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Food-Tech: Mit Startups die Nahrungsmittelversorgung nachhaltiger gestalten

Die CO2-Bilanz der Lebensmittelbranche ist erschreckend. Sollen die Emissionen reduziert werden, gilt es dringend, technologische Innovationen zu fördern und nachhaltigen Startups den Markteintritt zu erleichtern.

Von Matthias Willenbacher
4 Min. Lesezeit
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Die Nahrungsmittelbranche trägt mit über einem Fünftel einen erheblichen Anteil zur jährlichen CO2-Bilanz pro Kopf bei. (Bild: hfuchs / shutterstock)

Überbelegte und marode Sammelunterkünfte für Arbeiter, mangelnde Hygiene und miserable Haltungsbedingungen für Tiere: Die Covid-19-Pandemie hat die Missstände in zahlreichen deutschen Schlachtbetrieben eindrücklich offenbart. Seit der coronabedingten Schließung des Stammwerks von Branchenriese Tönnies im nordrhein-westfälischen Gütersloh ist die Diskussion über eine umwelt- und moralverträgliche Gestaltung der Fleischindustrie in vollem Gange.

Zu Recht! Tiere allein nach Effizienz und Niedrigpreisen zu züchten, ist mit ethischen Grundgedanken kaum vereinbar. Und nicht nur das. Soll sich das Thema Nachhaltigkeit in der gesamten Lebensmittelbranche durchsetzen, muss sich auch in anderen Bereichen dringend etwas ändern: Von klimaverträglichen Anbauweisen über emissionsarme Lieferketten bis hin zu einem verantwortungsbewussten Umgang der Verbraucher mit Lebensmitteln.

CO2-Bilanz der Nahrungsmittelbranche

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Wie notwendig der Wandel ist, zeigt eine Statistik des Umweltbundesamtes: Aktuell belaufen sich die durchschnittlichen, auf eine omnivore, Ernährungsweise zurückzuführenden CO2-Emissionen eines deutschen Otto-Normal-Bürgers auf satte 1,74 Tonnen pro Jahr. „Omnivor“ ist hierbei gleichbedeutend mit „Allesfresser“; die Studie berücksichtigt den gesamten Produktlebenszyklus bis hin zum Energieverbrauch bei der Zubereitung des Essens. Zum Vergleich: Der gesamte CO2-Verbrauch pro Einwohner beträgt in Deutschland im Jahr 7,9 Tonnen.

Die Zahl zeigt: Die Nahrungsmittelbranche trägt mit über einem Fünftel einen erheblichen Anteil zur jährlichen CO2-Bilanz pro Kopf bei. Inzwischen beginnt auch die Politik, darauf zu reagieren: Im Mai dieses Jahres hat die EU-Kommission die sogenannte Farm-to-Fork-Strategie veröffentlicht. Der Plan sieht vor, die Nahrungsmittelproduktion auf dem Kontinent künftig nachhaltiger zu gestalten. Dazu sollen beispielsweise bis 2030 der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln um die Hälfte reduziert und die Bio-Anbaufläche auf einen Gesamtanteil von 25 Prozent erhöht werden.

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Grüne Produktions- und Lieferbedingungen

Auf den ersten Blick mag die Agenda zwar nach Fortschritt klingen, der Plan lässt jedoch eine entscheidende Frage offen: Wie genau können die Ziele erreicht werden? Die Antwort darauf lässt sich grob in zwei Teile gliedern: Die Einstellung der Konsumenten zu Billigfleisch, Dezember-Erdbeeren und Co. muss sich wandeln, während zugleich die Produktions- und Lieferbedingungen einen grünen Anstrich benötigen.

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Was den erstgenannten Aspekt angeht, sprechen wir über einen äußerst langwierigen Prozess. Etablierte Einstellungen nach dem Motto „Ich kaufe nur die günstigste Wurst“ und „Mir ist es egal, dass im Dezember keine Erdbeeren in Deutschland wachsen“ lassen sich nicht von jetzt auf gleich revidieren. Trotzdem könnte beispielsweise ein Mehr an Transparenz über Anbau- und Haltungsumstände helfen, so manchem Einkäufer die Augen zu öffnen.

Umgekehrt ließe sich der zweite Teil der Antwort deutlich schneller realisieren – zumindest, wenn die entsprechenden Weichen dafür gestellt werden. Konkret ist die Rede von Food-Techs und Ag-Techs, also jungen, technologie-affinen Unternehmen, die mithilfe technischer Innovationen die gesamte Wertschöpfungskette von Lebensmitteln nachhaltiger gestalten wollen.

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Food-Techs und Ag-Techs boomen

Laut dem aktuellen Deutschen Startup-Monitor des Bundesverbands Deutsche Startups waren 2019 insgesamt 10,6 Prozent der hiesigen Jungunternehmen in der Ernährungs- und Nahrungsmittelbranche aktiv. Damit belegt der Food-Sektor den zweiten Platz der aktuell beliebtesten Startup-Sparten; an erster Stelle rangiert die Informations- und Kommunikationstechnologie.

