Experiment zeigt: So günstig ist es, Social-Media-Plattformen zu manipulieren

Soziale Netzwerke versagen bei der Manipulationserkennung. (Grafik: Shutterstock-studiostoks)
Trotz der Bekenntnisse der sozialen Netzwerke zum Kampf gegen Manipulationen auf ihren Plattformen ist es einfacher denn je, manipulative Inhalte auf Twitter, Facebook, Instagram oder Youtube zu verankern. Dazu bedarf es lediglich der vergleichsweise billigen Nutzung eines Diensteanbieters, der sich auf solche Manipulationen spezialisiert hat.
Hunderte Manipulations-Services warten auf Kunden
Derlei Dienste gibt es nach Erkenntnissen des Strategic Communication Center of Excellence (Stratcom) der Nato zu Hunderten, wobei nahezu alle russischen Ursprungs sein sollen und teils mit einem großen Mitarbeiterstamm und namhaften Umsätzen als offen arbeitende Unternehmen am Markt agieren und insofern für jedermann leicht zugänglich sind.
Um zu ermitteln, inwieweit die Netzwerke Twitter, Facebook, Instagram und Youtube manipuliert werden können, kaufte die Stratcom über 16 verschiedene Dienstleister Engagement ein, das diese auf 105 verschiedene Beiträge quer über die genannten Netzwerke verteilen sollten. Die Dienstanbieter setzten nach Stratcom-Ermittlungen für die Auftragserfüllung mehr als 18.700 verschiedene Accounts ein.

Plakativ: So viel „Leistung“ bekommt ihr für zehn Euro. (Grafik: Stratcom)
Manipulative Inhalte werden nicht erkannt
In einem Testzeitraum von vier Monaten im Frühsommer diesen Jahres untersuchte die Stratcom nicht nur, wie billig und einfach sich manipulatives Media-Engagement kaufen und einsetzen lässt. Vielmehr wollten die Forscher auch wissen, wie lange sich die gekauften Assets halten und was die Plattformen tun, wenn sie ausdrücklich auf die platzierten Fakes hingewiesen werden.
In beiden Disziplinen fielen die Netzwerke durch. So stellte die Stratcom fest, dass am Ende des Testzeitraums immer noch vier von fünf platzierten Fakes online waren. Auch auf ausdrückliche Meldungen von Fake-Accounts reagierten die Plattformen mit wenig Enthusiasmus. So blieben trotz Meldung 95 Prozent der gemeldeten Accounts intakt.
Selbstregulierung „gescheitert“
Damit zeigt sich für die Stratcom, dass den klaren Bekenntnissen der Netzwerk-Betreiber zum EU-Verhaltenskodex zur Bekämpfung von Desinformation keine ausreichenden Maßnahmen gefolgt sind. Nach Meinung der Nato-Einrichtung muss die Selbstregulierung der sozialen Netzwerke damit als gescheitert betrachtet werden.
Problematisch bleibt dabei, dass Desinformation keine klare Definition, schon gar nicht eine klare rechtliche Definition, besitzt. Weil sich auf dieser Basis keine sauberen und rechtsfesten Linien ziehen lassen, gefiel der EU der Gedanke der Selbstregulierung naheliegenderweise am besten.
Konkretisierung des Kodex erforderlich
Die Stratcom schlägt in Kenntnis dessen vor, dass der Verhaltenskodex einmal komplett überprüft und konkretisiert wird. So soll schlussendlich aus einer relativ unverbindlichen Absichtserklärung ein Papier werden, dessen Kriterien objektiv abgearbeitet und deren Abarbeitung objektiv überprüft werden kann.
Die Ergebnisse des Experiments hat die Stratcom in einem Papier veröffentlicht, das an dieser Stelle zum Download bereit steht und detaillierte Einzelinformationen zu den jeweiligen Netzwerken vorhält.