
Der Siegeszug generativer KI hat allerlei Fragen aufgeworfen. Genau die wollte die EU mit dem weltweit ersten umfassenden KI-Gesetz beantworten. „Dies ist ein historischer Moment“, so die Präsidentin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen, anlässlich der Einigung auf den Gesetzentwurf im Dezember 2023.
Jetzt ist der AI Act in Kraft getreten und Kritiker:innen bemängeln zu Recht, dass nach wie vor noch viele Fragen offen sind. Darunter vielleicht auch die Wichtigste von allen.
AI Act lässt wichtige Fragen weiter ungeklärt
Sei es die Klage der New York Times gegen OpenAI oder die eines deutschen Fotografen gegen die Datensammelorganisation LAION: Überall auf der Welt beschäftigen sich Gerichte mit der Frage, wie im KI-Zeitalter mit den Rechten von Urheber:innen umgegangen werden soll. Ausgerechnet darauf liefert der AI Act keine klaren Antworten.
Anbieter von KI-Modellen müssen sich laut Gesetzestext an die Urheberrechte halten. Viel genauer wird der AI Act in der Hinsicht aber kaum. Das bedeutet zunächst einmal, dass KI-Firmen im Netz oder anderweitig veröffentlichte Daten für ihr Training verwenden dürfen. Zumindest so lange die oder der Urheber:in dem nicht in „maschinenlesbarer Form“ widersprochen hat.
Das galt aber freilich auch schon vor dem Inkrafttreten des AI Acts. Neu ist mit dem AI Act nur, dass KI-Firmen dokumentieren müssen, welche Trainingsdaten sie verwendet haben. Wie genau diese Dokumentation am Ende aussehen muss, weiß allerdings noch niemand.
Im Gesetzestext wird lediglich von einer „hinreichend detaillierte Zusammenfassung“ gesprochen. Die Firmen sollen sich dabei an einer vom europäischen Amt für KI erstellten Vorlage orientieren. Das hat aber erst Mitte Juni 2024 seine Arbeit aufgenommen. Immerhin möchte man sagen, denn welche nationale Behörde in Deutschland die Einhaltung der neuen KI-Regeln überwachen soll, ist noch immer nicht geklärt.
Bleiben wir dem föderalen System treu, und verteilen die Aufgabe quer durch die Republik? Oder übernimmt eine Bundesbehörde die Aufgabe? Und wenn ja, macht es dann die Bundesdatenschutzbeauftragte oder vielleicht doch die Bundesnetzagentur? Man weiß es nicht.
AI Act: Weitere Fragen zum Urheberrecht bleiben unbeantwortet
Beim Themenkomplex KI und Urheberrecht geht es nicht nur um Trainingsdaten. Auch die Frage, ob und welchen Schutz mit KI-generierte Inhalte genießen sollten, scheidet weltweit die Geister. Während die zuständige US-Behörde, die für einen Schutz notwendige Schöpfungshöhe bei KI-Inhalten nicht erreicht sieht, hat ein chinesisches Gericht im Januar 2024 genau das Gegenteil entschieden.
Eine klare Regelung für die gesamte EU wäre auch in dem Bereich wünschenswert. Der AI Act bietet die aber nicht an. Und so werden diese und andere Fragen auch weiterhin die Gerichte der Mitgliedsstaaten beschäftigen, bis es dann vermutlich irgendwann eine Klärung vom Europäischen Gerichtshof gibt. Dabei hätten doch genau diese Fragen eine klare, von politischen Mehrheiten getragene Antwort verdient.