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Ratgeber

E-Residency in Estland: Das Reizvolle am digitalen Unternehmertum

Die E-Residency ist ein innovatives Programm, mit dem der estnische Staat die zumindest digitale Ansiedlung von Unternehmer:innen ermöglichen will. Doch neben Annehmlichkeiten wie einer digitalen Identität mitsamt E-Signatur und transparenter Bürokratie gibt es auch Nachteile für Geschäftsleute.

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Estland ist bei der Digitalisierung ganz vorne (Bild: Wirestock Creators/ Shutterstock)

Estland gilt im Vergleich als eines der Länder weltweit mit dem höchsten Digitalisierungsgrad. Schon früh hat das Land einige entscheidende strategische Maßnahmen eingeleitet, die es heute zum Vorzeigestaat in Sachen schlanke Bürokratie und digitale Prozesse machen. Schon in den 1990er-Jahren, nachdem die baltischen Staaten nicht mehr Teil der Sowjetunion waren, investierte Estland in digitale Infrastruktur – und hatte hierbei den Vorteil, „from scratch“ arbeiten zu können, ohne auf bestehende Strukturen Rücksicht nehmen zu müssen.

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Dabei hat sich die Regierung bereits früh darauf konzentriert, digitale Kompetenz in allen Ebenen einfließen zu lassen und beispielsweise die Steuererklärung der Bürger einfacher zu gestalten und digitale Gesundheitsakten zu führen, die diese Bezeichnung auch verdienen. Mit dem E-Residency-Programm können auch Nicht-Est:innen digitale Einwohner:innen Estlands werden und erhalten Zugang zu den digitalen Diensten und der Gründung von Unternehmen.

Was ist die E-Residency in Estland?

Einen besonderen Weg der Wirtschaftsförderung beschreitet das Land mit diesem Programm, das Unternehmen ins Land bringen soll – von Einzelunternehmer:innen und Freiberufler:innen bis hin zu innovativen Startups, die in der ohnehin lebendigen Startup-Szene schnell die nötigen Rahmenbedingungen finden. Man will, so erklärt eine Vertreterin der estnischen Regierung, hier nicht einmal nur mit niedrigen Unternehmenssteuern locken, sondern auch mit einem Minimum an Bürokratie punkten. Die attraktiven Steuern gibt es zwar on top, aber es lassen sich sicher Länder mit noch günstigeren Konditionen finden.

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Dabei ist die E-Residency, die es bereits seit 2014 gibt, auch keine Aufenthaltsgenehmigung im eigentlichen Sinne, man ist quasi nur von einem beliebigen Ort aus Unternehmer:in in Estland und hat einen digitalen Firmensitz. Vor allem aber hat man auch als Ausländer:in in Estland eine digitale Identität und einen digitalen Personalausweis.

Für EU-Bürger:innen, die ohnehin Freizügigkeit genießen und für einen längeren Aufenthalt in Estland lediglich nach drei Monaten einen entsprechenden Wohnsitz melden müssen, mag das keinen Unterschied machen, andere tun sich damit aber schwerer. Besonders eignet sich die E-Residency aber auch für digitale Nomaden, die auf diese Weise eine einfach zu handhabende Firmenpräsenz innerhalb der Europäischen Union erhalten oder vielmehr behalten können.

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Wie beantragt man die E-Residency?

Um in den Genuss der E-Residency zu kommen, bedarf es einer Online-Bewerbung auf der offiziellen Website e-resident.gov.ee. Dort müssen umfangreiche Informationen wie persönliche Daten und ein Scan des Reisepasses hochgeladen werden. Nach Zahlung einer niedrig dreistelligen Bearbeitungsgebühr, deren Höhe von der Art der Abholung der E-Residency-Karte abhängt, findet eine Hintergrundüberprüfung durch die estnische Grenzschutzbehörde statt.

Wurde die Überprüfung erfolgreich durchgeführt, wird die E-Residency-Card an die gewünschte Botschaft oder das Konsulat geschickt, wo der:die Inhaber:in sie persönlich abholen muss. Hier gibt es neben einigen permanenten Orten auch in Deutschland mehrere Pop-up-Offices, die zu bestimmten Terminen eine Abholung ermöglichen. Die Karte muss zuletzt, wie sollte es in dem Fall anders sein, online auf der E-Residency-Plattform aktiviert und mit der entsprechenden Erstellung eines Nutzerkontos freigeschaltet und konnektiert werden.

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Wie geht die Gründung und was ist mit dem Firmenkonto?