Derzeit noch etwas weniger gut erschlossen, aber dennoch im Aufwind, ist die Agrarbranche: Während sich 2018 nur 1,1 Prozent der Jungunternehmen dem Landwirtschaftssektor zuordnen ließen, waren es im vergangenen Jahr immerhin schon knapp zwei Prozent. Und: Betrachtet man ausschließlich die Startups, die der Green Economy angehören, so gelten landwirtschaftlich orientierte Jungunternehmen mit einem Anteil von sieben Prozent gar als die größte Branche.

Innovative und klimaverträgliche Geschäftsmodelle

Der Erfindergeist der Agri- und Food-Tech-Gründer kann sich mehr als sehen lassen: Ob KI-basierte Software-Tools zur Erkennung von Pflanzenschäden oder regionale Lieferplattformen – viele der Jungunternehmen vereint die Motivation, Nahrungsmittel möglichst effizient und somit kostenschonend und gleichzeitig klimaverträglich herzustellen oder zu vertreiben.

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Genau diese Balance ist es letztlich auch, die wir für einen echten Wandel der Lebensmittelbranche benötigen: Nur wenn Ökologie und Ökonomie Hand in Hand gehen, gewinnen die Innovationen die notwendige Schlagkraft, um den Markt auf ein klimaverträgliches Level zu heben. Die Digitalisierung und das technologische Know-how der Gründer können dazu einen entscheidenden Beitrag leisten.

Herausforderungen des Markteintritts

Dazu benötigen sie jedoch dringend mehr Unterstützung. Denn: Insbesondere der Ag-Tech-Markt ist für Startups extrem schwierig zu erschließen. Die Jungunternehmer sehen sich oftmals mit langen Entwicklungszeiten konfrontiert und haben Schwierigkeiten bei der Suche nach Test-Betrieben. Ein Landwirt, der sich bereiterklärt, eine neue Technologie auszuprobieren, riskiert zugleich einen Ernteverlust bei einem Fehlversuch.

Entsprechend wenige Investoren lassen sich aktuell für Ag-Techs begeistern – geschweige denn sind bereit, die langen Reifephasen in Kauf zu nehmen. Laut dem EY-Startup-Barometer 2020 sammelten die Landwirtschafts-Startups im vergangenen Jahr insgesamt 96 Millionen Euro ein. Damit landet der Bereich vergleichsweise weit abgeschlagen an sechster Stelle; umgekehrt erfreut sich der Mobility-Sektor über Investitionen in Höhe von satten 1,6 Milliarden Euro.

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Hier muss dringend angesetzt werden – beispielsweise indem Förderprogramme an die langen Entwicklungszeiten angepasst werden und den Gründern so die Investorensuche erleichtern. Des Weiteren wäre es hilfreich, Versicherungskosten in die Zuschüsse zu integrieren, sodass mehr Landwirte den Schritt wagen, sich als Test-Betrieb anzubieten. Zudem würde ein gesamtgesellschaftlicher Wandel hin zu einer bewussteren Ernährungsweise entscheidend dazu beitragen, der Branche endlich die Bedeutung zu verleihen, die sie letztlich auch für Investoren interessanter macht. Hier ist jeder von uns gefordert!

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Tom Dooley

High-Tech-Lösungen ziehen heutzutage unweigerlich die Aufmerksamkeit auf sich. Im Bereich der Lebensmittelproduktion gehen sie den alt-bekannten skalierbaren BWL Ansatz. Die sog. Food-techs verfolgen keine nachhaltige Landwirtschaft. Diese Leute haben keine Ahnung von Landwirtschaft, ihr Ansatz ist ein rein betriebswirtschaftlicher. Der einzig richtige Weg geht über den den Boden! (Its the soil, stupid!) Nachhaltige Landwirtschaft ist ein ausbalanncierter Kreislauf bestehend aus Viehhaltung, Weidehaltung, Ackerfruchtfolgen und kein Einsatz von Pestiziden. Sog. Vertikal-Farming ist die Herstellung von Lebensmitteln unter Ausschluss der Natur: ohne Nährstoffen, bzw mit sehr geringen Nährstoffen. Pflanzen brauchen Erde, brauchen Sonne. Die Botschaften der Techno-Optimisten täuschen, und sind gefährlich, da sie den Menschen glauben lassen, dass die meisten Probleme durch technologische Innovationen gelöst werden können. Für Computer ist das sicher OK, aber für eine naturerhaltende Lebensmittelproduktion funktioniert ein technologischer Ansatz eben nicht. Natur ist zu komplex. Oder wollen die Techies auch kontrollieren wohin die Bienen fliegen, wohin die Würmer kriechen, wo die Pilze wachsen etc? Im Wesentlichen verfügen wir bereits über das Wissen, um die Weltbevölkerung auf nachhaltige Weise mit gesunden Lebensmitteln zu versorgen. Die Herausforderungen sind sozialer, wirtschaftlicher und politischer. Back to nature, not beyond!

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Philipp van Heland

Ich stimme Ihnen bei allem zu.

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