren Projekten schneller geht, adaptiert und innoviert Drupal konstant)
– Drupal Coding and Site Building Standards – … wer schon mal ein Projekt an die Wand gefahren hat oder welche aufräumen musste, der weiß, dass eine bestimmte „Flughöhe“, auf der auch die Dienstleister wechseln können, nicht nur den Projekterfolg sichert, sondern auch finanziell nachhaltig sein kann … frei nach dem Motto: „If you think it’s expensive to hire a professional to do the job, wait until you hire an amateur.“
Nachteile gibt es natürlich auch. Wobei die größten Schwachstellen mit den Upgrades zu Drupal 8 / 9 nach und nach ausgemerzt wurden.
Ein Nachteil der sich aber wohl nie ausmerzen lässt, ist wohl die Tatsache, dass Drupal unter Web-Entwicklern (das gilt nicht für Anwender) als eher komplex und zumindest anfangs als schwer zu erlernen wahrgenommen wird. Das schreckt manche ab … ist aber eventuell auch ein Resultat daraus, dass Drupal immer wieder Altes hinter sich lässt und Neues einführt, um technisch relevant und up-to-date zu bleiben. So werden dann aus 20 Jahren dann wahrscheinlich 30 -40 Jahre …