Mit der E-Residency-Karte meldet man sich auf dem estnischen Unternehmensregister (E-Business-Register) an und kann die Unternehmensform sowie weitere Informationen wie Firmenname, verantwortliche Geschäftsführer:innen und die Adresse angeben. Als Unternehmensform eignet sich in den meisten Fällen die Private Limited Company (OÜ). Die vergleichsweise einfache Verwaltung und beschränkte Haftung sind die Vorteile dieser Unternehmensform.

Zum Antrag gehört auch noch der Gesellschaftervertrag. Natürlich wird auch hier eine Gebühr für die Registrierung fällig. Die Registrierung bei der estnischen Steuerbehörde erfolgt hierbei in der Regel automatisch im Rahmen der Unternehmensgründung.

Empfehlenswert ist im Rahmen der Gründung, da man mit Sicherheit noch einige individuelle Fragen zu klären hat, auf eine:n der zahlreichen Dienstleister:innen zu setzen. Die unterstützen auch bei der Vermittlung entsprechender Expert:innen, etwa für die (im Vergleich zu Deutschland einfache) Unternehmenssteuererklärung und weitere rechtliche Fragen – denn für bestimmte Branchen und Unternehmen sind entsprechende Lizenzen erforderlich.

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Obwohl es nicht zwingend erforderlich ist, ein estnisches Bankkonto zu haben, kann es einige Vorteile bieten, etwa im Hinblick auf die Geschäftsabwicklung und Compliance. Neben estnischen Retail-Banken, für die man allerdings bei der Kontoeröffnung oftmals vor Ort sein muss, gibt es auch einige Fintech-Anbieter:innen, wie Wise oder Revolut, die passende Konten anbieten.

Prinzipiell kann man aber auch ein Geschäftskonto bei einer Bank in einem anderen EU-Land eröffnen. Dank der Sepa-Zone sollten Euro-Transaktionen innerhalb der EU unkompliziert und kostengünstig vonstatten gehen – es gibt aber tatsächlich auch Fälle von Iban-Diskriminierung. Leider ist es bei manchen deutschen Banken nicht möglich, für eine estnische Gesellschaft ein Geschäftskonto zu beantragen – die EU-weite Freizügigkeit kommt hier noch an ihre Grenzen.

Was sind die wichtigsten Vorteile der E-Residency – und gibt es Nachteile?

Einige der Vorteile – von der Einfachheit der Gründung über die rein digitale Verwaltung bis hin zur übersichtlichen Steuergestaltung – haben wir ja bereits genannt. Grundsätzlich eröffnet die E-Residency ein hohes Maß an Remote Kompatibilität, etwa durch eine digitale Signatur, mit der sich sämtliche Dokumente im Unternehmensalltag digital unterzeichnen lassen, was die Verwaltung und den Abschluss von Verträgen vereinfacht und auch für digitale Nomad:innen erleichtert.

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Zudem hat Estland ein (sich gerade in Details mal wieder änderndes) einfaches und übersichtliches Steuersystem, bei dem nur jene Einkommen, die aus dem Unternehmen an die Gründer:innen ausgezahlt werden, versteuert werden müssen. Einkommen wird hier im Rahmen einer Flat-Tax mit 20 Prozent besteuert. Das ist ein Anreiz, Geld im Unternehmen fürs Wachstum zu belassen und langfristig zu reinvestieren.

E-Residents, die nicht aus der EU kommen, erhalten auf diesem Weg einen flexiblen und einfach zu verwaltenden Zugang zum EU-Markt. Doch für die meisten von uns dürfte das weniger ein Anreiz sein, zumal die Wohnsitzfrage (und damit die Steuerpflicht) nicht erledigt sind. Nicht unterschätzt werden sollte in diesem Zusammenhang die Komplexität der internationalen Besteuerung, die in aller Regel dazu führen wird, dass man im eigenen Heimatland steuerpflichtig bleibt und sich zudem noch mit dem Doppelbesteuerungsabkommen auseinandersetzen muss. Glaubt man den Erfahrungen von Diskussionsteilnehmer:innen in Gruppen zur E-Residency, ist es sinnvoll, sich sowohl für die Belange in Estland als auch im Heimatland eine:n Steuerberater:in zuzulegen.

Unterm Strich hat die E-Residency also durchaus ihren Reiz, löst aber eher bürokratische als steuerthematische Probleme – und schafft dabei einige neue Herausforderungen. Sie ist somit vor allem für Unternehmer:innen (von Solopreneur:innen bis zum Startup) geeignet, die von einem europäischen Stützpunkt mit EU-Recht profitieren wollen, ohne vor Ort sein zu müssen. Trotzdem sollten potenzielle E-Residents die damit verbundenen Verpflichtungen nicht aus den Augen verlieren.

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