Was E-Sportler während der Arbeit essen – und was wir davon lernen können

Auch E-Sportler müssen auf ihre Ernährung achten, weiß Roman Reinhardt. Er war selbst viele Jahre professioneller E-Sportler und ist inzwischen Chief Gaming Officer beim E-Sport-Verein Berlin International Gaming. Herr Reinhardt, wie darf man sich den Alltag eines Chief Gaming Officer im E-Sport vorstellen? Ich bin zuständig für alle Teams. Kümmere mich um Vertragsgespräche, suche mit Scouts zusammen neue Spieler, kümmere mich um Planung von Matches oder die Formulierung von Zielen. Zusammenfassend kann man sagen, dass ich in sehr vielen Meetings sitze und mich um sehr viele Dinge gleichzeitig kümmere. Dazu gehören aber auch Gespräche mit Sportpsychologen und Ernährungsexperten, die sich um die Gesundheit und Fitness unserer Sportler kümmern. Wie sieht denn so ein Training von E-Sportlern an einem typischen Tag aus? Da kann ich als Beispiel das Training unseres Counter-Strike-Teams nehmen. Die treffen sich um elf, vorher machen sie oft einen kleinen Walk und frühstücken in Ruhe. Dann kommt erst mal Theorie: Taktiken besprechen, über die Kommunikation im Spiel entscheiden, Vorbereitung auf die gegnerischen Teams, Maps durchgehen und mehr. Da ist auch der Sportpsychologe dabei. Und wann wird gespielt? Im ersten praktischen Teil, in dem es dann an Counter Strike geht. Anschließend gibt es Mittag und dann wieder Theorie: Wie ist das Match gelaufen? Was können wir verbessern? Anschließend gibt es zwei weitere Trainingsspiele. Insgesamt dauert so ein Tag sieben bis acht Stunden. Dieses Interview ist zuerst in der t3n 75 erschienen, in der wir über Ernährung in Zeiten von KI, Tech und Remote Work schreiben. Sie erwähnten schon gemeinsames Frühstück und Mittag – bekommen E-Sportler Ernährungspläne, an die sie sich halten müssen? In unseren Teams wird sehr auf die Ernährung geachtet. Aber wir können natürlich nicht alles kontrollieren. Wenn das Training vorbei ist, liegt das außerhalb unserer Einflussnahme. Aber die Jungs sind Sportler, denen ist bewusst, dass sie auf die Ernährung achten müssen. Ausgewogen, gut ernährt: viel Gemüse, mageres Fleisch, Vollkornprodukte, sehr ballaststoffreich. Die haben alle Workshops mitgemacht, in denen ihnen der Einfluss des Essens auf die Performance erklärt wurde. Wir geben Parameter, welche Ernährung gut für sie ist und welche nicht. [caption id="attachment_1617957" align="alignnone" width="266"] Roman Reinhardt, Chief Gaming Officer beim E-Sport-Verein Berlin International Gaming. (Foto: Berlin International Gaming)[/caption] Geht es dabei um körperliche Fitness oder wird auf Ernährung geachtet, die gut fürs Gehirn sein soll? Sowohl als auch. Das kann man nicht so getrennt betrachten. Wir legen großen Wert darauf, dass bestimmte Lebensmittel an Wettkampftagen nicht gegessen werden. Dafür gibt es ein paar No-Gos: Burger, Pizza, Süßkram. Das liegt schwer im Magen, ein Spiel geht auch mal drei Stunden mit kurzen Pausen. Da kann man es sich nicht leisten, plötzlich auf Toilette zu müssen oder eine Down-Phase zu haben, weil der Blutzuckerspiegel in den Keller geht. Trotzdem halten wir das alles sehr individuell. Einer trinkt etwa eine halbe Stunde vor dem Match noch einen Espresso, anderen bekommt das aber gar nicht. Individuelle Routinen sind sehr wichtig. [crosslinks ids="1617102,1617566,1613731"] Und während eines Matches? Steht da Studentenfutter neben der Tastatur? Nein, Essen während eines Matches ist offiziell nicht erlaubt. Eine Map in Counter Strike etwa dauert 45 bis 60 Minuten, danach ist eine kurze Pause. Dafür stellen wir dann Essen zurecht. Nüsse, Obst, Beeren, auch mal eine Reiswaffel mit Erdnussbutter oder einen Eiweißriegel. Selbst Traubenzucker können sie essen, auch wenn der kurzkettig ist. Einige nehmen das gerne an, andere brauchen das nicht – vor allem dann nicht, wenn sie zwei Stunden vor dem Match etwas Vollwertiges gegessen haben. Wie wichtig ist denn die körperliche Fitness? Gehört gemeinsamer „konventioneller“ Sport zum Programm? Wir sprechen viel mit den Leuten darüber. Aber der eine mag eher Fitnessstudio, während der andere lieber eine Runde laufen geht. Darum haben wir einen Mittelweg gefunden: Jeder ist angehalten, etwas zu tun. Es gab Workshops, in denen die positiven Effekte des Sports aufgezeigt wurden. Bessere Blutzirkulation, höhere Konzentrationsfähigkeit, besserer Umgang mit Stress. Das alles ist im E-Sport sehr wichtig – während 100-Kilo-Bankdrücken eher nicht so viel bringt. E-Sport ist ein sehr digitaler Sport. Werden also auch etliche Apps eingesetzt, um die Ernährung und die Fitness zu tracken? Es gibt ein paar Sportler, die nutzen Apps um ihre Kalorien zu tracken. Gerade am Anfang, um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie viele Kalorien welches Essen hat. Wir schauen auch auf den Blutzuckerspiegel, damit der nicht so stark schwankt. Aber es gibt keine festen Apps, die wir da anbieten. Ernährungspläne erstellen unsere Experten auch ganz analog. Gibt es so was wie Cheat-Days, um die Moral hochzuhalten? Klar, so was gibt es. Das ist auch nötig. Wir haben turnierfreie Zeiten und wir haben trainingsfreie Tage. Da können die dann auch mal essen, was sie wollen. Die Jungs müssen aber eine Professionalität mitbringen, um in dem Sport mitzukommen. Ernährung und Sport gehören fest dazu. Aber wir geben nur einen Rahmen vor, den Rest müssen sie selbst machen. Und nun einmal zu Ihnen: Haben Sie selbst ein Lieblingsessen? Meine Frau macht sich schon lustig darüber – ich habe eine eigene Pasta-Kreation. Eine Bolognese, nur statt Hackfleisch nehme ich Putenfleisch und viel Parmesan. Aber immerhin nehme ich Vollkornnudeln. Es zeigt sich also: Die Ernährungsregeln für E-Sportler können auch für andere Menschen, die vor allem am PC arbeiten, eine gute Handreiche sein. Viel Bewegung, eine Ernährung, die nicht "aufs Gehirn schlägt" und ein strukturierter Tag, in dem Routinen wichtig sind. Denn auch wenn die meisten von uns wohl nicht blitzschnelle Reflexe auf der Arbeit brauchen – eine Ernährung, die uns nur müde macht, ist niemals zielführend.