Flirten ohne Bild? Neue Singlebörsen buhlen um Kundschaft
Jung, attraktiv, sportlich schlank: Fotos von schönen Menschen beherrschen die Websites und die TV-Werbung der großen Online-Singlebörsen. Auch wer sich dort auf die Suche nach dem neuen Liebesglück macht, setzt meist auf die Macht der Bilder und nutzt schöne Selfies, gelungene Urlaubsschnappschüsse oder ein cooles Foto vor der Großstadtkulisse zur Selbstvermarktung. Hat die traditionelle Kontaktanzeige mit wenigen Textzeilen und ohne Bild in diesen Zeiten überhaupt noch eine Chance? Und wer nutzt sie heute noch?
So genau kann man den Markt und die Zielgruppen bei der Partnersuche gar nicht abgrenzen, sagt Alexandra Langbein vom Vergleichsportal singleboersen-vergleich.de. Die bekannte Plattform Lovescout24 etwa gilt als Kontaktanzeigen-Portal, auch wenn die Nutzer dort Fotos von sich hochladen. Generell gelte: Viele Wege führen nach Rom beziehungsweise zum nächsten Date. Singles, die länger auf der Suche nach einem Partner sind, melden sich häufig bei mehreren unterschiedlichen Online-Börsen an, um ihre Chancen zu erhöhen – und versuchen es zusätzlich über Kontaktanzeigen in Tageszeitungen, Online-Medien oder Anzeigenblättern.
Bei der Wochenzeitung Die Zeit etwa sind es mehr Frauen als Männer, die mit Inseraten nach einem geeigneten Partner Ausschau halten. Mehr als die Hälfte der 2365 Kontaktanzeigen, die im vergangenen Jahr im Zeit-Magazin geschaltet wurden, stammen vom weiblichen Geschlecht. Das Bemerkenswerte: Die Gesamtzahl der Anzeigen schwankt trotz wachsender digitaler Konkurrenz nur leicht, wie eine Sprecherin erklärt. Vor rund zehn Jahren waren es mit 2345 nur 20 Annoncen weniger.
Zielgruppe klassischer Kontaktanzeige ist 50 plus
Als typische Zielgruppe für die klassische Kontaktanzeige mit einigen Zeilen Text gilt eigentlich die Altersgruppe 50 plus. Aber auch jüngere Flirtwillige brauchen für das erste Kennenlernen nicht unbedingt Fotos, sagt Marina Tomacelli vom Münchner Startup liebertext.de. Über die gleichnamige App können die Nutzer selbstgeschriebene Inserate einstellen und erste Bande zur potenziellen neuen Liebe knüpfen. Die wenigen Zeilen sagten meist viel mehr über die Autoren aus als ein hübsches Bild, ist Tomacelli überzeugt. Der Einstieg ist für die Singles erst einmal kostenlos, für weitere Funktionen prüfen die Gründer derzeit noch Bezahlmodelle.
Rund 2.500 in Deutschland nutzbare Single-Börsen gibt es derzeit. Nach einem Boom in den Jahren 2003 bis 2011 und einer Phase stagnierender Umsätze ist die Branche mittlerweile wieder auf Wachstumskurs. 2015 kamen die Online-Börsen nach Erhebungen von singleboersen-vergleich.de zusammen auf Erlöse von rund 200 Millionen Euro. Neuere Zahlen liegen zwar nicht vor, doch dürfte es auch in den vergangenen beiden Jahren jeweils ein kleines Plus gegeben haben, sagt Expertin Langbein. Das Vergleichsportal finanziert sich über Provisionen, wenn Nutzer sich darüber auf ein Dating-Portal weiterleiten lassen und eine Mitgliedschaft abschließen.
Zugleich ist die Branche in Bewegung: Nachdem der Medienkonzern Pro-Sieben-Sat.1 sich 2016 die beiden Partnervermittler Elitepartner und Parship geschnappt hatte, kommen auch immer wieder neue Spieler auf den Markt – und kleine, teils regionale Anbieter verschwinden. Letzte größere Neuzugänge waren im vergangenen Sommer Zweisam.de für Singles über 50 Jahren und das Startup Lemonswan, mitgegründet von Arne Kahlke, der schon bei Parship mitmischte und später Elitepartner ins Leben rief.
Dating-Seiten: Viele unseriöse Anbieter
Wie andere Plattformen funktioniert auch Lemonswan über ein Abo-Modell, ist aber für die Nutzer einer Basis-Mitgliedschaft sowie für weniger zahlungskräftige Mitglieder kostenlos, nämlich für Alleinerziehende, Auszubildende und Studenten. Mitgründer Kahlke will damit auch die Einstiegshürde senken. „Ich habe über die Jahre festgestellt, dass Geld das Relevanteste ist, was Singles von der seriösen Partnersuche abhält“, sagte er kürzlich Gründerszene. „Partnervermittlung kostet in der Regel immer sehr viel und das kann sich nicht jeder leisten.“ Das sei auch das Problem in diesem Markt.
Aber die Branche kämpft auch immer wieder mit Negativ-Berichten über unseriöse Anbieter und Abzockmethoden, etwa über eigens bezahlte Mitarbeiter, die flirtwillige Singles im Netz bei Laune halten. So haben Experten der Verbraucherzentrale Bayern kürzlich 187 Online-Dating-Portale identifiziert, die solche Methoden anwenden – und darauf nur im Kleingedruckten verweisen. „Betrachtet man die Branche im Gesamten, ist das Fazit, dass man bei der Auswahl eines Anbieters leider sehr aufmerksam sein muss“, merkt Tatjana Halm von der Verbraucherzentrale Bayern an. Das gelte sowohl für digitale als auch für analoge Angebote. dpa